Robin: Die digitale Revolution hat die Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren, grundlegend verändert. Die Verwendung von sozialen Medien, E-Mails und anderen digitalen Kommunikationsformen hat dazu beigetragen, dass die Menschen schneller und einfacher miteinander kommunizieren können als je zuvor. Aber wie hat die
digitale Kommunikation die Gesprächskultur beeinflusst? Es hat sowohl Vor- wie auch Nachteile:
Oberflächlich und wenig respektvoll?
Einer der Hauptkritikpunkte an der Gesprächskultur in der digitalen Welt ist, dass die Kommunikation oberflächlich und unverbindlich sei. Die Menschen nehmen sich häufig nicht die Zeit, um ihre Gedanken und Meinungen gründlich auszudrücken oder zu diskutieren, sondern konzentrieren sich eher auf kurze, knappe Aussagen. Dies kann dazu führen, dass die Kommunikation weniger tiefgreifend und weniger produktiv ist.
Ein weiterer Faktor, der die Gesprächskultur in der digitalen Welt beeinträchtigen kann, ist die Anonymität, die durch die Verwendung von Benutzernamen und Avatar-Bildern möglich ist. Wenn Menschen nicht direkt miteinander konfrontiert sind, kann dies dazu führen, dass die Kommunikation härter und weniger respektvoll und kooperativ ist.
«Wenn Menschen auf falsche oder verzerrte Informationen regaieren, kann die Kommunikation unproduktiv und polarisierend werden.»
Robin Glauser
Ein ebenso wichtiger Aspekt bei der Betrachtung der Gesprächskultur in der digitalen Welt ist die Verbreitung von Fake-News und Desinformationen. In den sozialen Medien ist es oft schwierig, zwischen wahren und falschen Nachrichten zu unterscheiden. Wenn Menschen auf falsche oder verzerrte Informationen reagieren, kann die Kommunikation unproduktiv und polarisierend werden.
Immer, überall und besser informiert?
Trotz der möglichen negativen Auswirkungen gibt es auch viele Vorteile, die die sozialen Medien für die Gesprächskultur bieten. Einer der grössten Vorteile ist, dass die sozialen Medien es Menschen ermöglichen, auf der ganzen Welt miteinander zu kommunizieren und sich auszutauschen. Durch die Verwendung von Online-Plattformen können Menschen unabhängig von ihrem Standort oder ihrer Tageszeit miteinander kommunizieren.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die sozialen Medien es Menschen erleichtern, sich mit anderen zu vernetzen, die ähnliche Interessen oder Meinungen teilen. Durch diesen Austausch unter Gleichgesinnten fühlen Menschen sich weniger allein und isoliert.
Ausserdem bieten die sozialen Medien die Möglichkeit, schnell und einfach Informationen und Neuigkeiten zu teilen und zu verbreiten. Dies kann dazu beitragen, dass Menschen besser informiert sind.
Schliesslich ist zu betonen, dass die sozialen Medien eine wichtige Rolle bei der Förderung der Meinungsfreiheit und der politischen Teilhabe spielen können. Sie bieten Menschen die Möglichkeit, ihre Meinungen und Ansichten öffentlich zu äussern und sich an politischen Diskussionen und Debatten zu beteiligen.
Informationen kritisch prüfen!
Ein wichtiges Problem, das die Gesprächskultur in der digitalen Welt beeinflusst, ist das Vertrauen. Im Vergleich zur traditionellen Kommunikation, bei der man sich persönlich trifft, ist es im digitalen Raum schwieriger, Vertrauen in die Identität und die Absichten des GesprächspartnerIn aufzubauen. Dies kann dazu führen, dass Menschen skeptischer und vorsichtiger miteinander kommunizieren und dass sie weniger bereit sind, persönliche Informationen oder Meinungen zu teilen. Auch der zunehmende Einsatz von künstlichen Sprachintelligenzen (KI), insbesondere von sogenannten Chatbots und Socialbots, könnte für die digitale Gesprächskultur problematisch werden. Diese Programme sind in der Lage, als «Fake-Account» selbstständig Texte zu generieren, bei denen es schwierig sein kann, sie von Texten echter Personen zu unterscheiden.
Derartige Probleme machen deutlich, wie wichtig es ist, Nachrichten und Informationen aus den sozialen Medien kritisch zu prüfen, bevor wir sie teilen oder auf sie reagieren. Das Vertrauen in die digitale Kommunikation wird gefördert, wenn Menschen ihre Identität verifizieren und nachvollziehbar machen, zum Beispiel durch Authentifizierungsverfahren.
Abschliessend ist festzuhalten, dass die sozialen Medien sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Gesprächskultur haben können. Es ist wichtig, die Vor- und Nachteile abzuwägen und sich bewusst zu machen, wie man sie am besten nutzen kann, um eine positive und produktive Kommunikation zu fördern.
Helmut: Die sogenannten «sozialen Medien» bieten zahllose Möglichkeiten zum Austausch mit anderen Menschen und zweifelsohne hat das Folgen für die zwischenmenschliche Kommunikation. Ein wichtiger Effekt ist, dass die sozialen Dienste es erleichtern, Geschwindigkeit und Häufigkeit von Gesprächen zu erhöhen. Dadurch fühlt man sich den Freunden näher oder man hat das Gefühl, mehr Freunde zu haben. Die einfache Kommunikation in Gruppen, zum Beispiel mittels WhatsApp, steigert die soziale Resonanz. Diese Vorteile der sozialen Netzwerke gehen jedoch mit Nachteilen einher. Die Vielzahl an Nachrichten und Möglichkeiten zum Austausch kann schlicht zu viel werden, mit dem Ergebnis, dass Fokussierung und Tiefe verloren gehen und es zur häppchenweisen Kommunikation kommt. Zudem haben Studien gezeigt, dass die Leichtigkeit, sich «online» zu treffen, dazu verleiten kann, die Häufigkeit physischer Treffen zu reduzieren. Es ist halt einfacher, online mit jemandem zu reden, statt an einem kalten Wintertag aus dem Haus zu gehen, um jemanden physisch zu treffen.
«Unsoziales Verhalten auf den online-Medien wird auch durch die Möglichkeit zur Anonymität gefördert.»
Helmut Segner
Frei dank Social Media?
Soziale Netzwerke bieten die Möglichkeit zur freien Kommunikation, was gerade in repressiven Gesellschaften wichtig ist. Ein aktuelles Beispiel bietet der Iran, wo die sozialen Netzwerke eine wichtige Rolle spielen bei der Organisation von Protesten gegen das Regime. Andererseits werden soziale Medien genutzt, um Hass oder «Fake-News» zu verbreiten oder für Mobbing. Derartig unsoziales Verhalten auf den online-Medien wird auch durch die Möglichkeit zur Anonymität gefördert.
Soziale Medien haben Nachteile im Hinblick auf die non-verbalen Anteile der Kommunikation. Der Mensch ist von seiner Evolution her ein soziales Tier, weshalb er sich im zwischenmenschlichen Gespräch nur zu einem kleinen Teil auf das gesprochene Wort verlässt, er reagiert stark auf non-verbale Signale wie Gestik oder Körperhaltung. Aber genau diese Gesprächsanteile sind in der «online»-Kommunikation nur bedingt vermittelbar.
Glücklich dank Social Media?
Soziale Medien beeinflussen auch die Art und Weise, wie wir miteinander im Gespräch sind. Wenn wir eine Nachricht in unserem sozialen Netzwerk erhalten, wirkt das im Gehirn als Aufmerksamkeitszuwendung, was positive Gefühle und die Ausschüttung von Dopamin auslöst. Im Ergebnis führt das dazu, dass man, selbst wenn man im Gespräch mit anderen ist, immer wieder versucht ist, beiläufig auf das Handy zu schauen, ob vielleicht eine neue Nachricht eingetroffen ist. Wir zerstückeln unsere Aufmerksamkeit und die Zuwendung zum Gesprächspartner leidet. Zwischenmenschliche Kommunikation braucht Blickkontakt und ungeteilte Aufmerksamkeit, aber genau das kann durch das Dazwischendrängen der «online»-Welt verloren gehen. Auch kleine Alltagsgespräche werden durch unsere Faszination für die online-Medien weniger. Nun mag man das für verschmerzbar halten, aber wie Bob Waldinger, der Leiter der langjährigen Glücksstudie der Harvard University, in seinem gerade erschienenen Buch «The good life» aufzeigt, tragen diese kleinen Alltagsgespräche signifikant zu unserem Wohlbefinden bei.
Schliesslich gefährdet die ständige Aktivität auf den sozialen Medien unsere Fähigkeit zum Nichtstun – oder etwas altmodisch ausgedrückt: zur «Musse». Ist es nicht schön, beim Zugfahren einfach mal nichts zu tun und aus dem Fenster zu schauen? Nichtstun ist wesentlich für Erholung und Resilienz. Es braucht Zeit, in der nichts passiert und unsere Fokussiersysteme ausgeschaltet sind. Aber es ist schwierig, diese Zeit zu finden, wenn gleichzeitig das Belohnungssystem im Gehirn uns dazu verleitet, doch wieder zu chatten oder zu surfen.
Lieber Zeit für Gespräche
Mein persönliches Fazit zur Frage des Einflusses der sozialen Netzwerke auf unsere Fähigkeit, miteinander im Gespräch zu bleiben, ist etwas gespalten. Einerseits sehe ich das Potenzial der sozialen Medien, zwischenmenschliche Kommunikation zu erleichtern und zu unterstützen. Andererseits aber sehe ich Risiken für das zwischenmenschliche Gespräch und das soziale Miteinander. Roger McNamee, einer der frühen Investoren in Facebook und ein zeitweiliger Berater von Mark Zuckerberg, formuliert es so. «Die sozialen Medien haben der Welt ihre asozialen Werte aufgezwungen».