Studierende können bei älteren Menschen wohnen. Statt Miete zu zahlen, helfen sie älteren Menschen in ihrem zu Hause. Das Tauschprinzip verfolgt gleich mehrere Ziele: Nicht mehr benötigter Wohnraum wird genutzt, Studenten wohnen billiger, Betagte sind weniger allein und können sich mit Jungen austauschen.
Genau das ermöglich das Angebot «Wohnen für Hilfe» von der Pro Senectute im Kanton Zürich.
Eine Kontaktstelle vermittelt die passenden Wohnpartner einander zu, unterstützt diese bei der Beschreibung der Regeln für den gemeinsamen Wohnalltag und begleitet die Wohnpartner während der Anfangsphase.
Neue Bilder von Alt und Jung
Das Pilotprojekt zeigt: Sobald eine Wohnpartnerschaft zustande gekommen ist, funktioniert sie in der Regel sehr gut. Die Vereinbarungen werden eingehalten und beide Seiten profitieren sowohl materiell wie auch zwischenmenschlich. Neue Bilder vom Alter entstehen sowie das Image der jüngeren Generation verbessert sich zusehends. Löst sich eine Wohnpartnerschaft auf, streben die meisten Senioren eine neue an. Das Projekt wird ausgedehnt und von Freiwilligen, welche die die Partner betreuen, weiterentwickelt.
Interview mit Michael Muheim, Projektverantwortlicher von Pro Senectute Kanton Zürich.
Wo steht «Wohnen für Hilfe» in fünf Jahren?
Michael Muheim: Studierende sind massiv unter Druck, Wohnraum zu finden. Unsere Vision: Wir machen einen landesweiten medialen Aufruf, die Seniorinnen und Senioren zeigen sich solidarisch und stellen der jüngeren Generation Wohnraum zur Verfügung. Zudem wird das Thema Generationenbeziehungen in allen Ausbildungen zum Thema. Und es wird auch gelebt: Es gibt eine ergänzende familiäre Unterstützung älterer Menschen durch Studierende und Lernende.
Was bedeutet diese Vision ganz konkret?
Generationenbeziehungen werden zu einem festen Bestandteil in allen Ausbildungsplänen, sowohl in Theorie wie in der Praxis. «Wohnen für Hilfe» ist eine gute Chance, die Solidarität zwischen Älteren und Jüngeren praktisch umzusetzen.
Das Gespräch führte Paula Lanfranconi.
Zu Besuch in Zürich
Um uns nun selbst ein Bild zu diesem Projekt zu machen, besuchten wir an einem verregneten Donnerstagmorgen in Zürich Michael Muheim. Er hatte sich bereit erklärt, uns das Projekt zu erläutern und auf unsere Fragen zu antworten. So erfuhren wir viele interessante Fakten.
Im Moment gibt es etwa 40 Wohnpartnerschaften. Die Nachfrage vor allem auf Seiten der Studierenden ist aber viel höher; besonders kurz vor Semesterbeginn gehen viele Anfragen ein. Um zwei Personen zu finden, welche gut miteinander zurechtkommen, achten die Begleitpersonen auf Interessen und Gemeinsamkeiten. Dadurch lernen sich die Partner schneller kennen und sie finden in kurzer Zeit Aktivitäten, welche die Gemeinschaftszeiten bereichern. Damit eine Wohnpartnerschaft entstehen kann, braucht es viel Zeit. Die beiden Beteiligten werden genau über Sinn, Zweck und Rahmenbedingungen der Partnerschaft informiert. Sie müssen sich kennenlernen und dabei gegenseitiges Vertrauen gewinnen. Dieser Prozess dauert laut Herrn Michael Muheim in der Regel etwa vier Monate. Die Wohnpartnerschaft selbst besteht normalerweise zwischen sechs bis achtzehn Monaten.
Sicherheitsgedanke und Kostenüberlegungen
Die Motivation für diesen gemeinsamen Weg ist verschieden. Für Studierende steht sicher der finanzielle Vorteil im Vordergrund, da sie noch wenig verdienen. Sie sehen aber auch eine Chance, von Menschen etwas zu lernen, die mehr Lebenserfahrung haben. Bei den älteren Personen, so Muheim, sei oft der Sicherheitsgedanke vorhanden, dass noch jemand anderes im Haus wäre. Ausserdem sehen es viele auch als Möglichkeit, mit jüngeren Personen ins Gespräch zu kommen und dieser Generation etwas näher zu kommen.
Da das Projekt, unter anderem durch eine recht aufwändige Administration, auch Kosten verursacht, bezahlen die Studierenden zu Beginn der Wohnpartnerschaft einen einmaligen Betrag von 300 Franken. Pro Senectute Kanton Zürich und Pro Senectute Schweiz unterstützt das Projekt.
Mehr Details zu diesem Projekt finden Sie im Age Impuls Oktober 2012.