Gespannt blicken Erika und Valeria auf den Bildschirm des Laptops. Hier spielt sich das volle Leben ab. Damen in Netzstrümpfen schwingen ihre Hüften, Männer spielen Golf oder Baseball, ein Paar setzt sich auf seine Harley Davidson und braust davon, eine Rockband spielt auf. Das Erstaunliche dabei: alle ProtagonistInnen sind RentnerInnen.
Erika: In diesem Film werden ausschliesslich alte Menschen porträtiert. Hast du dich gelangweilt?
Valeria: Überhaupt nicht, im Gegenteil! Es war spannend zu sehen, was RentnerInnen alles zustande bringen und wie leidenschaftlich sie noch im Alter an diversen Aktivitäten teilhaben. Die meisten waren motivierter als ich beim Schulsport. Und sie machen das ja alles freiwillig.
Erika: Damit bestätigt sich das Bild, das ich von den Amerikanern habe: Sie sind fit und achten auf ihr Äusseres.
Valeria: Ja, aber sie lassen uns auch einen Blick hinter die Fassade werfen. Wir kriegen Einblick in die verschiedenen Lebensweisen und Weltanschauungen. Obwohl sie alle in der gleichen Stadt wohnen und der gleichen Altersgruppe angehören, heisst dies noch lange nicht, dass auch alle gleich sind. Jeder und jede hat ganz eigene Probleme und Freuden.
Erika: Ja, mich beeindruckt, wie ernsthaft und offen über das Sterben und den Tod gesprochen wird. Da muss ich auch mit einem Vorurteil aufräumen, denn ich meinte, dass dieses Thema in Amerika total verdrängt wird. Die Regisseurin ging wohl besonders respektvoll und einfühlsam ans Werk. So kommen wir den porträtierten Menschen sehr nahe.
Valeria: Wenn wir schon von Vorurteilen sprechen: Bisher waren für mich Leute ab 60 alt. Im Film sahen wir jedoch, dass eine 70-jährige Frau ihre 90-jährige Mutter zum Arzt begleitete und wie sie darüber nachdachten, zusammenzuziehen. Ich selbst bin ja noch nicht einmal 20 Jahre alt. Für mich ist schockierend zu sehen, dass zwischen 55- und 75-Jährigen sowie 75-und 95-Jährigen je eine ganze Generation Unterschied ist. So ist unter allen Alten, die in Sun City leben, der Altersunterschied doch sehr gross und die dadurch vielfältige Lebensweise beeindruckend.
Erika: Besonders beeindruckt hat mich Abraham.
Valeria: Ein ganz verrücktes Beispiel! Der zieht doch mit 102 Jahren aus dem Altersheim zu seiner etwas über 70-jährigen Freundin. Und das ist noch nicht alles: Die beiden unterrichten zusammen Hebräisch; in Sun City und in der Synagoge der nahegelegenen Stadt Phoenix.
Erika: Was mir gefällt: Trotz Altersgebrechen machen sich die Leute über sich selber lustig.
Valeria: Genau! Wie zum Beispiel mit dem «Menopause-Hit». Da haben einige Rentner eine Rockband gegründet und singen zusammen über ihre Beschwerden. Da werden rostige Knie und Blasenschwäche schnell zum Thema! Das ist wahrscheinlich eine Art, mit den negativen Dingen im Alltag umzugehen. Eigentlich ganz schlau, solange es hilft?
Erika: Eine Art Galgenhumor! Das hilft bestimmt. Die Band heisst übrigens «One Foot in the Grave». Ganz gemäss dem Slogan: «Wir kommen nach Sun City, um zu sterben, aber während wir das tun, wollen wir Spass haben.»
Valeria: Möchtest du auch dort leben?
Erika: Einiges klingt ganz verlockend, aber etwas würde ich dort schmerzlich vermissen.
Valeria: Was denn?
Erika: So einen Verein wie UND Generationentandem.
Infobox
Sun City ist eine Stadt in Arizona, USA, um genauer zu sein in Phoenix. Sie wurde 1960 gegründet und bietet heute über 27’000 Rentnern ein Zuhause. Da in dieser Stadt nur Leute über 55 leben und diese speziell für sie erbaut wurde, gibt es einige Anpassungen. Zum Beispiel sind die Strassen breiter als sonst und eignen sich für die unsicheren Fahrer sowie für Golfcarts. Zudem sind die Trottoirs abgeflacht und alle Gebäude barrierefrei gebaut. Unter anderem gibt es hier 11 Golfanlagen sowie Auditorien, Bibliotheken und Schwimmbäder und zusätzlich um die 30 Angebote für die Freizeitgestaltung. Obwohl Sun City eher ein Ort ist für die «Highclass-Rentner», sind die Steuern vergleichsweise tief. Da es weder eine Schule noch ein Amt hat, muss dafür auch nicht gezahlt werden. Und falls es jemandem trotz des aktiven Seins und jung gebliebenen Denkens mal nicht mehr gut geht, gibt es ein «boswell»-Spital und begleitetes Wohnen sowie ein Altersheim.