Liebe Carola, woher kommst du?
1949 wurde ich im mitteldeutschen Jena geboren. Mein Vater hatte den Familienbetrieb für Mikroskope und Ferngläser übernommen und war Zulieferer von Carl Zeiss Jena. Zusammen mit meinen beiden Brüdern erlebte ich eine spannende Kindheit. Meine freiheitsliebenden Eltern siedelten 1953 nach Süddeutschland über, gerade noch rechtzeitig vor dem Mauerbau. Dank seines Fachwissens als Ingenieur machte mein Vater sich selbstständig und stellte optische Produkte her. Kurz nach meiner Einschulung ging 1959 die Reise weiter: Kern AG, Aarau – bekannt für Zirkel – zeigte als Kunde Interesse an der speziellen Tätigkeit meines Vaters. Dieser Umzug nach Aarau und der Abschied von meinen Freundinnen ist eine meiner prägendsten Kindheitserinnerungen.
Der Neustart in der Schweiz verlief holprig. Der Aargauer Dialekt und das «Schwöbele» auf der Zunge vertrugen sich anfangs nicht – und als ich am ersten Schultag in der Schweiz den Beruf meines Vaters an die Wandtafel schreiben musste, brach ich in Tränen aus.
Doch das Schicksal hat manchmal einen komischen Humor, und so fand ich mich nach einer kaufmännischen Lehre und der Weiterbildung zur Fachlehrerin plötzlich freiwillig an der Wandtafel wieder.
Fast 40 Jahre unterrichtete ich am KV Bern (heute WKS) Maschinenschreiben, Stenografie und Korrespondenz. In diesen vier Jahrzehnten änderte sich mein Beruf deutlich: Heutige Museumsstücke wie Typenhebelmaschine oder Typenrad wurden nach und nach durch moderne Computer ersetzt. Für den neu entstandenen Fachbereich IKA (Information, Kommunikation und Administration) verfasste ich zudem einige Lehrmittel, die noch heute eingesetzt werden. Hier eine lustige Episode zu Beginn einer Lektion: Was heisst IKA? – Ich kann alles, rief ein Lernender! – Die Lektion war gerettet!
Wo stehst du im Moment?
Meine gewonnene Freizeit verbringe ich gerne mit meinem Partner in der Natur und beim Schwimmen. Zu meinen Hobbys gehört auch Qigong. Die chinesische Entspannungsmethode führt mich jeweils wieder ganz zu mir zurück. Als naturverbundene Person sehe ich den Klimawandel als Bedrohung und versuche dank ökologischer Lebensweise meinen Beitrag zu leisten.
Seit meiner Pensionierung 2010 versuche ich meinem Lebensmotto treu zu folgen: Loslassen in allen Bereichen, nur Positives beleben und den leergewordenen Raum mit Erkenntnissen füllen, die ich als wichtig erachte. Dabei helfen mir auch meine beiden 12- und 14-jährigen Enkelkinder und es ist wunderbar, ihre Entwicklung hautnah mitzuerleben.
Sie und die lange Zeit im Schulzirkus sind es auch, die mich über all die Jahre jung, fit, neugierig und spontan erhielten. Meine eigene Erfahrung zeigt: Jugendliche haben viel mit sich selbst zu tun und es ist deshalb wichtig, dass sie kontaktfreudig bleiben und bei tiefen Durchhängern professionelle Hilfe erhalten.
Wohin gehst du?
Wenn ich in die Zukunft schaue, möchte ich meinen inneren Frieden und meine Freude behalten, soziale Kontakte weiterhin pflegen und die harmonische Beziehung zu meinem Partner aufrechterhalten.
Doch bei diesem Blick in die Zukunft sehe ich auch einige Probleme: Die zunehmende Ich-Sucht, die Weltpolitik mit ihren Kriegen und Flüchtlingswellen, aber auch die sich immer stärker öffnende Schere zwischen Arm und Reich machen mir Sorgen.
Mein Ziel ist es, auch den nächsten runden Geburtstag bei guter Gesundheit feiern zu können (dauert zwar noch ein bisschen…). Sonst nehme ich mir für die Zukunft nicht mehr allzu viel vor. Ich darf auf ein erfülltes Leben zurückblicken und bin gespannt darauf, was noch kommen wird.