Im Sitzungszimmer im dritten Stock, keinen Steinwurf vom Berner Rathaus entfernt, sind die Fenster zur Kramgasse hin geöffnet. Die roten Geranien vor dem Fenster schunkeln im warmen Sommerwind. Sie schmücken den stattlichen Sandsteinbau, der ein Teil der Berner Altstadt ist, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört.
Wir warten auf Adrian Haas (59), der Direktor des Handels- und Industrievereins des Kantons Berns ist. Der FDP-Politiker und Jurist ist im Parlament des Kantons und Mitglied der Finanzkommission. Er ist beim Hauseigentümerverband tätig, in dieser Funktion befragen wir ihn heute.
Macht es einen Unterschied, ob uns die vier Wände um uns herum gehören oder ob wir die Wohnung nur mieten?
Adrian Haas: Es gibt grosse Unterschiede. Viele sehen im Eigentum eine höhere Lebensqualität. Dies nach dem Motto «My home is my castle». Wichtig ist auch, dass die eigene Wohnung nicht gekündigt werden kann. Es handelt sich auch um eine materielle Altersvorsorge.

Besitzen Sie selbst eine Wohnung oder ein Haus?
Ich habe zusammen mit meiner Frau eine schöne Wohnung mit einer grossen Terrasse. Aus zeitlichen Gründen verzichte ich auf ein Haus mit Garten.
Viele Leute stellen sich die Frage, wann sie sich Wohneigentum leisten können.
Oft ist das erst möglich, wenn
die Kinder ausgeflogen sind. Die grosse finanzielle Belastung wird oft
unterschätzt. Der Erwerb von Wohneigentum richtet sich nach den verfüg
baren Mitteln.
Welche Verantwortung bringt es mit sich, Eigentümer zu sein?
Es gibt zahlreiche Vorschriften, die das Eigentum definieren. Die absolute Freiheit als Eigentümer gibt es also nicht. Die Eigentümerfreiheit wurde in den letzten Jahren immer mehr eingeschränkt.
Ist das Eigentum in ihren Augen in Gefahr?
Totales Eigentum ohne Einschränkungen gab es noch nie. Die Einschränkungen nehmen aber laufend zu. Ja, es besteht eine Gefahr. Es ist nicht nur eine Gefahr, sondern Realität.
Bezahlbarer Wohnraum ist knapp, vor allem für sozial schwächere Personen. Warum stehen Sie nicht auf der Seite des Mieterverbandes?
Es kommt darauf an, von welchen Wohnungen gesprochen wird. Wenn die ausgeschriebenen Wohnungen als Massstab gelten, scheinen sie teuer zu sein. Tatsache ist aber, dass zum Beispiel Bern kein Mietzins-Hotspot ist im Vergleich mit einzelnen Regionen der restlichen Schweiz. Die Wohnungspreise sind nicht extrem gestiegen. Aufgrund der relativ eng gezogenen Gemeindegrenze der Stadt Bern ist der Leerwohnungsbestand hier niedrig.
Sollen die Ärmeren also einfach ausserhalb der Stadt wohnen?
Die Frage stellt sich, ob es zumutbar ist, 10 bis 15 Minuten mit dem ÖV unterwegs zu sein. Es gibt generell zu wenig Wohnraum in der Stadt Bern, sowohl bei den günstigen Wohnungen als auch im teureren Segment.
Wie gross ist eigentlich der Einfluss der Immobilienbranche im
Hauseigentümerverband?
Die Mehrzahl der Mitglieder im Hauseigentümerverband besteht aus Ehepaaren um die 60, die mühsam und ein Leben lang auf ihr Wohneigentum gespart haben. Immobiliengesellschaften sind auch vertreten, aber eher in der Minderheit.

Ein Hausbesetzer sagt in der Zeitung «Der Bund»: «Einige wenige besitzen zahlreiche grosse Häuser, und die grosse Mehrheit muss sich zu Tode schuften, um sich eine lausige Mietwohnung leisten zu können.» Können Sie eine solche Argumentation nachvollziehen?
Nein. Sehr häufig wird ein Haus besetzt und danach wird überlegt, wie man zur Begründung eine politische Botschaft rüberbringen könnte. Es handelt sich eher um Spontanaktionen. Niemand muss ein Haus besetzen. Wenn jemand obdachlos wird, hat er Anspruch auf Sozialleistungen. In den Leistungen ist der Mietzins enthalten.
Haben Sie als Präsident des Hauseigentümerverbandes in der Stadt Bern oder kantonal häufiger mit dem Thema «Hausbesetzungen» zu tun?
Eher nicht. Es handelt sich
aus meiner Sicht um ein Randphänomen. Hausbesitzer können Hausbesetzungen
vorbeugen, indem sie Zwischennutzungen realisieren. Weniger befürworte ich,
wenn Zwischennutzung angeboten wird, weil sich die öffentliche Hand nicht
getraut, gegen Hausbesetzer vorzugehen. Etwas Illegales wird in etwas Legales
umgewandelt. Da herrscht keine Rechtsgleichheit. Derjenige der sich etwas
nimmt, wird am Schluss belohnt. Und derjenige, der Interesse an einer
Zwischennutzung hat, kommt zu kurz. Das heisst: Weniger Toleranz bei
Hausbesetzungen, und bei Zwischennutzungen frühzeitig nach
Lösungen suchen.
Heute ist es generell «in», Material zu teilen. Ist das ein Hype, welcher dem Eigentum zuwider läuft?
Es stellt sich die Frage, was gemeint ist: Hat es politische oder staatspolitische Bedeutung? Oder geht es um die Frage nach Hauseigentum? Nach wie vor ist es für junge Leute erstrebenswert, Wohneigentum zu erwerben. Es ist eine Überlegung wert, ob Teilen den Besitz überteuert. Dies scheint noch nicht der Fall zu sein.
Wie stark beschäftigen Sie sich beim Hauseigentümerverband mit alternativen Wohnformen?
Die Genossenschaftsidee
beschäftigt den Hauseigentümerverband. Aber jede Personengruppe soll für sich
selbst entscheiden, ob sie sich in einer Genossenschaft zusammenschliesst und
ein Grundstück zum Über-
bauen kauft. Störend ist, wenn das Gemeinwesen vergünstigtes Baurecht an
Genossenschaften abgibt und dann in den Genossenschaftswohnungen «Krethi und
Plethi» wohnen. Es braucht eine Begründung, warum jemand bevorzugt wird.
Legitime Begründung ist eine Einkommens- und Vermögenslimite, welche
regelmässig überprüft werden sollte. Ansonsten soll für den Erwerb von Bauland
der Marktpreis gelten.
Sollen möglichst viele Leute vom Recht auf Eigentum profitieren?
Grundsätzlich soll Hauseigentum für alle möglich sein. Aber es braucht eine entsprechende Vermögens- oder Einkommenssituation. Es gibt ein gutes Angebot an Eigentumswohnungen auf «Immoscout». Es stellt sich nur die Frage, zu welchem Preis und an welchem Standort. Die Gefahr besteht, dass Eigentum heute überzahlt wird.
Können Sie sich vorstellen, Ihr Wohneigentum zu verkaufen?
Die Welt ginge für mich nicht unter, wenn ich meine Wohnung verkaufen müsste und in eine Mietwohnung ziehen würde.