
«Bei meinem ersten Gespräch, das ich für Radio Förderband führen durfte, war ich so nervös und auf meine drei Fragen konzentriert, dass ich gar nicht wahrnahm, was mein Gegenüber vorbrachte. ‹Darauf habe ich schon geantwortet›, musste ich mir sagen lassen», erinnert sich Christine Hubacher (63). Sie hat längst gelernt, gut zuzuhören. So in der Talkshow «Persönlich», die sie etliche Jahre moderiert hat. Oder heute in der Diskussionssendung «Forum». Beide auf Radio SRF 1.
Sonntagmorgen um 10
Neun Jahre lang war Christine Hubacher eine der GastgeberInnen bei «Persönlich» (das bis heute ähnlich läuft). Der Ort für den Live-Auftritt war vorgegeben. Die Moderatorin suchte dort die zwei Teilnehmenden, «interessante Leute» halt, die ihr oft empfohlen wurden. Wobei «so ne Glatte» nicht reichte; es galt die Geschichte hinter jemandem aufzudecken. Es brauchte ein längeres Kennenlernen, telefonisch, eher noch direkt, zuhause, wo sich Vorlieben, Eigenheiten der KandidatInnen erspüren liessen. Die Besucherin musste vor allem gut zuhören – wofür ihre Gegenüber oft überaus dankbar waren. Eine Frau und ein Mann sollten es sein: Da zeigten sich jeweils markante Unterschiede. Männer waren leicht zu finden; Frauen, die sich im Leben vielleicht häufig anpassen mussten, nahmen das weniger locker.

Christine Hubacher skizziert, wie ihre Vorbereitung fürs Gespräch aussah: Ein ausformulierter Einstieg («Anmoderation»), danach grob, in «Clustern», die Themenfelder, die berührt werden sollten; die «Abmoderation» nochmals wörtlich. Die Teilnehmenden vereinbarten, worüber nicht geredet werden sollte. Dann galt: die Gäste rasch in den Fluss kommen lassen. Schwierige Themen früh ansprechen, damit sie nicht wie der «heisse Brei» anstanden, sondern von Leichterem abgelöst wurden. Lachen tat immer gut. Nach 15 Minuten musste etwas Neues drankommen. Wollte ein Gast sich nicht recht äussern, hakte die Leiterin schon nach – aber in Grenzen. Und bei einem schweren Thema sollte sie sich hüten, nach Gefühlen zu grübeln. Christine Hubacher nennt es die «Blick-Falle»: «Was heit-der empfunde?» nach dem Unfall eines Angehörigen.
Gelegentlich diente ein aktuelles Produkt, ein Buch, ein Film eines Gastes als Startpunkt. Was aber gar nicht ging – und vom Publikum abgelehnt wurde –, das waren Werbespots in eigener Sache. Es kam vor, dass ein Gast gegen die Moderatorin aufbegehrte; das Publikum solidarisierte sich jedoch in der Regel mit ihr.
«Forum» – Diskussionssendung
Dieses Format, das Christine Hubacher bis heute betreut (SRF 1, Donnerstag 10 Uhr), unterscheidet sich von «Persönlich»: Sind bei diesem Gemeinsamkeiten erwünscht, geht es im «Forum» um Standpunkte und Gegensätze.
Montags in der Früh erhält die Gesprächsleiterin ihr neues – politisches, gesellschaftliches – Thema. Sie hat sich sofort darüber kundig zu machen, auch mit Nachfragen bei ExpertInnen. Sie lässt sich dabei helfen, geeignete und gewillte Teilnehmende zu finden. Nicht nur PolitikerInnen bitte! Wiederum ist die Auswahl an Männern grösser; die sagen auch gern: «Ich bin da nicht ganz drin – aber ich komme.» Frauen – sie fragt man jetzt zuerst an – trauen sich erst neuerdings mehr zu, etwa seit dem letzten Frauenstreik. In der einstündigen Sendung sind dann auch Höreranrufe und Online-Beiträge einzubeziehen. Als einen neuen Ansatz bezeichnet es Christine Hubacher, nicht nur eine Kluft zwischen Meinungen zu betonen, sondern auch zu fragen: «Wo seid ihr euch einig? Versteht ihr die Gegenseite?»

Als Höhepunkte sieht sie «erhellende Momente» an, wo Moderatorin und Publikum neue, interessante Argumente entdecken. Bei «Persönlich» wären das «Magic Moments», Unglaubliches, das ihr auch mal die Sprache verschlug – die sich allerdings nicht herbeizwingen liessen.
Was ist ein gutes Gespräch?
Beide oder alle Gäste sind im Spiel und gehen aufeinander ein. Es wird gelacht – jedenfalls im «Persönlich». Schlecht ist’s,wenn jemand nur darauf wartet, selber loszulegen, und einen dann «volltextet». Die Moderatorin indessen soll zuhören. Im «Forum», wo nötig, Kontexte erläutern. Insgesamt so wenig wie möglich selber reden; doch es ist schwierig, sich da zu kontrollieren. Gibt es also Kontrolle von aussen? Wer in die Aufgabe einsteigen möchte, durchläuft ein Bewerbungsverfahren. Danach gibt es zwar kaum Vorschriften «von oben», aber wöchentliche Feedbacks. Mitarbeitende machen einen aufmerksam auf «blöde Sprüche», unpassende Ironie oder sprachliche Details. Zum schwierigen berndeutschen «zwe/zwo/zwöi» meldet sich garantiert ein Purist per Mail.
«Es kommen zahlreiche, oft heftige Rückmeldungen herien. Auch da: Miteinander reden und dabei viel zuhören.»
Überhaupt kommen zahlreiche, oft heftige Rückmeldungen herein. In der Corona-Zeit ging’s da (im «Forum») besonders hoch her; da wurde die Moderatorin manchmal beschimpft. Oft hat sich Christine Hubacher bei solchen KommentatorInnen telefonisch gemeldet. Auch da: Miteinander reden und dabei viel zuhören!
