Wir drei UND-Mitglieder haben uns besonders mit drei Auftretenden auseinandergesetzt:
Stefanie Grob
vertritt die moderne «Spoken Word»-Szene. Sie spiegelt ihren Alltag und unsere Gesellschaft in rasanten, bissigen und lustigen Ergüssen – zum Beispiel die Mühen einer Mutter in der Adventszeit oder den Brauch, die Asche von Verstorbenen auszustreuen.
Mundart hat viel mit Mündlichkeit zu tun; so verrät Stefanie Grob, dass sie durch Bühnenauftritte auf die Idee verfallen ist, sich auf Berndeutsch zu äussern. Mit Hochdeutsch müsste sie schauspielern; in ihrem Dialekt könne sie sein, wie sie ist. Allerdings freut es sie, dass auch gedruckte Texte Anklang finden: Das zeige, als Kompliment, dass das Publikum sie genauer erfassen will.
UND: Ja, wir Schweizer haben ein eigenartiges Verhältnis zum Hochdeutschen. Das wäre nach zwei Seiten zu entspannen: Wir sollten die Hochsprache locker und für selbstverständlich nehmen; aber wir brauchen uns des Schweizerdeutschen keineswegs zu schämen.
Christian Schmid
schreibt (und liest) Berndeutsch pfiffig und stilsicher, so in autobiografischen Texten; mehr jedoch schreibt er über Mundart – hier mit einer «Chiflete», einer Streitrede für die Anerkennung von schweizerdeutscher Literatur, die gegenüber der standardsprachlichen sträflich missachtet werde.
Die Hoch- und Volksschulen, die Literatur-Gelehrten, die Preisverleiher bekommen ihr Fett weg. Mit der Vorstellung vom «Bluemete Trögli» stelle man eine Literatur ins Abseits, die viel zu bieten habe, Tiefsinniges, Kraftvolles. Dies erst recht seit der Wende von traditionellen, der Geistigen Landesverteidigung verpflichteten Schriften zur «Modern Mundart» ab den 60er-Jahren – übrigens hier vertreten durch den quicklebendigen Solothurner Veteranen Ernst Burren. Schlimm findet Schmid eine Auffassung, die er von Jungen vernommen hat: Mundart sei «versifftes (oder abgesoffenes) Hochdeutsch».
UND: Ja, nehmt Mundart-Texte mit und ernst, oft verdienen sie es. Entwickelt eure Qualitäts-Kriterien für sie, wie ihr’s für andere Literatur tut. Es soll kein abgesondertes «Mundart-Gärtli» geben – sagt auch Stefanie Grob.
Dragica Rajcic
1978 aus Kroatien in die Schweiz gekommen, hat ihr allmählich erworbenes Deutsch benutzt, um über ihre Leute, die Gastarbeiter, zu schreiben. Sie ist keine Dialekt-Autorin, sondern verwendet ein eigenes, in unseren Ohren zuweilen unrichtiges, aber kreatives Deutsch.
Sie habe sich eine «Clown-Sprache» zugelegt, die ihr Freiheiten und Erfindungen erlaube. Sie sei von jeher Dichterin gewesen; es gehe ihr nicht um Migranten-Literatur, sondern um Schriftstellerei an sich. Nicht jede Äusserung solle als Literatur gelten. Andrerseits können junge Leute Spass daran finden, wenn Sprache nicht eingeengt, reglementiert wird. (Christian Schmid sekundiert ihr: Secondos sind etwa im Rap durchaus stark.)
UND: Ja, lasst alle möglichen Formen blühen. Klagt nicht über die Schulen, sondern würdigt, was sie (unter anderen) an Experimenten, an Offenheit im Sprachlichen wagen – wie die Thuner Gymer-Klasse, die hier mit eigenen Texten auftritt – und in der gewiss etliche «Migrierte» dabei sind. Und fördert Anlässe wie diese Literaare – darin finden sich auch die drei Diskussionsteilnehmenden.
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Die Bilder sind von Annemarie Jöhr.