Hier sitze ich und die vielen Papierhaufen auf meinem Tisch rufen ständig: «Räum doch endlich auf». Die Rechnungen drohen mir sogar mit Strafe, aber ich weiss einfach nicht, wie ich anfangen soll. Ich will ja aufräumen, jetzt, sofort, aber es geht einfach nicht. Ich kann immer nur zuschauen, wie ich meine Hand hebe und dann doch sage: «Ach, morgen, später ist früh genug, nicht heute». Und dann lasse ich es sein.
Jedes Blatt, jedes Bild, jeder Artikel ist mir wichtig – wohin damit? Die Schubladen quellen schon über, und der Fussboden mit meinen herausgerissenen Fotos von Traumstränden und Rezepten sieht aus wie eine knallige Installation. Das sollten Sie mal sehen, das würde Ihnen garantiert gefallen. Ich habe immer so einen Wider-Willen in mir. Den Steuertermin habe ich auch nicht eingehalten und meine Kollegen nennen mich schon «Schlappi». Was soll ich nur machen?
Antwort:
Das ist nichts Neues. Die sogenannte „Aufschieberitis“, lateinisch Prokrastination, ist nicht Faulheit. Ich kann mich nur nicht den Gegebenheiten anpassen. Jeder kann dieses Phänomen entwickeln. Die Ursache dafür ist relativ unklar, aber ich kann Sie beruhigen, extreme Lustlosigkeit betrifft nur Einzelbereiche. Zu 46 Prozent liegt es an den Genen. Ist Ihr Aufschiebeverhalten in Ihrer Familie etwas Neues?
Füttern Sie Ihr schlechtes Gewissen nicht länger mit Ihrem Zögern, es könnte sein, dass Ihr Selbstwertgefühl darunter leidet. Trainieren Sie, Ihre gehobene Hand zielgerichtet auf den Tisch zu schlagen, und rufen Sie laut dazu: «Wird’s bald, jetzt aber los!» Sollten die Papierhaufen drohen, Sie unter sich zu begraben, rufen Sie vorher die Prokrastinationsambulanz.
Aufgeschnappt
Alle reden und schreiben, aber oft fehlt uns das treffende Wort. Was dann? Suchen wir danach, scheint alles möglich. Weitere Beiträge zu Wörtern, die Telsche Keese aufgeschnappt hat: hier.