Auf der Wunschliste junger Menschen stehen ganz oben neben einer beruflichen Tätigkeit ein Leben mit verlässlichen LebenspartnerInnen und ein Familienleben mit Kindern. So war es immer schon. Der Staat möchte die traditionelle Institution der Ehe erhalten und orientiert sich weiterhin an Vater-Mutter-Kind als Keimzelle der Gesellschaft.
Eines ist aber neu: Frauen haben Berufe, die sie auch ausüben möchten. Dabei tickt in ihrem Kopf im Gegensatz zu Männern immer die biologische Uhr, die fragt: «Wie geht es, wenn ich eine Familie mit Kindern möchte»? Die Problematik, in die junge Eltern, aber besonders eine Frau bezüglich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie geraten, ist im gesellschaftlichen Denken in unserem Land noch nicht richtig angekommen. Die Familienforscherin Miriam Irene Tazi-Preve sprach in einem Zeitungsinterview (Der Bund 29.4.2017) von einer «vermeintlichen familiären Idylle in der traditionellen Kleinfamilie», die den Anforderungen im Alltag nicht gewachsen sei. Die meisten Paare kämen im Alltag nicht zurecht. Dazu lesen wir (NZZ 2.3.2018): Die Scheidungsrate sei 2017 zwar gegenüber 2016 um 12.8% gesunken, aber etwa 15 000 Ehen seien es doch gewesen; das waren im Jahr 2017 in der Schweiz pro Tag 40 Paare, die auseinandergegangen sind.
Private Zeit gerät unter Druck
Tazi-Preve nennt drei Gründe dafür. Die Intensität der Arbeitswelt dringe in das Private; die digitale Vernetzung ermögliche berufliche Präsenszeiten auch nach Arbeitsschluss, ebenso jegliches Arbeiten von zuhause aus. Damit reiche die Aussenwelt weit in die Familie hinein und verletze den für Eltern und Kinder geschützten und so wichtigen Rückzugsort – wo alle sich entspannen, Kinder Kinder sein dürfen und Mutter und Vater ihre Rolle ungestört wahrnehmen können. Die beiden Sphären widersprächen sich, weil die Familie sich der Arbeitswelt anzupassen habe und nicht etwa umgekehrt. Das bedeute, dass Partner weder füreinander noch für sich selbst Zeit hätten und Kinder mit ihrem Verlangen nach gemeinsamer Zeit leer ausgingen. So zahle die Familie den Preis für Leistungseffizienz und Konkurrenzfähigkeit, den die Wirtschaft verlange. «Was das System in einem Bereich trägt, bringt es im anderen zum Scheitern. Das nenne ich die Vereinbarkeitslüge», meint die Familienforscherin.
Neues Rollenbild für Mütter gesucht
Müssen wir uns von dem Modell der Kleinfamilie lösen? Die Grossfamilie und damit die Nähe zu Tanten und Onkeln existiert nicht mehr. Bei Hüteproblemen können junge Paare sich nur noch auf die Grosseltern verlassen. Die helfen, aber haben auch eigene Pläne. Unser Familienmodell – ich habe es so gelebt – hat sich seit den 80er-Jahren kaum verändert, die strikte Rollenzuweisung ist jetzt zwar aufgeweicht, aber offenbar nicht tragfähig. Jede hoffnungsvoll geschlossene Ehe läuft Gefahr, auseinander zu brechen.
Allzu lange haben wir an der «Idylle» festgehalten, die Familie idealisiert und damit ein Mutterbild hochgehalten, das nicht mehr gelten kann. Mutter, die, mit einem lächelnden «Ja» auf den Lippen, alles kann und tut: Dieses Bild hat die Gesellschaft verinnerlicht. Weibliche Nachgiebigkeit ist ein tiefsitzendes kulturelles Erbe. Die Gewissheit, eine Person mit eigenen Bedürfnissen zu sein und diese auch beanspruchen zu dürfen, steckt aber noch in den Kinderschuhen. Mütter wollen immer noch perfekt sein, sonst gäbe es keine Konkurrenz unter ihnen, etwa im Übertrumpfen mit Ideen für Kindergeburtstage, die mit Wattepusten und Sackhüpfen nichts mehr zu tun haben. Trotz Erwerbsbeteiligung – wieviel Prozente auch immer – wollen Frauen keine schlechten Mütter sein. Anstatt loszulassen strengen sie sich an, Beruf und Haushalt unter einen Hut zu bringen, daneben Mutter und Partnerin zu sein, den Haushalt zu besorgen und soziale Kontakte aufrechtzuerhalten oder neu zu knüpfen. Diese Haltung ist zum Scheitern verurteilt.
Neue Väterrolle: «Lasst uns mal ran»
Die Männer sind in dieser Situation gefragt. Sie sollten Gefährten, geliebte Vertraute der Frau, perfekte Mitspieler in einem partnerschaftlichen Team sein. Es ist aber nicht so. Solange Väter, die sich zur Familie bekennen, ihre Situation in der Arbeitswelt nicht aktiv zugunsten einer Familie hinterfragen und wirksame Konsequenzen daraus ziehen, steht das Familienleben unter einem schlechten Stern. «Vater werden ist nicht schwer, Vater sein, dagegen sehr» schrieb Wilhelm Busch. So wie Frauen ihr Stimmrecht erkämpft haben, sollten Männer sich für Vaterzeiten, gleitende Arbeitszeit und Flexibilität bei ihrem Arbeitgeber stark machen. Dazu brauchen sie Mut und ein dickes Fell gegen die schiefen Blicke ihrer Kollegen.
Der Gesetzgeber wird sie sicher nicht unterstützen, wie in diesen Tagen sichtbar wurde. Es wird im Bundeshaus ein Vaterschaftsurlaub diskutiert, aber die Regelung doch dem Arbeitgeber überlassen, dadurch entsteht grosse Ungleichheit. Wird ein Kind geboren, ergibt sich für alle Eltern eine neue Situation, eine Zeit, die gemeinsam begonnen werden sollte. In Ländern wie Schweden hilft die sogenannte Elternzeit dabei.
Das Miteinander aushandeln
Gefragt ist in der heutigen Situation ein fairer Deal zwischen den Partnern zugunsten des Ganzen. Solange der Vater den höheren Verdienst nach Hause bringt, sitzen Mütter allerdings am kürzeren Hebel. Anstrengendes Aushandeln auf beiden Seiten ist gefragt – immer wieder zu reden über verlässliche Regeln. Eine Illusion? Sicher ist, dass Männer ihre Position offensiver verteidigen als Frauen und mit Hausarbeit in Partnerschaft einen erheblichen Prestigeverlust verbinden.
Ich wage in diesem Zusammenhang zu bezweifeln – selbst wenn wir rechtlich kein Patriarchat mehr haben,- dass moderne Frauen in den Jahren nach 1971 genug Autonomie und eigene Mündigkeit entwickelt haben, um ihre Belange durchzusetzen, falls es um die Frage geht: «Wie teilen wir fair unsere Aufgaben auf». Geht es um die Dynamik des Unvorhersehbaren, um Hausaufgabenkontrolle, das ständige Aufräumen oder ungeliebte Drecksarbeit, nicht nur um Spiel, Sport und Spass, sinkt die Begeisterung auf männlicher Seite rapide und versiegt unbemerkt.
Ich plädiere für die traditionelle Familie, hier werden elementare soziale Formen des Miteinanders eingeübt, Werte weitergegeben und nicht zuletzt ein Tagesrhythmus vorgelebt, auch darf jeder Fehler machen oder fünfe gerade sein lassen. Es ist aber so, dass Frauen sobald sie Mütter sind, nicht genügend Unterstützung erhalten. Ich beobachte an meinen drei Kindern, dass es weiterhin schwierig ist, Beruf und Familie zu vereinbaren. Mit einigen Krippen und Tagesstätten ist es von staatlicher Seite nicht getan, und die Doppelbelastung liegt in erster Linie noch immer bei den Müttern.
Jede Beziehung leidet darunter, sie reibt sich auf, das wird niemand wollen, aber die Integration der Frau in die Arbeitswelt ist, wie ich finde, eine grosse Chance nicht nur für sie allein, sondern auch für die Partnerschaft in einer modernen Gesellschaft.