Nicht immer gestaltet sich der Austausch zwischen Alt und Jung einfach. Worin liegen die grössten Problemen? Und wie können sie gelöst werden? Oder: Was können wir voneinander lernen? Tanja Mitrić kennt mögliche Antworten.
Ich liebe Zugfahren. Und besonders liebe ich es, mir meine Kopfhörer in die Ohren zu stecken, die Welt um mich herum auszublenden und verträumt aus dem Fenster zu schauen.
Aber einmal, als der Akku meines iPods gerade leer war, fasste ich mir ein Herz und versuchte, mit meinen Sitznachbarn ins Gespräch zu kommen.
Leichter gesagt als getan! Die Jungen klebten förmlich an ihren Mobiltelefonen, die etwas Älteren an ihren Gratiszeitungen. Nur eine alte Frau sass still da und schaute mit grossen Augen aus dem Fenster. Und da kam mir plötzlich ein seltsamer Gedanke: «Wie werde ich wohl sein, wenn ich alt bin?» Schon als Kind träumte ich immer davon, endlich erwachsen zu werden. Ich wollte möglichst bald zur Schule gehen, möglichst bald Wimperntusche tragen, möglichst bald Auto fahren. Aber alt sein? Alt sein bedeutet doch Krankheit, Einsamkeit und Tod. Alte Menschen sind konservativ, meckern dauernd an allem herum und haben eh keine Ahnung von der Welt, in der wir heute leben.
Mehr braucht es nicht
Natürlich sind all das Vorurteile, die häufig in den Köpfen der Jungen herumspuken und die nur durch den Austausch mit älteren Generationen beseitigt werden können. Leider leben wir in einer Gesellschaft, in der Zeit ein Luxusgut geworden ist und man schon als junge Person einem enormen Leistungsdruck ausgesetzt ist. Wie und vor allem wieso soll man da noch in einen Dialog treten?
Liebe Junge, eigentlich ist es ganz einfach:
Lasst euch auf die Menschen in eurem Umfeld ein, seid offen und kommt ihnen auch mal entgegen! Ein freundlicher Gruss, ein nettes Lächeln oder eine helfende Hand beim Ausstieg aus dem Bus – mehr braucht es nicht. Und wenn ihr euch mal in ein Gespräch mit einer älteren Person verwickelt, verurteilt sie nicht für Ansichten, die euren eigenen nicht entsprechen. Hinter dem Gejammer um die Gebrechen verbirgt sich vielleicht Angst vor der ungewissen Zukunft? Hinter dem bekannten «Früher war alles besser!» die Sehnsucht nach der eigenen Jugend? Doch für einen Generationenaustausch benötigt es beide Seiten. So dürfen sich auch die Alten nicht vor der Aussenwelt verschliessen und jeglichen Kontakt ablehnen. Auch sie müssen versuchen, uns Junge zu verstehen und einsehen, dass Natel, Computer und Kopfhörer nun einmal zu unserer Welt gehören. Wir wollen ernst genommen und auch mal für Positives gelobt werden, statt immer nur Unverständnis und Kopfschütteln zu ernten.
Schliesslich springt beim Generationendialog für beide Seiten etwas raus, denn wir können viel voneinander lernen: die Alten bleiben durch uns Junge selber auch jung und auf dem neusten Stand, und meine Freunde und ich können von der Lebenserfahrung der älteren Generationen profitieren. Durch den Austausch lernen wir auch, einander mit Respekt zu begegnen und erhalten einen Blick in die Welt des Gegenübers. So wird das Verständnis zwischen Generationen gefördert.
Mit meinen zwanzig Jahren kann ich mir nur vage vorstellen, wie es ist, alt zu sein. Aber wie auch immer ich im Alter aussehen mag, ich wünsche mir, dass ich mit der zukünftigen Jugend friedlich und verständnisvoll umgehen kann. Und ich wünsche mir auch, dass, wenn ich eines Tages alleine im Zug sitze und mit grossen Augen aus dem Fenster schaue, eine junge Frau ihre Kopfhörer aus den Ohren nimmt und mich freundlich anspricht: «Schönes Wetter heute, nicht wahr?»
Lesen Sie auch den Text von UND-Autorin Annina Reusser. Sie hat sich ebenfalls Gedanken über die Generationenbeziehung gemacht.
Am Thuner Seniorenmärit führten die UND-Autorinnen Annina und Tanja mit den BesucherInnen anregende Gespräche über deren Kontakt, Umgang und Wünsche an die Jugend. Ihre Erkenntnisse haben die beiden mit eigenen Erfahrungen ergänzt.