Bräuche fremder Völker, von einem ahnungslosen Schweizer betrachtet. Heinz Gfeller berichtet in seiner Kolumne darüber, wie die Stange Bier zu grossen Lebensfragen führen kann.
Das sind die Kolumnen von Jung und Alt. Hier berichten abwechslungsweise die UND-RedaktorInnen Jürg Krebs, Livia Thurian, Elias Rüegsegger und Heinz Gfeller. Diese Woche: Letzterer.
Nun sind wir auch in Köln gewesen. Einer Stadt, die es zweifellos zu entdecken gilt – nachdem man über die zwei Propaganda-Brocken hinweggekommen ist, welche einem überall unter die Nase gerieben werden: der Dom – freilich etwas gross für unsere Nasen – und das Bier. Das Kölsch.
Sie setzen sich in ein Restaurant, und Sie nehmen nicht als Erstes und überhaupt, noch vor allem, ein Kölsch: Da werden Sie doch schier als eine Art Ungeheuer angeschaut. Wir haben daher, gelegentlich, eins genommen. Eins! Da hat sich uns eine interessante Frage, vielleicht Lebensfrage aufgetan.
Köln ist nicht München. Das Kölsch wuchtet sich nicht in Mass(en) daher, in halben, wenn nicht ganzen Litern; nein, es erscheint in schmalen Gläsern, zu 2 Dezilitern zumeist. Es wird nicht an der Brust oder in Pranken transportiert, sondern in einer Art Tragkorb mit Löchern für wohl mehr als ein Dutzend Gläser. So viele braucht’s auch, denn ständig wird Nachschub fällig.
Die Frage also: Diese bescheidenen, schlanken Portionen, rasch gekippt, immer erneut, fröhlich begrüsst auch, schon fast nicht mehr bestellt, was verkörpern sie für ein Lebensgefühl? Zurückhaltung tatsächlich – oder Heuchelei? Ich trinke ja schier nichts? Selbstverblendung, da doch das einzelne Glas mir nichts anhaben wird? Stil, Eleganz, oder Heimlichtuerei, ja Vorspiegelung falscher Tatsachen? Vor wem, wenn alle es praktizieren?
Und: Könnten wir allgemeinere Maximen aus solchem Verhalten ableiten? Geniesse immer mit Mass, dann darfst du unbeschränkt? Jeder neue Schritt (hier Schluck) will neu überlegt sein (wird er hier allerdings kaum). Gib dem unguten Spiel mindestens eine schöne Fassade…
Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob man mit der Münchner oder der Kölner Methode eher besoffen wird. Und wieviel die Leute denn überhaupt konsumieren. (Man müsste die Striche auf den Bierdeckeln zählen gehen). Ich gedenke auch nicht, mein mageres Bier-Verhalten grundsätzlich zu ändern. Doch gefallen hat mir der rege Betrieb, den ich da mitbekommen habe. Anders als in München.
UND die Kolumne
Heinz Gfeller ist ehemaliger Gymnasiallehrer und Autor bei UND. Er wohnt in Bern und schreibt abwechselnd mit den anderen UND-KolumnistInnen pünktlich zum Wochenende. Die KolumnistInnen sind Jürg Krebs, Livia Thurian, Heinz Gfeller und Elias Rüegsegger.