
Mein erstes Dilemma: Will ich Schnittblumen schenken oder solche im Topf? Die brutal entwurzelten Blumen serbeln sofort und erinnern mich täglich an den eigenen Tod. Man würde sie darum besser «Schnitterblumen» nennen. Kaufe ich eine Topfpflanze, muss die Empfängerin bereit sein, das blühende Wesen über längere Zeit zu pflegen und dabei an mich zu denken. Ist das für gestresste Frauen eine zu grosse Zumutung?
Eine weitere Herausforderung ist, die Symbolik der Blumen zu kennen. Rote Rosen schenke ich einer Geliebten; aber besser nicht, wenn ich nicht weiss, ob sie verheiratet ist. Die Frage, welches Rot die gegenwärtige Liebe am besten ausdrückt, kommt noch hinzu: Ist ein neckisches Orangerot passend oder eher ein dramatisches Tiefrot? Ein zartes Rosa als scheue Andeutung oder ein Altrosa, wenn sie bereits über neunzig ist?
Bei andern Gelegenheiten weiss ich besser, welche Blumen passen: Nelken, die ihre Köpfchen hängen lassen, schenke ich Hinterbliebenen, Vergissmeinnicht bei Abschiedsszenen, eine giftige Pflanze auf Scheidungspartys, «Stinkende Hoffart», wenn es mir stinkt zu diesen Verwandten zu gehen, und stark duftende Lilien, wenn ich schnell wieder verduften will. Geranien bringe ich älteren Herren – immer zusammen mit einem Gartenzwerg.
Schlamassel beim Überreichen
Fast unlösbar ist das Problem der Verpackung und Entpackung. Soll ich die Blumen in Papier oder in Folie einpacken lassen? Blumen von der Migros wohl lieber in Folie, weil frau damit nicht gleich sieht, wo ich das Bouquet gekauft habe.
Wenn ich dann vor der Tür stehe, bin ich unsicher, ob ich das Papier entfernen soll und wenn ja, wohin damit? Einfach die Treppe hinunterwerfen? Ich überreiche die Blumen lieber verpackt, denn sonst fällt für die Empfängerin die Spannung weg, welche Art Blumen und welche Zusammenstellung auf sie wartet. Es sollte doch eine Überraschung sein! Wenn ich zum Beispiel einen Seidenschal schenke, packe ich diesen ja auch nicht selber aus, schon gar nicht bereits im Türrahmen. Dann schon lieber gar nicht einpacken. Den Seidenschal könnte ich, als Showeinlage um meinen Hals gelegt, mitbringen und sagen: «So sieht das Geschenk für dich aus – hübsch, nicht?» Und dann das Tuch sofort um sie drapieren und sie vor einen Spiegel schieben, sonst meint sie womöglich noch, ich sei das Geschenk.

Zurück zum Überreichen der Blumen: Was mache ich, wenn die junge Frau trotz meiner Anwesenheit ständig auf ihr Handy schaut – vielleicht um nachzusehen, wie ich heisse? Rufe ich «uhu!» und strecke ihr die Blumen direkt unter die Nase? Wenn ich den Blumenstrauss nicht auspacke, muss ich vorher meine rechte Hand freimachen, um meiner Angebeteten die Hand zu geben. Aber darf man Blumen mit der linken Hand überreichen? Einer Rechtspolitikerin sicher nicht. Also besser die Blumen in die Luft werfen, schnell die Hand geben, den Strauss auffangen und sofort mit der rechten Hand an ihre Brust drücken. Viel einfacher wäre es, einen Fleurop-Gutschein zu überreichen. Damit dieser gut riecht, könnte ich ihn vorher in Rosenpafum tauchen.
Die Lösung:
Weder Schal noch Blumen schenken, sondern die Geliebte unter der Türe sofort stürmisch umarmen. Wenn sie erfreut mitmacht, gebe ich ihr nachher schön verpackte Pralinen. Wenn sie mich zurückstösst, haue ich gleich wieder ab und esse die Truffes mit Likör auf dem Nachhauseweg selbst – als Frustschutz und bei Kälte auch als Frostschutz. Mister Knigge lasse ich dabei links liegen. Soll er selbst schauen, wie er wieder aufsteht.
