Sie hat es gewaltig drauf – und wird dereinst in die Geschichte eingehen. Sobald die Welt wieder klar zu denken vermag. Ich rede von der mit dem eigenartigen Namen Covid-19. Tönt zwar eher wie der Name eines Satelliten, deshalb nenne ich sie Corona die Neunzehnte, die Ungekrönte.
Sie irrlichtert über den Globus. Sie ist unglaublich hungrig, hungrig auf Neues und auf Selbstentfaltung. Jetzt, wo sie die Freiheit entdeckt hat, befreit von den chinesischen Fledermäusen. Warum soll sie weiterhin züchtig am heimischen Herd ausharren? Jetzt, wo immer mehr Chinesen sich aufmachen, die Welt zu bereisen? Nichts wie weg – es gibt noch sooooo viel zu entdecken.
Allerdings hat die unsichtbar flüchtige Reisende die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Von Willkommenskultur kann keine Rede sein. Bereits in ihrem Heimatland versuchte man sie mit äusserst drastischen Massnahmen an ihrer Entfaltung zu hindern. Die Listige lässt sich ihre Reiselust dadurch nicht vermiesen: Sie will mehr davon! Also nichts wie weg, es gibt immer Schlupflöcher. Ohnehin benötigt die Ungekrönte wenig zum Leben. Sie ist anspruchslos; Hauptsache, sie kommt rasch von A nach B, auf Tröpfchen hüpfend, von Mensch zu Mensch, von Land zu Land.
«Von Willkommenskultur kann keine Rede sein. Bereits
in ihrem Heimatland versuchte man sie mit äusserst drastischen Massnahmen an ihrer Entfaltung zu hindern.»
Von der italienischen Gastfreundschaft ist sie extrem enttäuscht. Geschlossene Grenzen, menschenleere Städte, überall Angst und Misstrauen, nix bella Italia, nix wie weg. Europa durchfliegt sie im Schnellzugstempo und schafft es anstrengungslos über das grosse Wasser. Dort tanzt sie lange unerkannt durch viele Staaten, tobt sich aus wie noch nie und wundert sich: über das befremdliche Gelaber, das ein offenbar wichtiger Mann mit zu langen Krawatten, unförmigen Kitteln und senfgelben Haaren von sich gibt. Sie weiss, dass er brandschwarz lügt. Soll er ihr doch die Türe vor der Nase zuschlagen, aufhalten lässt sie sich dadurch nicht. Längst fühlt sie sich auch in diesem Land heimisch. Trotzdem ist sie bereits wieder auf dem Absprung nach neuen Reisezielen.
Auf ihrer Reise hinterlässt die Ungekrönte Chaos: Geforderte PolitikerInnen und WissenschafterInnen, taumelnde Börsen, eine fast lahmgelegte Wirtschaft, leere Schulhäuser, geschlossene Restaurants. Der ganze Kulturbetrieb steht still inklusive Vergnügungsmeilen…
Die freudig reisende, ungekrönte Corona wird irgendeinmal verschwinden. Was wird die Welt vom nicht zu bremsenden Eroberungsdrang dieses schillernden Gastes lernen?