Wir bewegen uns auf vielfältigem Terrain: zwischen «nicht so, sondern so» und «nicht nur, sondern auch», zwischen deutlich gefärbten und unklar schillernden Wörtern.
«Abseits, für sich, auseinander» soll das ursprüngliche germanische Wort bedeutet haben. Und «sonder» nahm man früher für «ohne»: sonder Zweifel … Das Trennen, Unterscheiden steht im Zentrum. Es lebt namentlich in den Verben, die wir brauchen. Wenn ich etwas absondere, Rotz, Schweiss, was noch, scheide ich das aus, vielleicht noch so gern; wenn ich mich absondere, wiegt’s schwerer – ich stelle mich ins Abseits, das erscheint verdächtig, asozial. Etwas aussondern heisst, es vom Gewöhnlichen trennen, oft zum Wegwerfen; täte man’s mit Menschen, würde es eindeutig verwerflich.
«Ist nicht das Ordentliche das Normale, also Gute? Finden wir’s gut, wenn etwas, jemand aus der Reihe tanzt?»
«Besonders» (wer’s länger liebt: insbesondere) verstärkt, hebt hervor. Es müsste stets positiv wirken; in ähnlichen Begriffen wie «ausnehmend» oder «apart» steckt das Trennende mit klar positivem Ton. Bei «ausserordentlich» zögere ich: Ist nicht das Ordentliche das Normale, also Gute? Finden wir’s gut, wenn etwas, jemand aus der Reihe tanzt? Unsäglich aber scheint mir das so geläufige «speziell»: Da kann sich jemand nicht auf ein klares Urteil festlegen. Oder vermeidet es höflich, zu kritisieren.
Kritischer wird’s mit unserem «sonderbar». Zunächst zeigt es an, dass ich «nicht nachkomme», nicht recht einordnen kann. Misstrauisch bin? «Eigenartig» müsste positiv klingen – ist doch gut, wenn man seine eigene Art hat. «Seltsam» ist vorsichtiger; «befremdlich» wirft die Frage auf, wie ich zu Fremdem stehe. Das populäre Wort heisst hier «komisch»: eigentlich zum Lachen. Ist aber alles Seltsame lustig?
Neigen wir nicht mit «komisch» und «sonderbar» zum Negativen? Wie es das unschöne «absonderlich» tut. Oder der «Sonderling» – von dem es kaum eine weibliche Form gibt, warum wohl? Wir sehen jemanden ausserhalb der Norm; was empfinden wir dabei?
Ein paar hübsche Ideen knüpfe ich an die verbreiteten Kombinationen mit «Sonder-». Begehrt ist meist das Sonder-Angebot; lästig der Sonder-Müll. Verpönt sind die, die Sonder-Wünsche haben. Erfährt jemand eine Sonder-Behandlung – angenehm oder schlimm –, schauen wir das mit Argwohn, vielleicht mit Neid an. Wie stellen wir uns zu Sonder-Stellungen? Unerschöpflich kontrovers ist das doch mit unserem «speziellen» Heimatland, diesem ewigen Sonder-Fall! Was halten wir – was aber Fremde davon? (Beitrag des Historikers Georg Kreis: «Die Schweiz darf sich ruhig als Sonderfall verstehen, aber eben als normalen Sonderfall wie jedes Land auf seine Weise – nicht als besonderen.» Der Bund, 11. 4. 23) Wäre das alles eine Sonder-Nummer wert?