Das scheint ein Spass zu sein
Andrea Blatter (38)
Ich sitze auf einem Plastikstuhl inmitten bunt gekleideter Menschen. Sie tragen wollene Mützen und Schals, gelb-rot-schwarz. Damit sie im kalten und grossen Gebäude nicht frieren, tragen sie «Chäppi», welche auch ziemlich farbig daherkommen. Die Menschen, teilweise sitzend, teilweise stehend, sind guter Laune. Sie freuen sich auf das Kommende. Gespannt schauen sie auf ein rechteckiges Feld mit abgerundeten Kanten. Das eisige Feld ist mit farbigen Linien und Kreisen verziert.Auf dem Eis erscheinen nun zwölf dick gepolsterte Menschen mit Eisen an den Füssen und Helmen auf dem Kopf. Sie stossen wieselflink mit einem Holzstock eine schwarze Scheibe vor sich hin.
Ziel scheint es zu sein, die Scheibe in einen gitterähnlichen Kasten zu bewegen. In diesem eckigen Gitterkasten steht breitbeinig ein Mann mit einer Art Rüstung. Er trägt einen Helm mit Visier. Er kann sich nur mühsam fortbewegen. Seine Aufgabe besteht offenbar darin, die schwarze Scheibe mit seinem Handschuh oder Holzstock abzuwehren. Damit es nicht allzu leicht wird mit der Scheibe, gehen die Männer mit vollem Körpereinsatz aufeinander los. Einer liegt auf dem Eis und ein anderer wird an die Wand gedrückt.
Dieses Gebaren unterbricht ein Mann mit schwarz-weissem Hemd und Trillerpfeife im Mund. Er ist der einzige auf dem Feld, der keinen Holzstock in den Händen hält. Und da ist am Rand ein weiterer Mann, der auffällt. Er ist gut gekleidet, gestikuliert wild und schreit die Männer auf dem Eis an. Aber so schnell der Ärger gekommen ist, so schnell ist er verflogen. Von Zeit zu Zeit muss sich ein Mann hinter einer transparenten Plastikscheibe hinsetzen. Nicht zu seiner Freude. Wenn die schwarze Scheibe im Gitterkasten liegt, sind manche Menschen sehr glücklich. Sie fangen an zu singen und klatschen – und andere verstummen und machen nachdenkliche Gesichter. Nach 60 Minuten ist der Spuk vorbei.
Die Weise vom Eisbein
Heinz Gfeller (70)
An dieser alten Geschichte ist alles wahr – sofern
man es glauben will. Wer aber Zweifel hegt, lese nach im etymologischen
Wörterbuch – wo die Herkunft der Wörter erklärt wird –, was es mit den
«islegg» auf sich hat.
Es war einstmals nach der letzten Eiszeit, die Gletscher zogen sich gerade leise aus Norwegen zurück, da machten sich vier unverfrorene Pioniere aus deutschen Landen in jene polarisierenden Regionen auf, sich in die Gebräuche kalter Völker einzuweihen. Und siehe, einer davon stach ihnen besonders in die Augen: Auf zugefrorenen Fjorden und Seen sahen sie die Eingeborenen nicht nur Eisstöcke schiessen oder kurlige Steine schieben, sondern auch in weiten Schwüngen gleiten, kreisen, schweifen – auf Knochen unter den Füssen. Nicht dass ihre Sohlen so durchgewetzt gewesen wären; nein, unter soliden Fusslappen hatten sie – Schienbeine befestigt. Aus verspeisten Schweinen waren diese Kufen geschnitten.
Da galt es nun, um solch reizende Schlittschuhe einzuheimsen, den schweigsamen Nordländern gegenüber das Eis zu brechen. Die Reisenden boten ihnen Eisbecher an, Eisvögel, Eisschränke, gar Milchreis, auch Eisenwaren – die Eisenzeit war hier noch nicht eingebrochen. Doch eiskalt berechnend gaben die Eiskimos erst nach, als ihnen allen Holidays on ice versprochen wurden, zu beziehen auf alpinen Höhen.
«Eisbecher , Eisvögel, Eisschränke, gar Milchreis, auch Eisenwaren – die Eisenzeit war hier noch nicht eingebrochen»
Die Knochenkufen nun, eilends herbeigeschafft, wiesen leider Mängel auf: An den Beinen hingen, angefroren, feiste Fleischreste, ja zuweilen die halbe Sau. Ei, das wird uns Wegzehrung werden, sobald es in weniger beissendem Klima auftaut, vermeinten die Weitgereisten. Sie hatten derweil doch kalte Füsse bekommen, machten sich auf ihre Beine, ja machten einander Beine, auf dass sie wieder hinter den heissen heimischen Ofen kämen.
Nach weiss wieviel Meilen gelangten sie zum Scheideweg bei Eisenach – oder war’s Eisenstadt? Sprach der Bayer: Ich heisse die Dinger «Hoxen». Eigentlich «Haxen», sagte der Franke, doch für mich sind’s «Knöchla». Der Österreiser aber gab’s gestelzter: Ich nenne sie «Stelzen». Ein Schweiser war auch dabei, der mochte sich nicht entscheiden: wäger «Wädli» oder gnau «Gnagi»? Für die Speiskarten aller Beiseln, so weit die deutsche Sprache reiche, einigten sie sich freilich: Es heisse «Eisbein».
Ganz leis wandert der Greis
Maurizio Piu (20)
Ganz leis wandert der Greis
Wohin er wandert?
Er wandert im Kreis.
Es erscheint ein Kind
Es fragt ob er weiss,
dass er laufe im Kreis.
Doch der Greis weiss
über den Kreis Bescheid.
Das Kind entschuldigt,
es täte ihm leid.
Der Greis: So sei’s
denn auch du,
auch wenn du’s nicht weisst,
wanderst meist
in aller Ruh
in einem Kreis.
Sein Weg grade wie Gleis‘
Hält ihn für dreist
Ist er entgleist?
Im Kopf schon ein Geist?
Im Beisein des Greis
Fragt’s nach Beweis.
Es gibt kein‘ Beweis,
es gibt nur den Kreis.
So hält’s diesen Meister
weiter für dreister.
Nennt sich so weise,
doch wandert im Kreise
So wandert es fleissig
den Weg, schon ganz eisig.
Es wandert geschwind,
es wandert ganz leis
Doch ohne’s zu wissen,
wandert’s im Kreis.