Das Meer: Magisches Leuchten oder düstere Tiefe
Telsche
Meeresleuchten an der Nordsee: Als Kind erlebte ich eine Nacht am Strand auf der Insel Föhr. Es war Spätsommer, warmes Wetter und die See war ziemlich ruhig. Wir erlebten ein einzigartiges Naturschauspiel, denn das Wasser leuchtete und glitzerte als wären tausende kleine Sternchen ins Meer gestürzt. Wenn die Wellen sich überschlugen, versprühten sie bläuliches Licht, das Meer schimmerte magisch in Neonfarben, das Wasser schien verzaubert. Wir Kinder wateten barfuss, schlurften und tänzelten dem Meeressaum entlang und mit jedem Schritt in die Luft entstand ein silbriger Regen oder eine Lichtspur hinter uns. In dieser Nacht machten winzige Meeresbakterien auf sich aufmerksam und zündeten dazu ihre «Laternchen» an wie die Glühwürmchen auf der Erde. Aber bei Tagesanbruch verwandelte die Sonne alles wieder in ein sattes Grün.
Geraldine
In der Tiefe: Ein Buch mit dunklem Cover von Leo Ochsenbauer verführte mich an einen düsteren Teil unseres Planeten. Der Titel «Tiefsee – Reise zu einem unerforschten Planeten» liess die Vorahnung in mir aufkommen, dass es finster werden könnte. Der Gedanken an einen eigenen Tieftauchgang löste bei mir zwar Unbehagen aus, aber der Titel weckte trotzdem eine gewisse Neugier. Obwohl der Einband mit dem Abbild eines gefährlichen und dunklen Fisches eher abschreckend wirkte, lohnte es sich, dieser Erzählung eine Chance zu geben. Was ich alles über das Leben und über Lebewesen erfuhr, die ohne Lichtquellen überleben und welch spezielle Lichter es in unseren Weltmeeren gibt, beeindruckte und faszinierte mich.
«Tag und Nacht: Strahlende Sonne
oder aufregende Dunkelheit»
Telsche
Zauber des Sonnenlichts: Die Sonne steht wie eine kraftvolle Laterne am Himmel, ich vertraue der Stetigkeit, mit der sie morgens aufgeht. Sie ist einfach da. Ich begrüsse sie jeden Morgen froh und dankbar, aber gleichzeitig fürchte ich ihre ungeheuerliche, vernichtende Kraft.
Als ich auf einer Japanreise in Hiroshima war, wo mitten im Sommer 1945 die erste Atombombe niederging, traf ich im Museum auf die Zeugenaussage einer Überlebenden: «Es war wie ein Lichtblitz, als sei die Sonne mir auf den Kopf gefallen. Ich konnte nichts mehr sehen, nicht mehr atmen.» Ich versuchte es mir vorzustellen; es schauderte mich.
Ich spüre dennoch zu gerne die wärmenden Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Sie beleben mich, wecken meine Sinne, schenken mir Mut und trösten mich nach einem traurigen Tag. Ihre Kraft durchdringt oft mein ganzes Inneres: Herz und Gemüt – und schon habe ich gute Laune. Das Feuer, als Verwandter der Sonne, löst bei mir helle Begeisterung aus; an seine vernichtende Kraft denke ich viel weniger. Seine züngelnden Flammen und die sprühenden Funken inspirieren meine Fantasie und Einbildungskraft. Ist es niedergebrannt, machen mich Glut und Glimmen melancholisch. Vielleicht ist es die Mischung aus Furcht und Freude, die mir beim Anblick von lodernden Flammen jedes Mal ein lustvolles Kribbeln beschert.
Geraldine
Finstere Nacht: Die Dunkelheit umgab mich. Der Mondschein wurde durch die grossen Tannen abgeschwächt, wodurch der Waldboden unklar blieb. Am Anfang war es ein eigenartiges Gefühl, mich mit dem Sturmgewehr und dem Kampfhelm mitten in der Nacht in einem fremden, unebenen Gelände fortzubewegen. Noch unangenehmer wurde es, als wir bei einem Positionswechsel zwei Gruppenmitglieder verloren. Sie schienen von der Dunkelheit verschluckt. Wir hielten vergeblich Ausschau und auch verdächtige Geräusche, die möglicherweise ihren Standort verrieten, konnten wir nicht ausmachen. Wir kämpften uns weiter durchs Dickicht. Als ich meinen Fuss von einem Dornenzweig löste und einen weiteren Schritt nach vorne machte, stand ich plötzlich bis zum Knie in einem Wasserloch. Ja, diese nächtliche Aktion war nicht nur abenteuerlich und aufregend, sondern auch aussergewöhnlich und in einigen Momenten fühlte ich mich schlichtweg hilflos. Ich musste vorwärts, kannte mich aber nicht aus. Es ging darum, schneller als die Gegner zu sein. Gleichzeitig musste ich aufpassen, dass ich durch einen Unfall nicht selbst zum leichten Opfer wurde. Ich versuchte, mich auf die Geräusche der Umgebung zu konzentrieren, konnte sie allerdings nicht eindeutig zuordnen, da ich immer wieder von lauten Knallern irritiert wurde. Der Wald wie man ihn am Tag wahrnimmt, nimmt in der Nacht eine ganz andere Form an. Plötzlich zeigt er viele Hindernisse und er kann dadurch gespenstisch wirken. Diese gegensätzliche Erfahrung verleiht in meinen Augen dem Licht eine besondere Bedeutung.
Hell und Dunkel vereint
Telsche: Von allen Elementen ist mir das Licht das Liebste und Teuerste. Was wäre ein Gang durch meinen Blumengarten ohne Helligkeit. Ich könnte die vielen Farben nicht geniessen, auch nicht sehen, wie Pflanzen sich dem Licht entgegenstrecken, ihre Blüten öffnen und abends ihre Kelche wieder schliessen. Sie folgen dem Rhythmus von Tag und Nacht. Licht und Dunkelheit gehören zusammen.
Geraldine: Vom Licht abhängig, um zu überleben, durch das Licht selbstbewusst und gut orientiert seines Weges gehen: meine Erfahrungen im Dunklen haben mir den Komfort, die Sicherheit und das belebende Wohlgefühl durch Sonnenschein oder andere Lichtquellen bewusst gemacht. Für mich ist jedoch die Dunkelheit genau so faszinierend wie die Helligkeit.