Wir sind ja mit Abkürzungen gesegnet – also eingedeckt. In gewissen Bereichen sind diejenigen verloren, die sie nicht kennen; in Texten zur Politik etwa: all die Parteien, Verbände, Gesetze… Oder zur Technik – die ich schon an sich nicht verstehe, wieviel weniger noch (ist das möglich?) wegen der Kürzel. Zum Computerwesen. Zum Sport – die weiss ich allerdings, ohne mich darum zu bemühen. Ausser dass heute hinter den AthletInnen-Namen die Länderbezeichnungen mit englischen Kürzeln erscheinen.
Was haben aber die elektronischen Medien nicht alles zu dem Problem beigetragen! Besonders die SMS, die sich ja ausdrücklich short geben. Mein Beispiel tritt wiederum englisch-amerikanisch auf: o.m.g.
Stellen Sie sich vor, es klänge hochdeutsch (bei uns), oder gar schweizerisch: «Oh mi Gott!» Wer würde so etwas sagen?
Unter meinem Fenster ziehen täglich Berufsschülerinnen – kaum junge Männer – vorbei; von ihnen höre ich’s geballt – und laut, denn das ist dem Alter wie dem Ausdruck angemessen: «Oh my god!»
Wann stossen denn die AmerikanerInnen diese Floskel aus? Wenn sie erschrecken? sich entsetzen? vielleicht schämen? Ja, damit mag es angefangen haben; doch jetzt geht’s schneller und harmloser: wenn etwas sie ein bisschen bewegt, wenn sie staunen oder sich leicht aufregen. Die AmerikanerInnen? Von denen weiss ich doch schier nur aus Filmen, ab und zu von TouristInnen.
Nein, es geht um die Hiesigen. Aber es ist englisch. Stellen Sie sich vor, es klänge hochdeutsch (bei uns), oder gar schweizerisch: «Oh mi Gott!» Wer würde so etwas sagen? Varianten davon, ja: «Oh Gott!» (auch verdoppelt); «Ach Gott». Aber «(Oh) mein Gott» wäre ja wörtlich zu verstehen, oder?
Da, scheint mir, liegt der Hase, der Hund im Pfeffer begraben. Leicht fliesst der Spruch über moderne Lippen, ein blosser Reflex, und bei uns ein Mode-Artikel, weil englisch – meint indes immer noch den Allerhöchsten, das oberste Wesen.
O.m.g. betet nicht, fleht nicht; es ist eine Art Emoticon, mit runden Augen und aufgesperrtem Maul. Natürlich haben wir seit jeher Gottes Namen in den Mund genommen, ohne ihn wirklich zu meinen: eben «in Gottes Namen», «so Gott will», «Gottlob» oder «Gottseidank» – sollte man die alle zusammenschreiben? –, geschweige denn «Gopfertami». Aber auf einer andern Ebene waren, wenn’s hoch kommt, religiöse Gefühle und Ideen vorhanden. Aus der Tradition heraus, wie die Redewendungen auch.
Gott lebt, heisst es. Aber so?
Ist das heute anders? Eher nicht. Die Redewendungen zeichnen sich ja just dadurch aus, dass alle sie übernehmen und unbesehen einsetzen, und dass sie Moden unterworfen sind. Während Religion eine stets offene Frage bleibt, die junge Leute nicht besser beantworten können als wir Alten. An die sie aber auch nicht ständig denken.
Gott lebt, heisst es. Aber so?
Die gesammelten Kolumnen
Die Kolumnen von Jung und Alt. Hier berichten abwechslungsweise die UND-AutorInnen Jürg Krebs, Livia Thurian, Heinz Gfeller und Elias Rüegsegger über Themen aller Art.