Jorina Scheidegger (17)
Als ich ein kleines Kind war, entdeckte ich bei uns zu Hause ganze Kisten voll mit alten Fotos. Ich verbrachte Stunden damit, jedes einzelne Bild genau anzuschauen. Am tollsten fand ich es, wenn meine Eltern oder meine Grossmutter mit dabei sassen und mir von den Tagen erzählten, an denen diese Bilder entstanden waren. Viele dieser Fotos habe ich dann geschenkt bekommen, um sie in meinem Zimmer an die Wand zu kleben. So entstand Stück für Stück eine prächtige Sammlung.
Eines Tages geschah etwas Tolles. Mein Vater hatte sich eine digitale Spiegelreflexkamera gekauft. Solche «Wundermaschinen» hatte ich bisher nur in Schaufenstern von teuren Geschäften gesehen. Ich durfte in den Ferien Fotos mit diesem zerbrechlichen Gerät machen. Doch schnell langweilten mich die Bilder, welche ich mit einem Knips auf dem Mini-Display anschauen konnte.
Für mich hatten sie keinen Charme und die Farben schienen mir öde und langweilig. Sie sahen nicht so aus wie die alten Bilder, die ich häufig auf verschiedenen Flohmärkten sah oder von Familienmitgliedern bekommen hatte.
Entschleunigung
Als ich etwa 15 Jahre alt war, hörte ich zum ersten Mal den Begriff «Analogfotografie». Ich recherchierte im Internet und hatte das berühmte «Aha-Erlebnis». Irgendwann wollte ich mir so eine Kamera kaufen. Und dies geschah dann auch. Anfang 2020 kaufte ich mir meine erste analoge Kamera, eine Canon AE-1. Ich brachte mir bei, wie ich den Film in die Kamera einlegen musste, und dann probierte ich sie aus. Ich musste mir Zeit dafür nehmen und lange überlegen, bis ich mit meiner Komposition zufrieden war. Diese Vorsicht und Entschleunigung gibt einem die Gelegenheit, länger über die Qualität des Sujets nachzudenken, und man erzielt einzigartige Fotos. Als ich eine Woche später die teure Filmrolle zurückbekam, waren natürlich nicht alle Aufnahmen perfekt, doch dieses eine Foto, das unten links gezeigt wird, packte mich. Es war das erste Bild, welches endlich so aussah wie die alten, nostalgischen Fotos, die noch heute an meiner Zimmerwand hängen.
Von analog zu digital
Hansruedi Käppeli (68)
Ich war achtzehn, als ich 1970 im Dachstock des heutigen Kultlokals Cafe Bar Mokka ein Fotolabor einrichtete. Zusammen mit KollegInnen entwickelten wir im damaligen Jugendhaus in Thun unsere schwarzweissen Fotos selber. Es war absolut spannend, mit verschiedenen Belichtungszeiten und Papiersorten zu experimentieren.
Für farbige Bilder musste man damals seine Filme einem Labor zustellen. Anschliessend wartete man eine Woche, bis die Fotos zu Hause im Briefkasten landeten. Die erste Spiegelreflex-Kamera kaufte ich mir vom «Kässeligeld» meiner Kinderjahre. Bevor ich jeweils den Auslöseknopf betätigte, überlegte ich mir zweimal, ob ich abdrücken solle; jedes Bild kostete mich nämlich, je nach Format, ein kleines Vermögen.
Es folgte die Zeit der Lichtbilder oder Dias. Wie viele Dias von Landschulwochen und Skilagern auf unserem Estrich lagern, weiss ich nicht, sicher ein paar tausend. Man könnte sie digitalisieren. Wozu? Von sehr alten Fotos habe ich jedoch etliche digitalisiert. Eines meiner Lieblingsbilder zeigt unsere Urgrosseltern vor ihrem Haus. Klein Oliver, mein Grossvater, hockt in Kauerstellung hinter dem Hund. Er war es, der die Liebe zur Natur in mir weckte.
Zum ersten Mal digital
Es war im Jahr 1998, als ich zum ersten Mal eine Digitalkamera in Händen hielt. Sechs Jahre später habe es weltweit noch ein einziges Labor gegeben, das Filme für Dias entwickelte. Es befand sich in den USA. Ein ganzer Industriezweig war innerhalb kürzester Zeit verschwunden. Parallel dazu aber entwickelte sich die Digitalisierung rasant.
Heute ist auf den täglichen Streifzügen durch die Natur eine Digitalkamera meine unentbehrliche Begleiterin. Ich mache Makroaufnahmen von Schmetterlingen, Heuschrecken, Pflanzen und Libellen. Dank dem unkomplizierten Herstellen von Bilderserien kann ich meine Aufnahmen zur präzisen Bestimmung unterschiedlicher Arten nutzen. Das «Schweizerische Zentrum für die Kartografie der Fauna» in Neuenburg ist auch an Meldungen von Laien interessiert – mit Belegfoto. Dieses Angebot nutze ich rege. ☐