Lea Kieber: Ich habe das Glück an einem wunderschönen Ort mit freier Sicht auf die Berge, konkret auf die Stockhornkette, zu wohnen. Tag für Tag ganz früh aufzustehen, die Landschaft und die verschiedenen Gesichter dieses Berges beobachten, ist Erholung und Vorbereitung auf den beginnenden Tag. Immer dabei ist der erste Kaffee in meiner Lieblingstasse, der «Kapitänstasse», die ich in Hamburg genau für diesen Tagesmoment gezielt ausgesucht und gekauft habe. Ich muss zugeben, dass es nicht beim ersten Kaffee bleibt. Später folgt ein zweiter, und wenn ich den Computer für das Home-Office einschalte, ist schon der dritte dabei.

Beim Lesen dieser Zeilen denkst du vielleicht, ich sei koffeinsüchtig. Mag sein, aber ich kann auch sagen, dass für mich Kaffee eine Kultur, eigentlich eine Denkkultur, ist. Das sind die Momente, in denen ich ganz bewusst eine Pause einlege, meine Gedanken ordne und plötzlich beginne zu schreiben. So wie jetzt!
Erinnerungen an Portugal
Woher kommt diese Liebe zum Kaffee? Da muss ich ein paar Jahre zurückgehen. Ich wurde in Lissabon geboren. Noch heute, wenn du dort eine Znünipause machst, Freunde triffst, für Prüfungen lernst oder auch, wenn du die Neuigkeiten aus dem nahen oder weiten Umfeld erfahren und kommentieren möchtest … wo trifft man sich? Selbstverständlich im Café mit einem Kaffee und dazu einem «Pastel de nata», diesem kleinen Kuchen mit ganz vielen Kalorien, aber soooo fein! Wir sitzen zusammen oder allein im Quartiercafé, an der Strandpromenade oder im Park, und wenn ich einen ersten Blick in die Tageszeitung werfe und der kleine Kaffee mit einem Glas Wasser auf dem Tisch stehen, steht auch die Welt still und alles ist perfekt. Das ist ein Stück Lebensqualität: der Genuss eines Kaffees als Startpunkt eines Gedankens und eines Tagesablaufs, damals wie heute.

Ich gehöre zur Generation, die während des Gymnasiums von der portugiesischen Revolution 1974 in positiven Sinne voll erwischt wurde. Von einem Tag auf den anderen stand unsere damalige kleine Welt kopf, und während Monaten wussten wir nicht, wie es weiter geht. Haben wir Unterricht oder nicht? Streiken die LehrerInnen oder nicht? Und die Administration, funktioniert sie oder eben nicht? Es mag dramatisch klingen, aber für uns 16-Jährige war es eigentlich ganz gut. Da wir nie wussten, was kommt, trafen wir uns im Café und philosophierten stundenlang, ob die Revolution und die Parteien uns etwas Positives bringen werden. Ich frage mich heute, wie die Cafés um das Gymnasium herum überhaupt überleben konnten: Wir StudentInnen ohne Geld konnten gerade unseren einzigen Kaffee bezahlen und sassen Nachmittage lang um einen Tisch, redeten und lachten laut. Es waren aber die Momente, in denen das Zusammengehörigkeitsgefühl erstarkte. Irgendwann kehrte dann eine gewisse Normalität zurück: Es gab wieder Unterricht, die Prüfungen mussten geschrieben werden, es gab Numerus Clausus, wir mussten uns über die Zukunft Gedanken machen. All dies hiess, jetzt wird es ernst und wir müssen lernen. Und wo traf man sich zum Lernen? Selbstverständlich im Café vor oder nach dem Unterricht mit einem Kaffee, einem Glas Wasser und nicht mehr Geld als früher.

Südliches Ambiente in Thun und überall auf der Welt
Diese Kultur ist mir geblieben. Noch heute, wenn ich wirklich lernen muss oder über etwas Ernstes reflektiere und schreibe, dann findest du mich beim Kaffee auf dem Mühleplatz oder an der Aare, dort, wo ganz viele Menschen sind und vorbeigehen. Ich werde diese Menschen gar nicht beachten und produktiv lernen.
Geblieben ist auch die Kaffee-Reisephilosophie. Irgendwo habe ich den Indianerspruch gelesen: «Ich warte, bis meine Seele ankommt.» So fühle ich es immer und dabei habe ich meinen privaten Helfer: meinen Kaffee. Wenn ich in einer fremden Stadt ankomme, gehe ich nicht schnell, schnell ins Hotel, sondern suche als Erstes das Bahnhofscafé und dort, mit dem ganzen Gepäck um mich herum, trinke ich als eine Art persönlichen Willkommensgruss den ersten Kaffee, lasse mich von der jeweiligen Stimmung mitreissen und beobachte die Stadt. Erst danach bin ich für die Stadterkundung bereit. In Bozen war es zum Beispiel so heiss, dass ich fast nicht mehr atmen konnte, während in Reykjavik am längsten Tag des Jahres kalte, windige 12 Grad herrschten – und trotzdem fühlte ich mich an beiden Orten wie zu Hause.
Wenn ich durch unsere Stadt Thun gehe und sehe, wie Menschen jeden Alters in den Cafés sitzen – während des Lockdowns sassen sie auf den Treppen des Mühleplatzes oder an der Aare, zwar allein, aber sie waren da –, so denke ich, dass diese Kaffeekultur nicht nur in meiner Herkunftsstadt existiert, sondern auch hier. Genau die gleiche Kaffeekultur in Lissabon und in Thun – darüber freue ich mich sehr!
Und zum Schluss: Falls wir uns treffen, lade ich dich mit grosser Freude zu einem Kaffee ein.
Was bedeutet Tee für mich?

Stephanie Bühlmann: Ich liebe dieses wohlige Gefühl von Ruhe und Geborgenheit, wenn es draussen regnet und ich mit einer Tasse Tee drinnen im Warmen sitze. Meine Mutter trinkt oft Tee und irgendwann hat sie mich damit angesteckt. Es ist ein Getränk für jeden Anlass und auch fürs Lernen ganz angenehm. Da man ihn warm oder kalt trinken kann, muss ich mich nicht beeilen. Im Sommer ist es Ice Tea und im Winter meistens Pfefferminztee. Ich versuche immer, ihn ohne zu viel Zucker zu trinken. Ich hatte das Glück, in England eine andere Teekultur kennenzulernen. Die EngländerInnen trinken ihren Tee nämlich mit Milch, was den Geschmack ziemlich verändert. Ich für meinen Teil mochte es nicht. Vielleicht liegt das aber auch an meiner Milchallergie. Ich lernte in England auch, dass es starken und weniger starken Tee gibt. Ich habe den Teebeutel am Anfang zu lange ziehen lassen lassen. Danach kratzte es im Hals beim Trinken. Es hilft, mehr Wasser daraufzugiessen, um dies zu mildern.
Was ich gerne noch über Tee lernen würde
Ich würde gerne neue Teekulturen kennenlernen. In Japan oder China wird Tee anders getrunken als bei uns. Ich wäre gerne mal bei einer Teezeremonie dabei. Dass Tee ein faszinierendes Getränk ist, erkannte ich erst, als ich mir aus reiner Langeweile eine Dokumentation darüber ansah. Denn die Entstehungsgeschichte von Tee ist ziemlich spannend. Jemand musste einmal auf die Idee kommen, einfach Kräuter in warmes Wasser zu werfen – und fertig war das Getränk. Auch sonst gibt es vieles Spannendes über Tee zu berichten. Jeder und jede trinkt ihn anders und alle haben ihre spezielle Art ihn zuzubereiten. Eine Kollegin von mir trinkt ihren Tee immer mit Honig statt mit Zucker. Ich habe es auch mal ausprobiert, aber mir schmeckt es nicht. Obwohl ich in meinem Freundeskreis die Einzige bin, die Tee trinkt, gibt es selten dumme Kommentare dazu. Manchmal stecke ich andere auch an und sie trinken dann eine Tasse Tee mit mir. Das freut mich immer sehr.
