Ursula: Schon am Vorabend hat Maurizio mit der Herstellung des kalten Kaffees begonnen. Geladen sind das Grosi, die beste Freundin, die Familie und ich. Ein generationenübergreifendes, etwas ungewöhnliches Kaffeekränzchen. Es wird nur kalten Kaffee geben. Die drei kalten Kaffees wurden viele Male ausprobiert, sollen heute gut zur Geltung kommen und werden nun für die Gäste liebevoll zubereitet. Die Geladenen zieht es alle zuerst in die Küche und lustigerweise degustieren wir bereits bei der Begrüssung mit kleinen schlürfenden Schlucken aus lediglich zwei Gläsern. Die Diskussion über Aroma, Säuregehalt und Zubereitungsart kommt sofort in Gang. Maurizio zeigt uns auch sein Kaffeebuch. Der schön gedeckte Tisch mit Süssigkeiten wartet vorerst mit leeren Stühlen. Als wir dann alle um den Tisch sitzen und unsere Kaffeebestellung aufgegeben haben, shaket und mischt uns Maurizio den bevorzugten Kaffee. Mein Favorit ist der «Cold Brew Coffee», den Maurizio hier speziell vorstellt.
Maurizio: Wie ich es von vielen kenne, verfolgt auch mich schon eine ganze Weile eine ganz spezielle Vorliebe für Kaffee. Der klassische und wahrscheinlich auch liebste Weg Kaffee zu trinken ist für mich, ihn auf die «italienische Weise» zuzubereiten, also mit einer Caffettiera aufzukochen und ihn dann aus Espresso-Tassen schwarz mit Zucker zu trinken. Von diesem Kaffee-Ritual, wie man es schon fast nennen könnte, bin ich begeistert – und das nicht nur wegen des Koffeins. Schon fast unausweichlich, könnte man meinen, denn wer in Italien mit Familie und allem Drum und Dran an diesen Kaffee herangeführt wurde, möchte ihn kaum mehr anders trinken.
Doch in diesem Artikel geht es nicht um den klassischen, heissen Espresso, sondern um diverse Kreationen, die sich als kalte Köstlichkeiten servieren lassen. Allen voran der Cold Brew Coffee. Von diesem Kaffee hörte ich immer wieder und so stieg in mir das Interesse, es mal selbst damit zu versuchen. Ihn zuzubereiten ist relativ einfach: Man füllt eine Kanne oder anderes geeignetes Gefäss mit circa 60 bis 70 Gramm gemahlenen Kaffeebohnen und verrührt sie mit einem Liter kaltem Wasser. Denn wie der Name bereits suggeriert, wird diese Kaffeevariation kalt gebraut. Dafür wird die Kanne mit dem angesetzten Kaffee über Nacht in den Kühlschrank gestellt. Am nächsten Morgen wird noch einmal gut gerührt und anschliessend der Kaffeesatz abgefiltert.
Und voilà, man hat seinen eigenen Cold Brew Coffee. Natürlich reicht so eine einzige Kaltkaffeekreation nicht aus, um zu einer Degustation einzuladen, und deshalb habe ich noch einige Rezepte aus einem Kaffee-Buch (A. Moldvaer, 2019) getestet und variiert und bin damit auf die beiden weiteren Köstlichkeiten, den «Icespresso» und den «Iced Caramel Mocha» gekommen. Diese beiden Kaffees werden zunächst klassisch heiss gebraut, dann jedoch mit Eis «kaltgemacht». So habe ich das zunächst mit dem Icespresso auch gemacht und es fiel uns relativ schnell auf, dass dieser, sobald er einmal zubereitet ist, dem Cold Brew Coffee zumindest visuell sehr stark ähnelt.
In den ersten Momenten unseres Intergenerationen-Kaffeekränzchens war das natürlich eine optimale Voraussetzung für eine blinde Verkostung, also eine Verkostung der Kaffees, ohne dass man bereits «Meine beste Freundin Sarah (19) fand, der Cold Brew sei etwas wässrig und doch relativ stark.»
Im Voraus weiss, welcher Kaffee wie zubereitet, respektive gebraut wurde. So fand Ursula blind den Cold Brew Coffee besser: «Ich sehe schon, ich werde Fan von kaltem Kaffee», hörte ich sie sagen. Und kurz darauf meine jüngere Schwester Nadia (11) antworten: «Und ich werde Fan von Kaffee.» Meine beste Freundin Sarah (19) fand, der Cold Brew sei «etwas wässrig und doch relativ stark», wohingegen sie den Icespresso als «vielleicht rauchig und würziger» beschrieb.
«Meine beste Freundin Sarah (19) fand, der Cold Brew sei etwas wässrig und doch relativ stark.»
So blieb diese Blinddegustation relativ ausgeglichen, wie die Meinungen zum Geschmack ja so oft auseinandergehen. Später bat ich meine Gäste zu Tisch, der bereits mit Muffins und verschiedenen Kuchen gedeckt auf sie wartete. Währenddessen stellte ich die 3 Variationen von kaltem Kaffee nochmals kurz vor und nahm, fast schon wie ein Barista, die Bestellungen auf. «Ä chaute Mokka» hörte ich zweimal und auch der Cold Brew wurde mehrfach gewünscht. So machte ich mich also daran, diese Getränke zuzubereiten.
Dasselbe Phänomen
Nach geschwindem Shaken der Kaffees mit Eis waren dann auch alle Wünsche erfüllt. Gemeinsam sassen wir nun am Tisch bei Kaffee und Kuchen, eines wie auch das andere kalt – wobei der Kuchen womöglich sogar wärmer als unsere Kaffees war. An diesem Punkt begannen nun Gespräche über dieses und jenes, über die Kaffees und deren Präsentation. Gerade beim letzten Punkt waren sich Jung und Alt sehr einig darüber, dass gerade auch die Art und Weise, wie ein Kaffee präsentiert, beziehungsweise serviert wird, enorm Einfluss auf den wahrgenommenen Geschmack hat. So schmeckt ein Cold Brew beispielsweise viel besser, wenn er in einem Glas mit Eis serviert wird, als wenn das gleiche Getränk aus einer Tasse kommt. Dasselbe Phänomen konnten wir im Übrigen bei allen drei Kaltkaffees feststellen. Wie zu vielen heissen Kaffees wohl die Tasse am besten passt, so ist es bei diesen kühlen Kreationen das Glas, worin zubereitet, woraus getrunken werden sollte.
Nach diesem von Kaffeeduft durchzogenen Nachmittag spürte ich trotz des vielen Koffeins eine ruhige innere Freude. Ich hatte für verschiedene Menschen interessante neue Variationen des sonst so alltäglichen Kaffees zubereiten und sie diese auch ausprobieren lassen können. Vermutlich werden diese kalten Kaffees nie das Gefühl vom klassischen Kaffee-Ritual, wie am Anfang erwähnt, ersetzen. Und das sollen sie auch nicht. Denn kalte Kaffees bieten ganz klar genug Potenzial, um neue Formen solcher Kaffeerituale zu erschaffen. Wer weiss, vielleicht trinkt man ja im nächsten Sommer Cold Brew Coffee zur Erfrischung?