Die Kolumnen von Jung und Alt. Hier berichten die UND AutorInnen Jürg Krebs, Livia Thurian, Heinz Gfeller und Elias Rüegsegger.
Womit fängt eine Antwort auf eine nicht gerade einfache Frage an? «Keine Ahnung!» Worauf die Ansicht des Befragten, die eben doch vorhanden ist, folgt. Ausführlich. Genau.
Da haben wir nun zwei mächtig geläufige Floskeln, die einander widersprechen – und ergänzen. Wer sie gelegentlich verwendet, rätselt ein wenig darüber; wem sie automatisch einfallen, der merkt es nicht.
«Keine Ahnung» stellt einen Auftakt dar – doch schliesst es selten ab. Auch signalisiert diese Formel nicht das platte Unwissen, das sie vorspiegelt; eher Vorsicht, Selbstschutz, bevor man seine Meinung kundtut. Die ist dann vor lästigen Zweifeln, Entgegnungen gefeit; schliesslich hat man mitnichten behauptet, über die Wahrheit zu verfügen. Ihr dürft mich nicht darauf behaften!
Selten sagt einer «keine Ahnung», alles zurücknehmend, am Schluss seiner Aussage; schon eher dessen lockeres Pendant «…sag’ ich mal». Genau.
Holen wir Luft, setzen wir neu an: «Genau.»
Genau dieses «genau» allerdings kommt mir als die heftigere Seuche vor. Dabei geht es von einer löblichen Haltung aus, der Zustimmung zu dem, was ein Gegenüber soeben geäussert hat: «So gut, so richtig, was oder wie du sprichst!» Es gibt mehr als Bestätigung, es spendet Beifall. Man könnte auch sagen: «Exakt! Präzis! Stimmt!» Doch über solche Varianten erschrickt man heute fast.
Was aber, wenn wir das Wort nun für uns selber pachten? Wir führen etwas mehr oder weniger detailliert aus – dann gehen uns Schnauf oder Ideen aus, wir runden ab: «Genau.» Das ist doch Selbstlob, oder? Gut habe ich das formuliert! So oder so, «genau» ist ein Pausenzeichen, auch ein Pausenfüller. Man darf noch hoffen, es tauche nicht, wie bei Epidemien möglich, alle drei Sätze wieder auf.
Holen wir Luft, setzen wir neu an: «Genau.» Das meint ja wohl noch das Vorherige; vielleicht übertragen wir aber unsere Überzeugung auch schon aufs Folgende. Wir bestätigen uns vorweg.
Wenn wir diesen sprachlichen Schnupfen mal haben, ist er kaum mehr zu bremsen. Wird er gelegentlich abklingen? Keine Ahnung, wirklich – das heisst: schwer zu sagen, wie bei vielen Mode-Erscheinungen; manchmal bleibt uns eine auf ewig erhalten. Warten wir’s ab. Genau.
Die gesammelten Kolumnen
Die Kolumnen von Jung und Alt. Hier berichten abwechslungsweise die UND-AutorInnen Jürg Krebs, Livia Thurian, Heinz Gfeller und Elias Rüegsegger über Themen aller Art.