Die Kolumnen von Jung und Alt. Hier berichten die UND-AutorInnen.
Heute arbeite ich im Homeoffice. Auf einem unbearbeiteten Stapel liegt das Pfarrblatt. Schnell durchgeblättert. Es ist Fastenzeit, in der Kirche wird ab 11.30 Uhr Suppe mit Brot serviert. Eine gute Idee, finde ich. So entschliesse ich mich kurzerhand, packe ein Tupperware ein, worin eine doppelte Portion Platz hat, denn ich habe keine Zeit zum Kochen und könnte doch so das Nützliche mit dem Guten – einer Spende – verbinden. Es ist gekocht und ich lege mein Fastenopfer im Sinne eines Obolus in den Spendentopf. Gedacht getan. Wie der Blitz radle ich mit dem Fahrrad zur Kirche. Die vorwiegend alten Leute begrüssen mich freundlich, als ich ihnen die Türe aufhalte. Im Gemeinschaftsraum der St. Martinskirche in Thun sitzen kurz vor 12 Uhr bereits gut zwanzig Menschen, nach meiner Schätzung vornehmlich Pensionierte, die Suppe löffeln. Ich schreite zum Ausgabetisch, auf welchem gerade ein neuer, grosser, dampfender Suppentopf hingestellt wird. Es sieht nach Gemüsesuppe aus. Zur Sicherheit frage ich: «Gäuet, dass isch scho ä vegetarischi Gmüessuppe?».
Murphys Law
Erstaunter Blick und eine Antwort, ohne mit der Miene zu zucken. Nein, heute gibt es Gerstensuppe. Ich will nicht entgegnen, was mir durch den Kopf geht «Na und – Gerstensuppe heisst doch nicht Fleischsuppe?» – Vergebene Liebesmüh und eh kein Verständnis, diese Worte erspare ich mir. Schon 1000 Mal erlebt, da ich seit meinem zwölften Lebensjahr nie mehr Fleisch gegessen habe. «De isch das nüt gsi» – sage ich, drehe mich auf dem Absatz um und genauso schnell wie ich hineinkam verschwinde ich wieder und radle mit ziemlichen Tempo wieder nach Hause.
Ich merke wie in meinem Herzen ein richtiger Frust kämpft. Mein Spendengeld, nein das konnte und wollte ich aus Wut nicht in den Topf werfen. Auf jeden Fall nicht heute. Ich habe es bisher nur wenige Male geschafft, an einem Suppen-Freitag meine Fastensuppe in der Kirche zu essen oder abzuholen. Und Murphys Law – es ist wirklich wahr – jedes zweite Mal, als ich ging, gab es Suppe mit Fleisch. Ich erinnere mich, wie ich einmal in freudiger Erwartung mit meiner Tochter, die aus der Schule kam, dasselbe erlebte. Ich hatte kein Mittagessen gekocht und wir mussten auch damals hungrig – doch vor allem gefrustet – nach Hause.
Ist das fasten?
Zuhause angekommen, Blick in mein kleines Tiefkühlfach. Und während ich diese Zeilen tippe und mich frage, ob eine Suppe mit Fleisch für andere Menschen tatsächlich «FASTEN» und somit ein Verzicht auf irgendetwas bedeutet, warte ich auf meine Gemüse-Curry-Suppe, die langsam auftaut und 100-prozentig vegetarisch ist. Der Duft zieht bis ins Arbeitszimmer. Mahlzeit!
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