Illegal, aber legitim
Ziviler Ungehorsam ist nicht die Erfindung der Klimajugend. Er hat eine lange Tradition. Martin Luther King hat damit erfolgreich gegen die Rassendiskriminierung gekämpft. Mahatma Gandhi führte mit gewaltfreiem Widerstand Indien in die Unabhängigkeit. Nelson Mandela erreichte mit illegalen, aber friedlichen Aktionen den Ausstieg aus der Apartheid. Und auch in der Schweiz blockierten schon mehrmals Bauern illegalerweise mit ihren Traktoren den Verkehr. Ziviler Ungehorsam ist nicht legal, aber legitim, das heisst unter bestimmten Umständen berechtigt. Er ist dies immer, wenn ein hoher Wert in Frage steht und dieser mit legalen Mitteln wegen Unbeweglichkeit der Autoritäten nicht erreicht werden kann. In früheren Zeiten ging es um Sklaverei, Kolonialismus oder Apartheid, diesmal geht es um die Erhaltung einer lebenswerten Welt für die kommenden Generationen. Dieses Ziel ist kaum zu bestreiten. Und dass Parlament und Bundesrat nicht bereit sind, genügend griffige Massnahmen zu ergreifen, ist offensichtlich. Die Jugendlichen hatten das Recht, sich mit diesem Mittel für ihre Zukunft einzusetzen.
Der Klimanotstand ist kein Notstand
Dass bereits früher durch solche Aktionen Grosses verändert wurde, steht ausser Frage. Damals jedoch galten jene Bewegungen als illegal, da sie sich gegen die Autoritäten des jeweiligen Staates wehrten. Damalige Gesetze galten meist zum Nachteil von Minderheiten und Oppositionen. In unserem heutigen Rechtsstaat, wo die verfassungsmässige Rechtsgleichheit gilt, sind solche Vergleiche nicht haltbar. Gesetze gelten unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Gesinnung. Abgesehen von der rechtsstaatlichen Problematik führte die Aktion zu Kritik und Aufregung und störte gar die parlamentarische Session. Gegenstand der Diskussion waren also kaum mehr die Forderungen der Demonstrierenden, sondern deren Aktion. Man kann es nicht anders denn als eine missglückte Aktion ansehen. Während sich viele Menschen heute schon in einer existenziellen Notlage befinden aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage, sind es doch immer wieder die privilegierten jungen Leute, die meinen, aufgrund eines sogenannten «first-world-problem» über dem Gesetz zu stehen.