René Mathys (66)
Jedes Jahr organisiert in unserer Familie jemand einen Familientreff. Diesmal wurde der Umwelt Rechnung getragen, nämlich mit der Bitte, den Bus anstelle des Autos zu benutzen. Alle TeilnehmerInnen sind sicher gut situiert. Wir wählen trotzdem jeweils ein Lokal aus, das ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Die folgenden nicht fiktiven Rückmeldungen lassen die OrganisatorInnen teilweise etwas ratlos zurück. Die anspruchsvollen und sparsamen Senioren aus dem Raum Bern meinen: «Ich habe soeben mit meiner Schwester betreffend unseren Höck vom Sonntag telefoniert. Wir sind sehr enttäuscht von der Speisekarte. Bei diesen Preisen könnte man auch in einem Luxusrestaurant essen gehen. Falls das ausgewählte Restaurant nichts anderes anzubieten hat, werden wir auf eine Teilnahme verzichten. Wir hoffen, dass es noch etwas Günstigeres zu essen gibt und erwarten eine Antwort! Sollte es dennoch klappen, werden wir mit dem ÖV anreisen.»
Rückmeldung eines Bruders, der nichts mit Greta Thunberg am Hut hat: «Der Vorschlag, den Bus zu benutzen, ist leider falsch, da der Bus mit schädlichem, krebserregendem Diesel unterwegs ist – Feinstaub! Zudem sind ausserhalb der Stosszeiten manchmal nur eine Handvoll Leute im Bus! Wenn schon grün, dann bitte, bitte, bitte zu Fuss oder mit dem Velo! Kein Schiff – Diesel, keine Bahn – Strom, kein Flugzeug – Kerosin! Übrigens: Die Bahn kann nur fahren, weil sie mit den zu hohen Benzinpreisen und meinen Autosteuern querfinanziert wird, ohne mein Auto keine Bahn! Glaubt mir, ich bin kein Grüner, fahre nur Auto und manchmal auch Rennrad oder Bike. Den öffentlichen Verkehr benutze ich dann eventuell im zweiten Leben! Die Grünen predigen Wasser und trinken heimlich Wein!»

Die junge Generation meldet sich ab: «Ich habe im Moment grad massiv viel um die Ohren auf der Arbeit, inkl. oftmals Wochenendarbeiten. Wenn dann der Sonntag frei sein sollte, wollen wir lieber ein bisschen an die Sonne, unsere Tochter möchte nämlich fleissig Skifahren lernen :-). Merci für die Organisation. Für uns eigentlich ein super Datum, da es für einmal nicht aufs Lauberhornrennen fällt. Wir müssen uns dennoch leider entschuldigen.»
Solche und andere Rückmeldungen könnten einem ab und zu etwas sauer aufstossen. Aber weshalb eigentlich, denn am Schluss kommt oft alles gut. Dieses Jahr wurden die Rückmeldungen vorgelesen. Das kam – vermutlich nicht bei allen – gut an. Warum tue ich mir das Organisieren trotz allem an? Weil ich der Meinung bin, dass Familienfeste einen Beitrag zum Zusammenhalt bieten können – oft sieht man sich ja nur noch an diesem Treff. Oder dann an Beerdigungen.