Politickt’s noch?
Katharina Pfanner (59):
Mich beschäftigt der Weg der Frauen von der politischen Rechtlosigkeit bis zur Möglichkeit heute, wählen und abstimmen zu können. Sie haben Erniedrigung und Ungerechtigkeit auf sich genommen, um dieses grosse Ziel zu erreichen: In der Politik mitzuwirken, dort, wo alle Themen des gesellschaftlichen Lebens diskutiert und über Gesetze festgelegt werden. Für uns Frauen wurde das mit dem Frauenstimmrecht erst 1971 möglich. Heute können wir zwar politisch mitentscheiden und wählen, aber der Stimmbeteiligung nach zu schliessen, ist das nicht mehr wichtig genug. Was es bedeutet, keine Stimme zu haben, scheint bei Frauen und Männern vergessen zu gehen. Wer nicht wählt, wird dort, wo bestimmt wird, nicht vertreten. Wer nicht abstimmt, über den wird bestimmt. Ein unerwünschtes Abstimmungsergebnis reicht nicht als Begründung, politisch passiv zu werden. Die Mitverantwortung bleibt, weil wir eben stimmen und wählen können! Die nächsten nationalen Wahlen sind am 20. Oktober. Ich hoffe, es politickt dann so richtig!

Thomas
Lara Thurnherr (19)
Ich habe meinen Nachbarn Thomas immer beneidet. Thomas kann in jeder Zeitung den «Politik»-Teil überblättern und findet sich schneller bei den für ihn entscheidenden Nachrichten: dem Sport. Er spart damit Zeit. Thomas schaut weder die Tagesschau, noch wählt er, noch stimmt er ab. Thomas kann aber bei jeder politischen Stammtischdiskussion genüsslich das Motto aller Thomasse dieser Welt deklamieren: «Eh, die z Bärn u de ersch die z Brüssu mache doch eh was si wei.» Oder bei etwas intellektuelleren Apéros: « I ha z Gfüeu, di Debatte isch viu z komplex, grad wäg der Digitalisierig.» Dann nicken alle beeindruckt und fangen an, über Greifbareres, den Sport oder das Wetter zu reden. Gestern habe ich bei Thomas einen Kaffee getrunken. Er hat sich aufgeregt. Über die hohen Steuern, über die niedrige Rente, über den Stau und die hohen Preise für die Autobahnvignette. Jetzt beneide ich Thomas nicht mehr. «Schad, cha me da nüüt mache», sage ich mitleidend und schiebe ihm langsam das ungeöffnete Wahlcouvert zu. Thomas sieht es nicht. Er liest gerade den Sportteil.

Müssen muss niemand
Gaby Jordi (68)
Für die einen ist unser Modell der direkten Demokratie das beste von allen. Für andere gilt die Ausrede: Die machen in Bern ja eh, was sie wollen. Die anstehenden Probleme – unter anderem Klimadebatte und Sanierung der Altersvorsorge – lösen wir nicht mit Desinteresse. Jede stimmberechtige Generation ist aufgefordert, sich schlau zu machen und sich einzubringen. Wir brauchen VolksvertreterInnen, die unsere Gesellschaft weiterbringen und sich um Lösungen bemühen. Im Herbst können wir bei den National- und Ständeratswahlen mit unseren Wahlzetteln unseren Einfluss geltend machen. Gegenseitige Schuldzuweisungen sowie ideologisierte Debatten sanieren weder die Altersvorsorge, noch verhindern sie den Klimawandel. Wir sitzen alle im gleichen Boot. Also: Das nächste Abstimmungs- und Wahlmaterial wandert erst nach eingehender Lektüre und der Wahl kluger Köpfe ins Altpapier. Ich will und darf mein Wahlrecht wahrnehmen.

Politik: Wie Spinat essen
Darleen Pfister (15):
Politik ist kompliziert, wird täglich aktualisiert, und es erfordert viel Zeit, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Die geringe Wahlbeteiligung ist also verständlich. Doch Politik gehört für mich zur Allgemeinbildung, auch in der Schule. Damit meine ich, über die wichtigsten Schlagzeilen Bescheid zu wissen, um auf Wahlen und Abstimmungen vorbereitet zu sein. Der grösste Teil der Bevölkerung interessiert sich aber nicht für das politische Geschehen. Zum Interesse kann man niemanden zwingen, doch es ist wie Spinat essen: Viele lieben ihn nicht, aber er versorgt den Körper mit Vitaminen. Mit unserer Stimm- und Wahlbeteiligung ist es dasselbe: Der Krimi am TV ist zwar spannender als die Abstimmungsbroschüre, doch die Schweiz profitiert von unserer Stimmbeteiligung. Für den 20. Oktober heisst das also: Setzt euch hinter die Wahlprospekte. Das tue auch ich als 15-Jährige, obwohl ich noch nicht stimmberechtigt bin.
