Der Steinzeitmensch
Monika Schneeberger (50)
Mit sicherem und gleichzeitig freudigem Gefühl setze ich mich in eine Achterbahn. Es geht los und mein Hirn schreit nach wenigen Sekunden «Lebensgefahr!». Aber ich fühle mich gut und im wahrsten Sinne des Wortes beflügelt. Meine Sinne sind hellwach, ich reagiere blitzschnell und vollbringe körperlich ungeahnte Leistungen. Genetisch betrachtet, regiert jetzt der Steinzeitmensch in mir und ich renne gerade einem gefährlichen Tier davon. Das vernunftorientierte Denken ist nun viel zu langsam! Das Reptiliengehirn (Hirnstamm) hat, wie in Gefahrensituationen üblich, die Koordination der Denkprozesse in meinem Hirn übernommen. Meine Zuckerreserven werden im Schnellzugstempo verbraucht. Da die Gefahr nicht real war und ich den für mich angenehmen Rauschzustand selbst herbeigeführt habe, weiss das Reptiliengehirn nicht, wann das Grosshirn wieder an der Reihe wäre. Und so habe ich jetzt gerade eine süsse Cola in der Hand und stehe bereits wieder in der Warteschlage…!
Dem Rausch ergeben
Jürg Krebs (73)
RAUSCH, du befreist uns
von dieser frustrierenden Welt
von allen Sorgen und Nöten
von unseren falschen Hemmungen.
RAUSCH, dank dir fühlen wir uns
bärenstark und wunderschön
intelligent und humorvoll
beliebt und allmächtig.
RAUSCH, nur in dir ist alles möglich
ist alles anders, ist alles egal.
RAUSCH, wir lieben dich so sehr
dass wir Kater, Unfall, Siechtum
ja gar den Tod in Kauf nehmen.
Wir sind dir ergeben – immerdar!
Ein Ausweg?
Miriam Weber (19)
Das Gegenteil von Rausch ist Leere, das Gegenteil eines erfüllten Lebens die Langeweile. Im Teenageralter spüren wir sie zum ersten Mal. Wenn wir unseren Garten nicht mehr als Abenteuerland sehen und die Legos, mit denen wir früher Welten erbauten, uns kalt lassen, holt uns die Langeweile oft ein. Auf der Suche nach dem Ausweg begegnet dir als junger Erwachsenen das Nachtleben mit offenen Armen. Mit fünfzehn wirst du von FreundInnen in die Stadt geschleppt. Der erste Ausgang, das erste Bier, der erste Rausch. Ein Kontrollverlust, der bei dem Chaos des Erwachsenwerdens gelegen kommt. Mit zwanzig reicht plötzlich das Bier nicht mehr aus. Spirituosen, Zigaretten, Gras spielen nun im Rauschspiel mit, mischen die Karten neu. Diesmal ist die endlose Ausbildung der Auslöser. Mit dreissig ist es die Langeweile des Berufs, mit fünfzig die Midlifecrisis. In jedem Altersabschnitt findet sich ein neuer Sündenbock. Am Ende ist immer die Gesellschaft schuld. Doch bilden nicht wir die Gesellschaft?
Die Welt in allen Farben
Mara Brügger (19)
Denkst du, den Liebesrausch gibt es? Wenn die Sterne nur so leuchten und die Welt nur so vor Farben sprüht. Wenn dein Herz bis zum Hals schlägt und dein Bauch voller Schmetterlinge ist. Du brauchst keinen Alkohol, der dich vergessen lässt, wer du bist oder der deinen Schmerz lindert. Falls doch: Was, wenn das Trinken nicht hilft? Da weißt du, dass es diese Pillen gibt, welche die Welt mit Farben erfüllen. Du kannst jemand anderes sein, jemand, der die Welt in allen wundervollen Farben sieht. Jemand, der nicht Du ist. Rausch lässt dich so sein, wie du sein willst. Für einen ach so kleinen Moment. Der Rausch, eine Art Fluchtmittel um dem seelischen Schmerz zu entgehen. Rausch: der Versuch glücklich zu sein? Beim Rausch der Liebe jedoch wird der Versuch zum Erfolg. Der Liebesrausch ist vielleicht der Rausch, der für ewig bleiben kann. Nicht wahr?