«Nicht nur die Schule muss ihre Geschlechterbilder überdenken, sondern auch Eltern und Medien» – schreibt eine Tageszeitung. Buchtitel wie «Die Jungen-Katastrophe», «Kleine Machos in der Krise», oder die «verweiblichte» Schule lassen den Schluss zu, diese sei schuld am Misserfolg vieler Buben. Nicht alle teilen diese Weltsicht und erweitern sie mit dem Hinweis: «Die Mädchen haben aufgeholt – muss man das gleich als Problem sehen?» Natürlich nicht. Doch es wird enger für die «kleinen (und grossen?) Machos». Während die Maturitätsquote der Frauen ansteigt, geht die der Männer zurück. Dasselbe ist an den Universitäten zu beobachten. An den pädagogischen Hochschulen studieren zu 78 Prozent Frauen. Derweil fehlt es in den naturwissenschaftlichen und technischen Studienfächern an männlichem wie weiblichem Nachwuchs.
Was tun?
Sind die Schulen feminisiert und technikfern? Wie ist es zu erklären, dass in Gymnasien, Hochschulen und Universitäten viele «Technik-scheu» sind? Studienfächer der Life-Science boomen. Der Wirtschaft fehlt es an gut ausgebildeten Fachkräften in den «harten» Disziplinen. Regelmässig beklagen Wirtschaftsbosse diese Tatsache. Besserung ist nicht in Sicht. Was ist zu tun?
Die Schule soll ihren SchülerInnen heute neue Räume eröffnen, in denen diese ihre Interessen erweitern und ihre Begabungspalette kennen lernen und ausbauen können. Auch in Fächern, die traditionell dem jeweils andern Geschlecht zugeschrieben werden. Dieser Erkenntnis sollte bereits im Kindergarten sowie in der Kita Rechnung getragen werden. Studien zeigen auf, dass Kinder bereits im Alter zwischen drei und sechs ein Verständnis für Geschlechtszugehörigkeit entwickeln. Die Spielecken mit den typischen Mädchen- oder Buben-Spielsachen liegen in Kitas und Kindergärten räumlich meist weit auseinander. Wird die räumliche Trennung der geschlechterspezifischen Spielsachen klein gehalten, spielen – so das Fazit der WissenschaftlerInnen – Mädchen wie Buben mit allen zur Verfügung stehenden Spielsachen.
Macht und Fürsorglichkeit
Verbirgt sich also hinter dieser an sich wenig spektakulären Erkenntnis der Schlüssel, um der Zwangsjacke alter Rollenbilder zu entwachsen? Was ist falsch daran, wenn beiden Geschlechtern bereits früh in ihrer Entwicklung die Möglichkeit geboten wird, sich einer geschlechtsneutralen Begabungspalette zu widmen? Scheint einfacher als die Realität. 2002 sagte der Trendforscher Matthias Horx den zunehmenden weiblichen Einfluss voraus. Heute spricht man vom «Female Shift», von der Verschiebung zum Weiblichen. Diese Verschiebung war und ist nicht ohne Anstrengung aller Beteiligten zu haben.
Der erwähnte Trend wird von einigen als Bedrohung wahrgenommen, für andere zieht sich das Tempo der Gleichstellung nach wie vor (zu) schleppend dahin. Frauen kämpfen seit Jahrzehnten unermüdlich um die gesellschaftliche Teilhabe an der Macht, Männer verteidigen sie. Dabei kann die Erfahrung, fürsorglich zu sein – auch für Männer – eine Bereicherung in ihrem Lebenslauf darstellen.