Heinz Gfeller (71) (von Hand notiert): Am liebsten rede ich ja, ganz klar, mit jemandem, von Angesicht zu Angesicht. Aber hier soll’s um die Hilfsmittel gehen.
Das älteste in meinem Leben – stimmt das wohl? – mag der Brief gewesen sein. Jemandem schreiben! Vielleicht haben die Eltern manchmal darauf gedrängt («Du musst dem Gotti danken!»); aber bald war das nicht mehr nötig. Je längere, desto bessere Briefe – vor allem, wenn das Gegenüber mithielt. Heute schreibe ich kaum mehr Briefe. Weil ich die Geduld nicht aufbringe? Geblieben ist mir allerdings, dass ich das meiste Schriftliche von Hand verfasse; das Gefühl, wie der Stift übers Papier gleitet, ja fliegt, ist unübertrefflich. Geblieben sind auch noch die Postkarten; zwar immer schwieriger zu finden, aber ein amüsanter Sport: Wie viel Geistreiches bringe ich auf die paar Zeilen? Meine Freunde benutzen unterdessen gern andere Techniken, aber eine Karte freut sie noch immer.
Über einem Brief kannst du brüten, etwas abändern. Das geht am Telefon nicht. Gesagt ist gesagt; doch du kannst immerhin nachhaken, erklären. Es ist ein Gespräch, leider ohne Blickkontakt. Ich telefoniere nicht besonders gern, ich weiss oft schnell nicht mehr weiter. Aber es ist den «Einbahn-Techniken» vorzuziehen.
Die Telefon-Frage heisst heute ja, jedenfalls für mich noch: 031 oder 079? Für mich gibt’s fast nur das Festnetz. Da bin ich zuhause, da nehme ich mir Zeit oder etwas vor, oder nehme zumindest ab, wenn sich jemand zu mir bemüht. Wenn ich aber draussen herumlaufe, im Zug sitze, in der Beiz…, da will ich weder anrufen noch angerufen werden. In der Natur oder unter Leuten – da will ich dort sein, nicht (geistig) anderswo. Ich bin dann halt «nicht erreichbar». Ich besitze ein altes Handy, das war zuweilen nützlich, ja vorgeschrieben (für einen Lehrer). Jetzt betätige ich es selten, am ehesten im Ausland. SMS so gut wie nie.
Da ahnt man schon: Auf den sogenannten sozialen Medien komme ich nicht vor. Ich habe da das Bild von einer «Dauer-Kommunikation», die mich abstösst. Es reicht mir, dies im Mail-Verkehr zu erleben: Kommt eine Antwort innert Minuten? Und ist das nötig? Ich will auch diesen Apparat nicht ständig in Betrieb haben.
Ich gebe zu, ich habe Probleme mit Apparaten. Aber auch: Alle die Menschen zu sehen, welche den lieben langen Tag auf Computer starren, das graust mich. Zum Mailen bin ich ebenfalls als Lehrer gezwungen worden. Jetzt verlangt es vor allem das UND. Mailen ist nötig, und praktisch, und vielseitig, alles gut. Nur hört man – und spürt es gelegentlich: Es ist bereits «out». Soll ich deswegen eine neue Mode mitmachen?
Valeria: Ist das «Nicht eine neue Mode mitmachen» nicht eher Trotz oder gar Ignoranz? Meinst du nicht, du könntest es ja einmal ausprobieren? Man hat mir auf jeden Fall immer gesagt, man soll sich nicht beschweren, bevor man es nicht ausprobiert hat.
Heinz: Ich gebe auch Trotz und mangelhafte Kenntnisse zu. Zunehmend erlaube ich mir zu entscheiden, was ich brauche – und was ich muss. Eine Alterserscheinung, sicher, aber auch die Suche nach dem Wesentlichen. Was ich also nicht brauche: pausenlose «Kommunikation», Instant-Botschaften. Und was ich nicht will: mir von einer mächtigen Industrie diktieren lassen, was ich anschaffe.
Valeria Wüthrich (17): Die Kommunikation und ihre verschiedenen Arten haben sich in den letzten Jahren extrem verändert. Ob man es glaubt oder nicht, als Viertklässlerin habe ich noch die Festnetznummern meiner besten Kolleginnen und meine eigene auswendig gelernt. Doch das hat sich stark geändert. Mittlerweile telefoniere ich nur noch selten, und schon gar nicht über das Festnetz. Da kommen nur noch gelegentlich irgendwelche Werbeanrufe. Am meisten kommuniziere ich über die sozialen Medien und gar nicht über extra dafür vorgesehene «Chatting Apps» wie z.B. WhatsApp. Ich weiss natürlich nicht, ob das bei allen Leuten so ist, doch ich verbinde die verschiedenen Apps jeweils mit ganz verschiedenen Anlässen zum Kommunizieren. Über Instagram schreibe ich mit meinen Kolleginnen eher über das Tagesgeschehen, Politik und gut aussehende Frauen. Wichtige Dinge wie die Schule werden dann über WhatsApp besprochen. Auch wenn ich meine Mutter etwas fragen muss, brauche ich WhatsApp. Für kurze Updates, in denen ich Freunden etwas zeigen will, brauche ich Snapchat. Da kommuniziert man eigentlich nur mit Bildern und Videos. All das tönt vielleicht kompliziert, ist es aber überhaupt nicht! Es ist um einiges praktischer als lange, langweilige E-Mails zu schreiben. Mit WhatsApp oder Instagram hat man innert kürzester Zeit eine Nachricht versendet und bekommt auch ziemlich bald wieder eine Antwort. E-Mails sind einfach nur nervig und öde. Die brauche ich nur in der Schule, oder eben hier beim UND. Andere Vorteile der sozialen Medien sind, wie sehr man miteinander verbunden ist und eben wie schnell alles ist. Ich lese keine Zeitungen, da ich alle Informationen direkt von den Sozialen Medien bekomme. Und zwar nicht von Journalisten, sondern von Leuten, die selber da waren. Dies ist nicht nur um einiges aktueller, sondern auch viel spannender. Und wenn ich dann eine Frage habe, kann ich direkt dieser Person eine Nachricht schreiben, egal, wo sie auf dieser Erde lebt. Das ist wirklich das, was ich am meisten schätze an der neuen Art der Kommunikation. Die Diversität, die verschiedenen Leute, welche man kennenlernt, und die vielen Informationen, welche ich sonst nirgends bekommen hätte.
Aber keine Angst. Das Schreiben habe ich noch lange nicht verlernt. Ich schreibe immer noch regelmässig Briefe und ab und zu Tagebuch. Auch meine Agenda ist nicht auf dem Handy. Ich habe ein blaues, dickes, fettes Notizbuch, in welches ich schreibe; und auch Postkarten versende (und bekomme) ich gerne. Nur weil man eine neue Art der Kommunikation braucht, heisst es ja noch lange nicht, dass man die alten vergessen muss.
Heinz: Hast du etwas gegen das Sprechen am Telefon?
Valeria: Nicht wirklich. Aber es braucht beinahe feste Planung vorher, da ich einen relativ stillen Ort brauche und mir auch Zeit dafür nehmen muss. Am Abend im Zimmer noch mit einer Freundin quatschen finde ich toll, doch nicht mitten am Tag nur um zu fragen, wo und wann man sich trifft.
Heinz: Glaubst du nicht (ich glaube es), dass du einseitig informiert bist, wenn du die Journalisten beiseite lässt und nur persönliche, subjektive Aussagen hereinholst?
Valeria: Glaubst du nicht, dass du einseitige Informationen bekommst, wenn du nur auf Journalisten hörst? Wenn ich Fakten und Zahlen will, finde ich die innert einer Minute auf Google. Wo findest du ehrliche und nicht von den Zeitungen zensierte und speziell dafür herausgesuchte Aussagen?