Woher kommt diese Leidenschaft für den Triathlon, was motiviert Darleen Pfister (21) zu Höchstleistungen und welche Bedeutung haben Podestplätze? Im Gespräch mit Marianne Scheuter (70) erzählt sie von ihrem Weg hin zum Profisport, ihrer persönlichen Motivation und weshalb Triathlon für sie auch eine Art Lebensschule ist.
Triathlon-Begeisterung
Darleen schwimmt, seit sie denken kann. Sie nahm als Kind bereits an regionalen und nationalen Wettkämpfen teil, sie läuft gerne und hat Freude am Velofahren. So richtig ausgebrochen sei das Triathlon-Feuer vor zwei Jahren am Sporttag des Gymnasiums, wo sie ohne grosse Vorbereitung den zweiten Rang erzielte. Danach begann sie gezielt zu trainieren und erreichte am Spiezathlon 2023 den dritten Rang. Damals entschied sie sich : «Triathlon erhält einen wichtigen Platz in meinem Leben, das passt zu mir und ist ein wunderbarer Ausgleich zum kopflastigen Studium und zur Politik». Darleen liebt alle drei Disziplinen und vor allem auch deren Kombination. Dies mache das Training sehr abwechslungsreich und es sei eine spannende Herausforderung, die Kräfte gut über eine grosse Distanz in drei Disziplinen optimal einzuteilen.
Darleen betont: «Ich mache all das aus intrinsischer Motivation und voller Leidenschaft. Triathlon ist gut für den Geist, die Seele, den Köper. Das Training macht einfach Spass: Ich liebe alle drei Disziplinen und bin mit mir in der Natur unterwegs».
Deshalb passe auch der Magazintitel «Schneller, höher, stärker» nicht wirklich zu ihrer persönlichen Motivation. Darleen strebt wohl danach, schneller zu werden und etwas Schwieriges zu meistern, aber dabei geht es vor allem um die persönliche Challenge, weniger um die Konkurrenz. «Das Glücksgefühl, nach einem Triathlon mit einem guten Resultat über die Ziellinie zu laufen, ist unbeschreiblich schön. In Vichy habe ich mir mit dem ersten Rang das grösste Geschenk gemacht».
«Das Glücksgefühl, nach einem Triathlon mit einem guten Resultat über die Ziellinie zu laufen, ist unbeschreiblich schön».
Darleen Pfister
Glück durch Bewegung
Manchmal gelange sie in einen Flow-Zustand, ein «Runner’s High»: «All meine Sinne sind dann wach, ich bin völlig bei mir selbst und spüre meinen Körper intensiv. In diesem Zustand schwimme, fahre oder laufe ich wie von alleine. Es fühlt sich an wie fliegen. Das Adrenalin fliesst durch den Körper und je mehr Gas ich gebe, desto stärker wird das Glücksempfinden. Andere erleben diese Gefühle wohl durch Drogen – ich mit Intervalltraining.
Ein Teil der Freude liegt darin, an die eigenen Grenzen zu gehen, sie zu erweitern. Es ist anstrengend, aber ich spüre die Harmonie zwischen Körper und Geist und die Wirkung meines Trainings. Diese Anstrengung ist kein Müssen, es ist ein Wollen, das mir Kraft gibt».
Die Komfortzone verlassen
Darleen fasziniert alles, was ausserhalb ihrer Komfortzone liegt, nicht nur im Sport. «Es macht mir grossen Spass, in neuen Situationen meine optimale Leistung «herauszukitzeln. Ich treibe Sport weder verbissen, noch habe ich eine masochistische Seite. Der Sport ermöglicht mir, über mich selbst hinauszuwachsen, meine Handlungsfelder und meinen Horizont zu erweitern und meinen Mut für neue Herausforderungen zu stärken».
Harmonie zwischen Körper und Geist
Darleen betont, dass für sie im Triathlon nicht nur der Sieg zählt, sondern ihre individuelle Leistung am jeweiligen Tag, denn jeder Triathlon ist anders: Gelände, Wetter, aktuelle Verfassung, die Konkurrenz. Für Darleen zählt, ob sie selbst alles, das beste von sich an diesem Tag und mit diesen Konkurrentinnen gegeben hat. Es geht darum, die eigene Leistung richtig einzuordnen. «Wenn ich mein Bestes gegeben habe, bin ich glücklich».
«Wenn ich mein Bestes gegeben habe, bin ich glücklich».
Darleen Pfister
Dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit macht sie stolz, erfüllt sie: «Ich stecke Energie hinein und erhalte genau das zurück, was ich investiert habe. Ich lebe den Sport für mich, nicht für andere».
Ein mentales Game mit den inneren Instanzen
Darleen kämpft nicht verbissen und «um jeden Preis». Aber «Leiden» gehöre natürlich zum Leistungssport: Anstrengende Intervalle aushalten, auch wenn die Muskeln brennen. Diese Art von Leiden ist nicht zu verwechseln mit den Schmerzen bei Verletzungen oder Überforderung. Viele Menschen assoziieren Leistungssport deshalb mit negativen Bildern. Doch für Sportler:innen wie Darleen macht gerade diese physische Challenge den Reiz aus und gehört dazu.
Darleen hat gelernt, zwischen warnendem und aushaltbarem Schmerz zu unterscheiden – ein wesentlicher Aspekt im Leistungssport. Durch strukturiertes, periodisiertes Training gelingt es ihr, auch mit Hilfe ihres Coachs, intensive Trainingsperioden zu meistern und Erholung bewusst einzuplanen.
Im Wettkampf spielt Darleen ein mentales Spiel mit sich selbst – es entsteht ein Dialog zwischen dem Körper, der Komfort sucht und dem Kopf, der weiss, dass Anstrengung per se nichts Schlimmes ist. «Im Wettkampf ist das ein ständiges Ringen: der Komfort suchende Teil von mir gegen den Teil, der Anstrengung akzeptiert».
Deshalb schreibt sich Darleen ihr Leitwort: «Wottsch?» vor jedem Wettkampf auf die Hand und motiviert sich so, ihr Bestes zu geben, auch wenn es phasenweise sehr hart wird.
Der Sieg in Vichy und die Konsequenzen
Mit dem Sieg in Vichy und der Qualifikation für die Amateur-WM 2025 Ironman 70.3 in ihrer Alterskategorie hat sich Darleen selbst überrascht. Und dieser erste Rang verändert ihre Zukunft massgeblich. Bis dahin sah sie Triathlon als ambitioniertes Hobby, jetzt richtet sie zunehmend ihr Leben und ihre Pläne für die nächsten Jahre danach aus. Leistungsorientierter Sport verlangt «Opfer» und Anpassungen des früheren Alltags sind zwingend, die Prioritäten verschieben sich.
«Vor allem gebe ich mir selbst endlich die Legitimation, dem Sport dieselbe Wichtigkeit einzuräumen wie dem Studium und meinem politischen Engagement. Damit tue ich erstmals etwas nur für mich! In der Politik und in der Ausbildung muss ich immer wieder abliefern, jetzt darf ich mir selbst etwas ganz Wichtiges geben und das ist sehr schön».
«Der Sport erhält dieselbe Legitimation wie Studium und politisches Engagement – jetzt tue ich erstmals etwas nur für mich und das ist sehr schön.»
Darleen Pfister
Das Coaching durch den erfahrenen Trainer, der Austausch mit anderen Triathlet:innen und der Trainingsplan helfen, die eigenen Bedürfnisse und Ziele ernst zu nehmen. Das Training wird genauso sorgsam geplant wie andere Pflichten. Für gute Resultate ist Erholung sehr wichtig: ausreichend Schlaf, Stressreduktion.
Und dennoch: «Ich brauche beides, um glücklich zu sein – den Sport und das Engagement für die Gesellschaft. Der Sport erlaubt mir persönliche Erfüllung und Selbstverwirklichung und das politische Engagement schafft Sinn». Darleen bleibt deshalb weiterhin im Vorstand des Dachverbands Schweizer Jugendparlamente, verzichtet im Moment aber auf weitere Ämter. Den Bachelor plant sie in vier statt in den üblichen drei Jahren abzuschliessen.
Kein Leistungssport ohne Sponsoring
Diese «Disziplin» des Profisports fällt Darleen wirklich schwer. «Ich muss den Star spielen und meine Erfolge und sportlichen Ziele im Sponsorendossier hervorheben. Das liegt mir gar nicht, ich mag nicht prahlen, ich stehe nicht gerne im Rampenlicht. Im Studium oder in der Politik vertrete ich eine Sache. Im Sport muss ich mich und meine Erfolge ins Zentrum stellen. Aber die Profilizenz, eine gute Ausrüstung, das Reisen und die Startgelder sind teuer – ohne Sponsoren ist professioneller Triathlon gar nicht möglich».
Zukunftspläne – wie geht es weiter?
In Bezug auf den Triathlon möchte Darleen nächstes Jahr die Profilizenz erwerben und bei der IRONMAN 70.3-Weltmeisterschaft in Marbella einen Podiumsplatz in ihrer Alterskategorie erreichen. «Damit kann ich mir selber beweisen, wieviel ich in nur zwei Jahren erreicht habe».
«Ich möchte ein Leben führen, das mich glücklich macht. Ich möchte ein kreatives und selbstbestimmtes Leben führen mit Raum für mehrere Disziplinen: den Sport, politische Projekte, einen erfüllenden Beruf. Ich möchte nie feststecken, sondern immer wieder Grenzen bewegen, mich als Mensch immer weiterentwickeln».
Frauen wie Laura Philipp (IRONMAN-Weltmeisterin 2024) und Marlen Reusser (Olympia-Zweite im Zeitfahren 2020) sind Vorbilder für Darleen: Sie haben spät mit ihrem Sport gestartet und immer wieder Neues gewagt. Vielleicht gerade deshalb sind sie beruflich und sportlich so erfolgreich im Leben unterwegs.
Triathlon als Lebensschule?
Darleen sucht immer wieder Spielräume, persönliche Entfaltung, neue Perspektiven. Sie ist neugierig, abenteuerlustig und mutig. Triathlon fordert und fördert diese Qualitäten: «Ja, es ist manchmal anstrengend und unbequem, aber der Wille, über mich hinauszuwachsen, ist ein Lebensmotor». Triathlon ist für Darleen kein Müssen, sondern ein ganz grosses Wollen.
Darleens Fazit aus den letzten zwei Jahren: «Ich kann mein Leben selber gestalten, auch wenn es manchmal anstrengend und unbequem wird und ich möchte aus dem, was ich zur Verfügung habe, immer wieder das Beste machen – mit dieser Haltung kann ich viele Situationen im Leben kreativ und zufrieden bewältigen».