Im St. Gallischen hat er eine Schreinerlehre gemacht, anschliessend in Biel Holzbau studiert und dann als Holzbauingenieur gearbeitet. Vor 25 Jahren gründete Stefan Zöllig (55) die Firma Timbatec, ein Holzbauingenieurbüro in Thun. Sein Motto: Wir planen nur Holzbauten. Wir können nichts anderes und wollen auch nichts anderes.
Annemarie Voss: Holzhäuser in der Schweiz haben Tradition, Chalets und auch Bauernhäuser. Nach einigen Jahren verändert sich das Holz durch Witterungseinflüsse, was wird mit eurem Haus passieren?
Stefan Zöllig und Regular Bircher: Genau das gleiche. Die Fassade ist aus unbehandeltem Holz, Douglasie. Ein Schweizer Baum, da haben wir grössten Wert drauf gelegt. Auf dem Grundstück stand ein kleines Haus. Doch obwohl das Grundstück nicht besonders gross war, wollten wir verschiedene Varianten prüfen. Wir haben drei Architekten eingeladen und sie gebeten, uns Vorschläge zu machen. Einmal mit Erhalt des bestehenden Hauses und einmal mit Abbruch und Neubau. Eine grosse Wohnung für uns, plus zwei bis vier kleine Mietwohnungen Der Zuschlag ging an einen Architekten, der vorschlug, das Haus stehen zu lassen und nur an beiden Enden zu verlängern. Leider war das bestehende Haus in einem so schlechten Zustand, dass es neu gebaut werden musste. Vom alten Haus haben wir die ungefähre Geometrie und die Form des Daches übernommen.
«Der Wald ist eine ideale Fabrik. Er stellt «kostenlos» Baumaterial her, die Herstellung stinkt nicht und macht keinen Lärm.»
Stefan Zöllig
War es eine Vorgabe an die Architekten, das Haus ohne Heizung und ohne Beton zu bauen?
Ohne Heizung war klar. Wir haben so viele Häuser aus Holz gebaut mit Heizungen, die gar nicht gebraucht werden, weil Holzhäuser optimal isolieren. Dass wir allerdings das ganze Haus, inklusive Keller, ganz aus Holz bauen wollten, stellte sich erst während der Planung heraus.
Habt ihr keine Probleme mit Feuchtigkeit im Keller?
Wir sind die ersten, die in der Schweiz ein Haus mit einem Keller aus Holz bauten. In der Nähe von Augsburg in Deutschland gibt es das schon. Wir haben die BewohnerInnen besucht und mit ihrer Hilfe haben wir uns das zugetraut. Wir überprüfen laufend mit einem Feuchte-Monitoring, ob es unter dem Holz trocken bleibt. Bisher funktioniert das sehr gut.
Wie habt ihr den ersten Winter ohne Heizung überstanden?
Es war nicht ganz optimal, wir hatten Probleme mit unserem Lüftungsgerät. Dieses saugt die warme und verbrauchte Luft ab und übergibt die Wärme an die Frischluft. Das Gerät hatte ein Steuerungsproblem. Im Februar wurde dann die Steuerung ausgetauscht und seither funktioniert es perfekt.
Funktioniert das auch zum kühlen?
Ja, wir waren sehr froh diesen Sommer, draussen war es 33 Grad und drinnen 25 Grad. Als Ingenieur kann ich ja alles ausrechnen, aber dass es dann wirklich so gut funktioniert, hat mich doch erstaunt. Bei Schneegestöber und Wind bei minus 5 Grad und drinnen ist es 20 Grad, ohne irgendwo ein «Feuerchen» machen zu müssen. Das hat mich sehr fasziniert. Es braucht tatsächlich keine Heizung, das ist nur so eine Idee, die man hat.
«Wir entwickeln neue Produkte und Bauarten, sodass wir im Bau vollständig auf Stahl und Beton verzichten können.»
Stefan Zöllig
Wie kann man am Hang ohne Beton bauen, hast du keine Angst, dass es rutschen könnte?
Angst nicht, aber Respekt schon. Ein Betongebäude von dieser Grösse wiegt etwa 400 bis 500 Tonnen. Hier hat man die Erfahrung, dass es fest steht und nicht wegrutscht. Unser Holzgebäude wiegt nur etwa 156 Tonnen. Wir messen nun halbjährlich, ob das Haus noch am gleichen Ort steht. Bis jetzt hat es sich nicht bewegt. Das gibt uns wichtige Erkenntnisse für die Zukunft, wenn wir weitere solche Häuser bauen wollen.
Warum habt ihr ohne Beton gebaut?
In diesem Haus hätten wir für den Keller etwa 150 Kubikmeter Beton gebraucht. Beton hat einen grossen CO2 Ausstoss von circa 500 Kg pro Kubikmeter, bis er auf der Baustelle ist, das entspricht etwa 5000 Km Autofahren. Holz dagegen speichert rund 1000 Kg CO2 pro Kubikmeter. Das ist aber kaum jemandem bewusst, man sieht es nicht, man riecht es nicht.
Ich bin Holzbauingenieur und Entwickler. Schlecht über Beton reden ist einfach. Schwieriger ist es, etwas Besseres zu bieten. Deshalb entwickeln wir neue Produkte und Bauarten, sodass wir am Bau vollständig auf Stahl und Beton verzichten können. Wir haben sogar vor acht Jahren aufgehört, Holz-Beton-Verbundecken zu bauen.
Ich habe den Vorstoss «Dekarbonisierung von Infrastrukturbauten mit Hilfe von Holz» unterstützt. Dieser ist im National- und Ständerat im Juni, beziehungsweise im November 2021 durchgekommen. Was der Vorstoss verlangt: Bei neuen Infrastrukturbauten muss der Bund zuerst prüfen, ob sie aus Holz gebaut werden können.
Haben wir genug Holz für solche Unterfangen?
Holz haben wir genug, aber die entsprechende Industrie fehlt. Allerdings hat in den letzten etwa fünf Jahren eine grosse Investitionstätigkeit stattgefunden, es entstanden neue Sägewerke und Brettsperrholzwerke. In der Schweiz wachsen jährlich etwa 10 Millionen Kubikmeter Holz nach, etwa 8 Millionen Kubikmeter davon wären nutzbar. Wir nutzen jedoch nur etwa 5 Millionen Kubikmeter pro Jahr.
Wenn ein Gebäude mit Holz gebaut wird, wird pro Kubikmeter etwa 1000 Kg CO2 gespeichert. Der Wald ist eine ideale Fabrik. Er stellt «kostenlos» Baumaterial her, die Herstellung stinkt nicht und macht keinen Lärm. Leider ist es so, dass man einen grossen Teil der Bäume aus dem Wald nimmt und verbrennt, um Häuser zu heizen. Auch wird das Holz für Bauprodukte eher ineffizient genutzt. Wenn es für alle reichen soll, müssen wir die Ausnutzung massiv erhöhen. Im Moment finanzieren wir vier grosse und mehrere kleine Forschungsprojekte, die unter anderem auch erforschen, wie dünne, kleine und krumme Bäume am Ende ihrer Lebensdauer ebenfalls noch als Baumaterial nutzen können. Gemeinsam mit Forschungsinstituten in der Schweiz, Österreich, Deutschland und USA entwickeln wir die erforderlichen Prozesse.
Ihr habt Fotovoltaik auf dem Dach, könnte ihr damit euren Bedarf decken?
Wir produzieren in einem Jahr mehr Strom, als wir verbrauchen. Wir haben eine Batterie, die aufgeladen wird, wenn die Sonne scheint. Über Nacht wird sie wieder entladen. Wenn es länger bewölkt ist, beziehen wir Strom aus dem Netz. Der Begriff «autark» trifft also in Summe zu, im Detail aber nicht. Für ein 100% autarkes Gebäude wäre der Aufwand unverhältnismässig hoch. Aber wir sind ganz zufrieden und würden es wieder gleich machen.
Was bedeutet Autarkie?
Autarkie ist die wirtschaftliche Unabhängigkeit eines Privathaushalts, einer Region oder eines Staates durch die vollständige oder teilweise Selbstversorgung mit Gütern und Dienstleistungen.
Überraschend, unerhört spannend!