Das erste Zusammentreffen fand am letzten Generationenfestival statt. Mit links stemmte er schwere Tische und Bänke, kannte die nötigen Handgriffe und versprühte mit seiner aufmunternden Art viel gute Laune. Welch ein Multitalent, dachte ich schon damals.
Ich treffe in der Folge in verschiedenen Arbeitsgruppen mit Arbër zusammen, denn er interessiert sich für viele, nein, für sehr viele, wenn nicht fast für alle Themen, die UNDs bewegen. Er engagiert sich als Moderator bei UND der Generationentalk und arbeitet in der Kernredaktion und im Multimedia-Team mit. Er diskutiert mit Sachkenntnis, ruhig und besonnen, stets freundlich und mit ehrlichem Interesse am Gegenüber.
Arbër – der Goldmacher
Vor unserem virtuellen Gespräch suche ich im Netz, was über Arbër Shala zu finden ist. Nach einem Abstecher zum Bild des deutschen Profifussballers bleibe ich beim Namen an sich hängen und beschliesse, ihn gleich zu Beginn darauf anzusprechen.
Er habe ab 17 Uhr Zeit, schreibt er mir. Vorher sei er unterwegs. Ich lasse ihn in die Zoom-Sitzung eintreten und sehe als Erstes ein farbiges Thuner Panorama. Arbër wohnt in Thun, liebt Thun und sieht Thun als seine Heimat. Er sei bei seinen Studienkollegen bekannt, schon fast berüchtigt, dass er bei jeder Gelegenheit über Thun spreche, lacht er. Wo er denn «unterwegs» gewesen sei, frage ich zur Einleitung. In einer Oberstufe in Steffisburg, wo er im Rahmen seines Engagements bei JuRep 2.0 eine Klasse in die Möglichkeiten für multimediale Berichterstattung eingeführt habe. Damit tut sich gleich ein grosser Themenfächer auf. Aber ich leite das Gespräch zurück zum Namen.
Arbër sei wohl der albanischste aller albanischen Namen, erklärt er. Und weiter: «ar» komme von albanisch für Gold und «bër» bedeute machen. Der Goldmacher also. Auch Shala sei ein sehr häufiger albanischer Name und so sei es nicht verwunderlich, dass es mehrere Menschen mit dieser Namenskombination gebe. Nein, verwandt sei er nicht mit dem deutschen Fussballer. Wobei: «Fussball…», er lässt sich das Wort auf der Zunge vergehen und strahlt, das sei schon etwas, wofür er sich begeistern könne. Er hätte viel mit seinem Vater gespielt. Doch Profi, nein, das hätten sie beide für eine zu unsichere Laufbahn gehalten.
Familie und Herkunft
Die Eltern, der Bruder, der Onkel, alle kommen sie mehrmals vor im Gespräch. Familie bedeutet ihm viel, ist Heimat, EINE Heimat, betont Arbër und erzählt von seinen Eltern. Sie sind mit dem Einjährigen in die Schweiz ausgewandert. Der Vater setzte sich als Parlamentarier in den 90er-Jahren für die Proklamierung und Unabhängigkeit der Republik Kosovo ein. Die Eltern sahen aber bereits vor Kriegsausbruch wenig Zukunftschancen für sich und ihre Ansichten und fühlten sich zudem gefährdet. Nach einer langen Odyssee kamen sie schliesslich von Kreuzlingen über Bönigen nach Steffisburg, wo die Eltern heute leben. Sie sehen ihr Leben hier positiv, auch wenn sie nie eine Arbeit gefunden haben, die ihren Ausbildungen entsprochen hätte. Wichtig sei, in einem demokratischen und sicheren Land zu leben und ihren zwei Söhnen – Arbër hat einen jüngeren Bruder – eine gute Zukunft zu ermöglichen.
Der doppelte Arbër
Arbër fühlt sich im Kosovo zuhause. Er kennt die Bräuche, die Feste, das Essen, liebt die Sprache und hängt an der Herkunftsgeschichte seiner Familie, an seinen kosovoalbanischen Wurzeln. Arbër ist Schweizer, Thuner vor allem, spricht Berndeutsch und nimmt an allem teil, was um ihn herum geschieht. Er lebt in Gegensätzen, so lange er zurückdenken kann. Mittlerweile ist er Experte für ein Leben zwischen den Kulturen und offen für Fragen nach dem Woher und Wohin.
Wenn er einmal eine Familie haben sollte, dann werde er seinen Kindern diese Liebe zur Sprache und Heimat im Kosovo weitergeben. Auch die Herzlichkeit und Offenheit, die Gastfreundschaft, wie er sie von klein auf kennt, möchte er ausleben.
Auf der anderen Seite schätzt er Ordnung, Verlässlichkeit und Sicherheit seiner Schweizer Heimat über alles. Auch etwas zum Weitergeben, betont er. «Ich pendle also zwischen zwei Heimaten», schrieb Arbër im Beitrag für UND.
Der in zwei unterschiedlichen Schuhen läuft
Ein noch schöneres Bild für den doppelbeheimateten Arbër liefert er gleich selbst, als ich ihn nach Dingen frage, die ihn nicht interessieren. Gartenarbeit sei weniger für ihn, meint er zuerst. Er bewundert zwar Menschen mit einem grünen Daumen wie seine Eltern, die einen Familiengarten bebauten. Er sei immer gerne hingegangen, aber selber ackern, nein, das mag er nicht besonders.
Doch dann kommt schnell der Begriff «Fashion». Das sei nicht lebenswichtig. Zwar schwärmte er als Teenager für Schuhe, insbesondere mixte er gerne Schuhpaare und war damit stets gut zu Fuss. Welch doppelsinniges Bild für den doppelten Arbër!
Mit einem kreativen Kleidermix eine persönliche Aussage machen, das ist aber durchaus in seinem Sinn. Überhaupt das Kreative: Schreiben, Theater, Malen, Tanzen, Multimediales. Nicht zu vergessen Politik, Soziales, Geschichte, Sport.
Multimediale Produktion
Das Studium ist von all seinen vielen Aktivitäten seine liebste Beschäftigung. Er findet erst auf Umwegen dazu: Entsprechend den Wünschen seiner Eltern nach einer soliden Ausbildung, aber auch wegen beeindruckender Lehrpersonen und weil er gerne vor Leuten spricht, schreibt er sich an der Pädagogischen Hochschule ein. Da gibt es vieles zu lernen, aber auch viel Theorie. Arbër aber sucht das Praktische und beherzigt den Ratschlag seines Onkels, den man mit «Lebe deinen Traum!» zusammenfassen könnte, und wechselt an die Fachhochschule. Im Studiengang «Multimedia Production» lernt er Inhalte zu konzipieren und sie multimedial umzusetzen. Ein Studium, das ihm wie auf den Leib geschrieben ist. Er, der sich für so vieles interessiert, erhält da die nötigen Werkzeuge und lernt Techniken, wie optimal aufbereitete Inhalte in geeignete Kommunikationskanäle zu leiten sind. Er ist jetzt mitten im Bachelor-Studium und würde auch gerne noch einen Master anhängen.
das Grösste…: «Showmaster mit einer eigenen Show!»
Klein-Arbër, der Gottschalk-Bewunderer
Sein Ziel? Es wäre nicht Arbër, hätte er nicht gleich viele Ziele! Er will mal sicher «kein Fachidiot sein». Er würde gerne in einer Redaktion mitarbeiten, aber auch Moderieren kann er sich gut vorstellen. Oder – das Grösste…: «Showmaster mit einer eigenen Show!» Was hat er doch als Bub Thomas Gottschalk bewundert!
Laut und leise
Der Showmaster stünde ihm gut, denke ich und erinnere mich an unsere erste Begegnung am Generationenfestival 2019. Doch da ist auch der nachdenkliche Mensch, der im einstündigen Gespräch überall durchschimmert. Einer, der kulturelle Unterschiede respektiert, weil er sie an sich selber so gut kennt. Einer, der sich zwischendurch auch einsam fühlt, weil er sich nicht nur für coole Dinge interessiert. Arbër, der liebend gerne Richard David Precht zum Titel seines Bestsellers «Wer bin ich und wenn ja, wie viele?» befragen möchte, ob er ihn immer noch so abfassen würde. Arbër, der die Selbstdarstellungssucht auf den Sozialen Medien verfolgt und den die Frage beschäftigt, woher das Ausmass der dortigen Radikalisierung kommt. An Stoff für weitere Gespräche mangelt es nicht!
4 Fragen an Arbër
Wofür würdest du mitten in der Nacht aufstehen?
Für die Familie und für meine engsten Freunde.
Welche wichtige Person/Persönlichkeit möchtest du einmal treffen?
Mit Richard David Precht oder Harald Lesch würde ich sehr gerne über unsere Gesellschaft sinnieren.
Wieso machst du bei UND mit?
Mich fasziniert es, wie viel ich unter den Generationen lernen kann. Der Generationendialog motiviert mich, dabei zu sein.
Was bringt dich auf die Palme?
Ignorante und intolerante Menschen.