
Liebe Lisa, woher kommst du?
Ich bin in Wichtrach aufgewachsen. Das ist ein relativ grosses Dorf, aber immer noch ganz ländlich geprägt, was mir sehr entgegen kommt, denn ich bin überhaupt kein Stadtmensch. Ich habe zwei Geschwister und im Dorf viele Verwandte. Meine grosse Schwester ist schon von zu Hause ausgezogen, aber zusammen mit meinen Eltern und meinem jüngeren Bruder wohne ich noch in unserem Haus. Ich verbrachte eine glückliche Kindheit. Wir spielten meistens draussen im nahen Wald. Das war ein wunderbarer Spielplatz für uns. Die drei Schwestern meiner Mutter und auch meine Grosseltern wohnen mit ihren Familien alle hier im Dorf oder in der näheren Umgebung. Meine Grossmutter lädt bis heute am Sonntag oft die ganze Sippe zum «Brätle» ein. Ich geniesse die Zusammengehörigkeit in unserer grossen Familie. Aber auch meine Freundinnen und Freunde im Dorf gehören zu meiner Kindheit. Sie sind bis heute sehr wichtig für mich, obwohl ich nun durch das Studium viele neue Menschen kennengelernt habe.
Wo stehst du im Moment?
Ich wohne noch zu Hause, aber ich spüre, dass es nun Zeit wird, mich auf eigene Füsse zu stellen. Es ist nicht so, dass ich mich zu Hause nicht mehr wohl fühle, aber ich habe heute eigene Ideen und Träume und würde einiges anders machen als meine Eltern. Aber ich kann ja nicht alles ändern, weil es mir im Moment nicht passt. Deshalb habe ich das Gefühl, dass ich eigene Erfahrungen sammeln sollte. Vor einem Jahr startete ich mein Studium an der Pädagogischen Hochschule in Bern. Da ich die Mädchengruppe unseres Turnvereins leite, war mir bald klar, dass ich gerne mit jungen Menschen arbeite. Erst stand eine Ausbildung als Sportlehrerin für mich im Vorderrund, aber ich merkte bald, dass mich der Beruf der Lehrerin generell interessiert. Als Schülerin hatte ich sehr gute Lehrpersonen, doch ich machte auch einige schlechte Erfahrungen. Es ist deshalb mein Wunsch, eine «gute» Lehrerin zu werden.
Bei Diskussionen und im Umgang mit anderen Menschen suche ich meistens einen Kompromiss und hoffe, etwaige Wogen zu glätten. Kürzlich schrieb ich zum Beispiel eine Arbeit über Regenbogenfamilien. In Wichtrach stehen die Menschen diesen Entwicklungen skeptisch gegenüber, und ich bedaure es manchmal, dass ich schweige, wenn zu solchen Themen gedankenlose Bemerkungen fallen.
Wohin gehst du?
Ich will jetzt vor allem mein Studium abschliessen. Danach möchte ich natürlich berufliche Erfahrungen sammeln. Und dann? Nun, es ist vielleicht heute nicht ganz zeitgemäss und ziemlich speziell, aber ich träume von einer eigenen Familie – Mann, Kinder, Haus und Hund. Damit stosse ich in meinem Umfeld oft auf Unverständnis. «Was, du willst Hausfrau werden? Den ganzen Tag zu Hause mit den Kindern? Das ist doch langweilig.» Aber ich finde die Perspektive, eine Familie zu haben, einfach schön. Das heisst aber nicht, dass ich nicht berufstätig sein möchte. Als Lehrerin hat man immer die Möglichkeit wieder einzusteigen. Es wäre dann mein Wunsch, mit einer dritten oder vierten Klasse zu arbeiten. In diesem Alter sind die Kinder noch so begeisterungsfähig. Ich könnte ihnen so viel mit auf den Weg geben.
Für mich, für unser Land und für die kommenden Generationen wünsche ich mir, dass wir es schaffen, unsere Umwelt und das Klima wieder in ein Gleichgewicht zu bringen, und dass es bei allen Klimaleugnern endlich «Klick» macht. Ich ging nie zu den Klimademonstrationen. Aber ich lernte schon zu Hause, dass es auf jede Einzelne und jeden Einzelnen ankommt, wenn wir etwas ändern wollen. Und das möchte ich später meinen Schülern und meinen Kindern mit auf den Weg geben.