«Sie sprechen ja so gut Berndeutsch!», sagen ihr die Kunden hin und wieder in ihrem Arbeitsalltag und schicken gleich eine Handvoll Fragezeichen hinterher. Touria Hilaly (34) erzählt mir dies lachend via Zoom. So richtig übel nehme sie diese Neugierde nicht, ausser es töne gehässig. Aber, doch, ja, manchmal fühle sie sich schon etwas diskriminiert. Sie sehe halt etwas anders aus, doch sie sei in Bern geboren und aufgewachsen und «goppeletti, ich kenne nichts anderes!» Touria ist stolz auf ihre multikulturelle Familiengeschichte, die quer durch Europa und bis in den Maghreb führt. Sie streift kurz die Liebesgeschichte ihrer Eltern, erwähnt eine ältere Schwester und dann den Vater, der seit Tourias Jugendzeit nicht mehr bei der Familie lebt. Erzählt, dass sie jetzt in Hinterkappelen mit ihrem langjährigen Partner wohnt, seit Kurzem auch mit Nala, einem jungen Labrador Border Collie. Dass sie gerne Sport treibt, reist, liest, Freunde trifft, künstlerische Interessen hat, Vollzeit arbeitet und sich gerne in der Freiwilligenarbeit mit Generationen einbringt, da sie es mit vielen Menschen, egal ob alt oder jung, gut könne. Stopp! Schön der Reihe nach…
«Wenn man etwas will im Leben, dann geht es dann schon!»
Touria Hilaly (34)
PR-Frau fürs Generationenfestival
Touria hat sich für die Mitarbeit im PR-Team von UND Generationentandem gemeldet und uns dafür einen professionellen Lebenslauf zugestellt, der einen ganzen Strauss von Interessen, Fähigkeiten und Erfahrungen offenbart. Am Telefon hat mir eine muntere Stimme entgegengesprudelt und eines ist sofort klar gewesen: hier hat man es mit einer zupackenden Person zu tun. Bloss, was kann sie am besten, was tut sie am liebsten? Wie viel Zeit hat sie denn tatsächlich?
Ideen und Anregungen kommen bereits in der ersten PR-Team-Sitzung via Zoom: «Man könnte…», «wie wär’s…?» «kann ich machen…». Dieser Macherin muss man ein ganzes Paket übergeben, mit dem sie sich austoben kann. Das Paket heisst nun PR fürs kommende Generationenfestival.
Wie der Herr so das Gescherr
Nala, der Labrador Border Collie mit den weissen Pfoten, ist im Lockdown zu Touria und ihrem Partner gekommen. Beide haben den Hund – eine Sie – gleich ins Herz geschlossen und sind gerne mit ihr auf Abenteuer aus. Ich google die Hunderasse und lese: «Sein Charakter sei freundlich, vom Wesen her ist der Borador neugierig und dabei.» Passt, denke ich, während ich Touria zuhöre: Immer schon hätte sie gerne einen Hund gehabt. Als ihre Mutter damals schliesslich einwilligte und einen Familienhund aufnahm, war sie es, die sich gemeinsam mit der Mutter für den Hund begeisterte und sich um ihn kümmerte. Jetzt ist der Hundewunsch erneut von ihr ausgegangen; aber ihr Partner und Nala seien nun auch ein Herz und eine Seele. Leise Zweifel, wie das denn gehen solle, wenn die hundekompatible Homeoffice-Zeit vorbei ist, wischt sie weg: «Wenn man etwas will im Leben, dann geht es dann schon!»
«Wie viele Stunden hat dein Tag?»
Nach der Schule meldet sie sich zum Vorkurs, zur KV-Ausbildung, geht zur Schule, doch irgendwie passt es nie so ganz. Schliesslich landet sie im Service. Doch auch da stimmt so manches nicht. Touria ärgert sich über sich, schlägt einen neuen Nagel ein, diesmal den richtigen und die Karriere nimmt Fahrt auf. Über ein Praktikum und eine Weiterbildung kommt sie zum Studium der Kommunikation und Psychologie, schliesst ab und erfüllt «nebenbei» noch eine hochprozentige Anstellung bei einer Bank. Es sei manchmal schon anstrengend gewesen, meint Touria. Sie springt aber gleich weiter zum Sport, für den sie Zeit braucht. Liebste Sportart? Gibt es nicht: Auch hier muss sie immer neue Sachen ausprobieren. Fitnesstraining, Boxen, Mountainbike, Wandern. Yoga praktiziere sie jetzt schon mehr als zwei Jahre regelmässig… Etwas atemlos frage ich: «Wie viele Stunden hat denn dein Tag?» Touria hält inne: «Frag mich etwas anderes.»
Manchmal stehe sie sich selbst im Weg mit ihrer Impulsivität, mit ihren Kurzschlusshandlungen, ihren Engagements. Doch nichts zu tun, sei noch viel schlimmer.
«Was ich mache, mache ich voll…»
…meint sie und ich glaube ihr aufs Wort. Zu oft habe ich schon erlebt, wie sie Sitzungen aufmischt. Aktiv bleiben und wenn’s mal nicht rund läuft – auch das gibt’s in Tourias Leben –, heisst es Lösungen suchen, ausprobieren, denn: «Vielleicht liegt da der Schlüssel für mein Problem!»
Hat sie einmal Zeit für sich selbst, dann gibt es eine lange Liste mit liegengebliebenen To-dos. Oft taucht sie dann trotz (eher ob?) alledem in einen Schmöker ab oder aber legt ein Puzzle. Beinahe meditativ, denke ich, doch da erinnere ich mich, dass sie mir vor einiger Zeit von einem 1000-teiligen Puzzle mit Disneys Dalmatinerhunden erzählte… auch Entspannung funktioniert bei ihr offensichtlich bloss unter Hochspannung.
Abschalten und geniessen kann sie aber schon. Zum Beispiel auf Reisen in Frankreich, oft an die Côte d‘Azur, in Afrika, wo sie magische Tierwelten entdeckte oder auch – weniger spektakulär – in die Ferienwohnung ihrer Mutter im Berner Oberland. Reisen liegt ihr besonders am Herzen und sie hofft, dass die Pandemie es bald wieder zulässt. Wobei – die Pandemie habe auch etwas Gutes: Die vielen Ausflüge zu ihrer Mutter in die noch neue Wohnung seien schlicht schön gewesen und hätten sie auch ihrer Mutter nahegebracht. Diese sei wie sie eine Kämpferin und für sie ein Vorbild.
Physische Begegnung, das entscheidende Puzzlestück
Zurück zum Puzzle «Touria»: verschiedene Nationalitäten, Kulturen und Religionen, ganz unterschiedliche Arbeitserfahrungen, viele FreundInnen allen Alters prägten sie. Welches Puzzleteil ist ihr wohl bisher das bedeutendste? Touria wird plötzlich ruhig, denkt lange nach, ihr Blick geht über den Bildschirmrand nach oben an die Zimmerdecke; mit einer Hand streicht sie die Haare über die eine Schulter, holt tief Atem und dann kommt‘s: Für sie sind es Humor, positiv denken, aktiv sein und Hoffnung bewahren, denn «der einzelne Mensch kann ganz viel erreichen».
Die Pandemiewelle wird flacher, es gibt erste Lockerungen und wir möchten uns nun endlich ein erstes Mal «richtig» begegnen. Auf der Berner Münsterplattform lassen wir schliesslich die Gläser klingen und mustern uns gegenseitig ganz offen neugierig. Wir sitzen in der prallen Sonne, ob das wohl auch für Touria passt? Aber ja, sie sei gerade zurück von Kurzferien in Nizza: Sonne, Strand, Leben! «Stell dir vor, was mir passiert ist», hebt sie an und erzählt von überraschenden Begegnungen, tollen neuen Ferienaussichten, fantastischen Gesprächen und von Reiseerlebnissen mit der Freundin. Sie zückt das Handy, um Fotos zu zeigen und wir stossen erneut an und feiern ihre Freude.
Danach wird das Gespräch persönlicher, ruhiger, reflektierend. Es gibt Pausen, wir blicken ins Abendlicht, begleiten das Servierpersonal mit unseren Blicken. Tourias Fenster schliesst sich langsam – Zeit zum Aufbruch.
4 Fragen an Touria
Wofür würdest du mitten in der Nacht aufstehen?
Um zu reisen
Welche wichtige Person/Persönlichkeit möchtest du einmal treffen?
Edith Piaf
Wieso machst du bei UND mit?
Zu UND gekommen bin ich, um Erfahrungen im Bereich PR und
Kommunikation zu sammeln. Geblieben bin ich, weil mich die Arbeit des Vereins begeistert
und ich mit vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammenarbeiten darf.
Was bringt dich auf die Palme?
Schwarz-Weiss-Denken und Ungerechtigkeit