
Lieber Heinz, woher kommst du?
Ich wurde kurz vor dem zweiten Weltkrieg geboren. Mein Bruder und ich waren noch kleine Buben, als der grosse Krieg ausbrach. Wir verstanden nicht genau, was um uns herum passierte, nur dass man nun «Märggeli» brauchte, um Lebensmittel erwerben zu können. Da ich in einer Arbeiterfamilie gross wurde, waren die Ressourcen auch nach dem Krieg begrenzt. Mein Vater hatte einen kleinen Lohn. Wir waren oft auf uns allein gestellt. So verstand ich schon früh, was es bedeutet, selbständig zu sein.
«Ich verstand früh, was es bedeutet selbstständig zu sein.»
Heinz Leuenberger
In der Schule war ich kein Held, vielleicht manchmal gar etwas auf Kriegsfuss mit dem einen oder anderen Lehrer, der nicht viel von Pädagogik verstand. Schule machte mir nicht viel aus, war mir nicht wichtig. Erst als ich während meiner Lehre und nach einem Jahr im Welschen die Gewerbeschule besuchte, begriff ich, um was es im Leben geht: Sich zusammenreissen und etwas dafür tun, um an sein Ziel zu gelangen. Ich machte einen guten Lehrabschluss. Nach der Lehre arbeitete ich mit Leidenschaft weiter auf dem Malerberuf. Nachdem ich jedoch von meinem Arbeitgeber während dreier Monate keinen Lohn erhalten hatte, stellte ich diesem ein Ultimatum und kündigte schlussendlich, um mir etwas Eigenes aufzubauen. Nach einigen Jahren hatte ich sogar vier Mitarbeiter und konnte meinem Beruf mit sehr viel Freude weiter nachgehen.
Wo stehst du im Moment?
Damals, als ich meine Frau kennenlernte, war ich sehr verliebt. Das ist schon sehr lange her. Momentan bin ich in einer für mich sehr schwierigen Situation. Meine Frau ist an einer tückischen Krankheit erkrankt. Sie raubt ihr die Erinnerung. Mit Demenz umzugehen ist nicht einfach.
«Meine Frau ist an einer tückischen Krankheit erkrankt. Sie raubt ihr die Erinnerung.»
Heinz Leuenberger
Seit kurzer Zeit ist sie nun im Altersheim und ich bin allein zuhause. Wir hatten schon Ersparnisse, jedoch werden die sehr schnell aufgebraucht. Meine Ausgaben belaufen sich durch den Betrag, den ich dem Heim zahlen muss, auf weit mehr als meine Einnahmen. Das alles ist eine belastende Situation. Auf so richtig Berndeutsch würde ich wahrscheinlich sagen: «zimläch verschisse… » Ich versuche aber trotzdem mein Leben so gut ich kann zu geniessen.
Wohin gehst du?
Mit über achtzig Jahren habe ich immer noch viel zu tun. Ich versuche jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt. Täglich besuche ich meine Frau im Altersheim. Das ist mir unheimlich wichtig. Ausserdem bin ich in unserem Wohnhaus der Hauswart, mache die Buchhaltung, koche sehr gerne und unternehme auch ausser Haus wieder viel. Manchmal habe ich nicht mal mehr Zeit, meinem Hobby, den Eisenbahnen, so richtig nachzugehen.
«Langweilig ist mir eigentlich nie, denn ich will mich meinem Schicksal nicht hingeben und nur zuhause rumhocken.»
Heinz Leuenberger
Langweilig ist mir eigentlich nie, denn ich will mich meinem Schicksal nicht hingeben und nur zuhause rumhocken. Ich bin sehr dankbar für all die Zeit, die ich noch habe und die ich mit den Menschen um mich herum verbringen darf. Ich freue mich über jeden Tag, den ich erleben darf.