Liebe Sandra, woher kommst du?
Ich wuchs in einem kleinen Dorf im Glarnerland auf, an der Rosengasse, umgeben von Bergen, Wäldern und Wiesen. In meiner Erinnerung war ich meist mit Freunden unterwegs, entweder auf dem abenteuerlichen Weg in den Kindergarten ins Nachbardorf oder auf Streifzügen durch die Rosengasse. Ich verbrachte viel Zeit in der Schlosserei meines Vaters oder in den Werkstätten der Institution für Behinderte, in der meine Mutter arbeitete. Freischaffende Künstler wirkten in ihren Ateliers in der Nähe, was mich inspirierte und prägte. Obwohl meine Eltern berufstätig waren, fühlte ich mich in der Rosengasse aufgehoben, zumal meine Grosseltern auch da waren. Nach meinem Au-pair-Jahr in Genf hatte ich keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Orientierungslos liess ich mich auf zahlreiche Schnupperlehren ein. Zum Glück finanzierten mir die Grosseltern den Vorkurs einer Kunstschule, worauf ich mich für die Ausbildung zur Siebdruckerin entschied. Bald darauf führte mich mein Weg Richtung Solothurn zu einem Praktikum ins Rosentau, wo ich bis heute geblieben bin. Die Finanzierung der Berufsmatur sparte ich mir neben der Arbeit vom Mund ab, um dann im Hyperwerk in Basel postindustrielles Design zu studieren.
Wo stehst du im Moment?
Andere halten mich für begeisterungsfähig und humorvoll. Ein Freund verglich mich mit einem plätschernden Bergbach. Für mich ist es wichtig, gestalten zu können; sei es nun gestalterisch mit Menschen zu arbeiten oder durch die Begleitung von Menschen meinen Beitrag zur Gestaltung von Lebenswelten zu leisten.
Als Kind hatte ich diesen Traum, in dem ich die ganze Menschheit als einen Baum sah. Alles darin hing zusammen und jede meiner Bewegungen im Geäst löste etwas im Organismus aus. Ungefähr so verstehe ich die Verantwortung dem Ganzen gegenüber. Daher bin ich bemüht, meine kindliche Unschuld zu bewahren und einen Zugang zum inneren Kern offen zu lassen, in dem die ganze Weisheit vorhanden ist. Ich versuche, offen zu sein für andere Sichtweisen und Mauern in mir niederzureissen, wenn ich wieder eine aufgebaut habe. Die wesentliche Aufgabe von uns Menschen ist es, zu erkennen, dass wir alle das Recht haben, auf diesem Planeten zu leben, und dass zu viele persönliche Interessen am Profit die Lebensgrundlagen anderer zerstören. Zudem werden dauernd Sündenböcke gesucht, damit wir Einzelnen die Verantwortung zuschieben können. Mich erstaunt die Tatsache, dass wir Menschen bei so vielen technischen Errungenschaften offenbar immer noch nicht erkannt haben, dass wir die Verursacher aller Probleme sind. Die Einsicht, dass wir alle als ein Baum leben, wie in meiner vielleicht kindlichen Vision in jenem nächtlichen Traum, macht mir heute klar, dass wir an den Wurzeln zu forschen haben. Gleichzeitig sind wir aufgefordert, uns durchschütteln zu lassen vom derzeitigen Wind, der durch unser Geäst weht, aufzuwachen und uns bewusst zu werden, wie wir am Leben mitgestalten. Das ist meine Botschaft an die ältere Generation: Gebt eure Erfahrungen weiter, setzt euch in einen Ältestenrat, redet zusammen und lasst euch nicht in ein Altersheim abschieben.
Wo gehst du hin?
Für meine Zukunft träume ich von einer ausgiebigen Bike-Packing-Tour mit meinem Partner. Dann möchte ich in einem naturnahen Umfeld mit Garten zur weitgehenden Selbstversorgung und in einem Bauwagen mit möglichst kleinem Fussabdruck leben. Ich möchte Heimat sein für Bedürftige, wie wir das hier im Rosentau schon vorleben, und glücklich sein in einem einfachen, sinnerfüllten und schöpferischen Leben.