Wenn Grosseltern mit ihren Enkeln Theater spielen, ist das eine grosse Herausforderung. Die vielen Termine müssen koordiniert werden. Barbara und Omar Markus Dietrich (Grosseltern) sind beide berufstätig, Giulia Coletta (12) und Levi Dietrich (11) gehen in Thun, beziehungsweise in Steffisburg, zur Schule.

Die Amateur-Schauspielerei hat für Barbara und Omar vor vielen Jahren bei den SchlossSpielen Thun angefangen. Danach folgten viele Aufführungen auf den unterschiedlichsten Bühnen, unter der Regie unzähliger Regisseur:innen. Die eigenen Kinder waren damals noch schulpflichtig, nun sind ihre Grosskinder da und auf die beiden Ältesten ist der Funke übergesprungen.
Omar spielte im Winter bei der Aaretaler Volksbühne, Barbara im Frühling bei der Uetendorfer Mundartbühni, wo sie auch im Theatervorstand ist. Giulia und Levi hatten bereits Erfahrungen gesammelt bei kulturellen Schulanlässen und bei einem Kinderzirkus. Die Ausschreibung, dass für das Kindertheater «Aladin» noch Statist:innen gesucht wurden, auch ältere Menschen und Kinder, war für Barbara der Anlass, sich und die Grosskinder zum Casting anzumelden. Omar entschloss sich, ebenfalls teilzunehmen. Er suchte nicht nur das gemeinsame Erlebnis, er wollte Giulia und Levi etwas bieten, das er selbst als Kind nicht kennengelernt hatte. «Als Kind bin ich nie ins Theater gegangen, ich kannte das nicht. Ich wollte Giulia und Levi etwas auf den Weg mitgeben. Sozusagen den Samen legen für die Freude am Theater.» Und der Samen ist bereits zu voller Blüte aufgegangen.
«Als Kind bin ich nie ins Theater gegangen, ich kannte das nicht. Ich wollte Giulia und Levi etwas auf den Weg mitgeben.
Omar Markus Dietrich
Sozusagen den Samen legen für die Freude am Theater.»
Jetzt die Jungen
Im Zelt wurden insgesamt 23 Vorstellungen aufgeführt. Giulia und Levi hatten kaum Text, da die Hauptrollen bereits vergeben waren. Trotzdem konnten sie mit ihrer Bühnenpräsenz, viel Gesang und akrobatischen Kunststücken beeindrucken. Barbara spielte Aladins Mutter und Omar einen Kameltreiber. Sie genossen die Erfahrung in vollen Zügen, und vor allem Giulia und Levi hätten gerne noch länger gespielt. Sie berichten, wie traurig sie waren, als alles vorbei war, das Bühnenbild abgebaut und nur noch Müllsäcke zur Entsorgung übrig waren. Das «gerettete» Kamel steht jetzt im Wohnzimmer der Grosseltern.
Giulia freut sich schon darauf, dass nächstes Jahr in der Schule ein grosses Musical aufgeführt wird, an dem sie wahrscheinlich teilnehmen kann. Levi wird nach den Sportferien das Freifach Theater belegen, das stark auf Improvisation setzt und mit einer Aufführung endet. Ein Highlight letzten Sommer war das Theaterlager bei der Jungen Bühne Bern, das Giulia und Levi gemeinsam besuchten.
Die Aufführungen, an denen Grosi und Grossätti teilnehmen, besuchen sie regelmässig. Nach den Vorstellungen diskutieren sie sehr «professionell» über die Technik, das Bühnenbild und alles, was dazugehört. Barbara erzählt, dass sie nach dem Besuch des Stücks «Vogellisi» im Kultur- und Kongresszentrum Thun den ganzen Heimweg und zu Hause
weiter darüber sprachen. Trotz der späten Stunde sassen sie noch im Flur auf dem Fussboden und fachsimpelten
weiter.
Selber machen
Levi erinnert sich, wie sie einmal in der Weihnachtszeit «Rotkäppchen» gesehen haben. Sie waren noch klein, führten aber zu Hause ihre eigene Version des Stücks auf. Auch während der Spielzeit von Aladin haben sie gemeinsam mit einem neuen, eigenen Stück improvisiert. Jetzt haben sie begonnen, das Stück zu schreiben, auch wenn sie sich momentan nicht mehr so oft sehen. Das Stück hat bereits einen englischen Titel und ist sehr fantasievoll. Es handelt von Gut und Böse und davon, wie die Welt aussehen könnte, wenn es nicht so viel Schlechtes gäbe. Es wird auch Musik und Lieder geben, die bereits geschrieben wurden. Das Bühnenbild sei noch eine Herausforderung, da sie es sich noch nicht richtig vorstellen könnten. Barbara erklärt, dass sie während der Weihnachtszeit manchmal zwei Vorstellungen pro Tag hatten. Die Zeit dazwischen verbrachten sie bei den Grosseltern und nutzten die Gelegenheit, um ihre Gedanken und Ideen weiterzuspinnen. Ob das Stück jemals aufgeführt wird, ist noch unklar. Es ist noch nicht fertig geschrieben und das Bühnenbild ist kompliziert. Was aus der Theaterbegeisterung von Levi und Giulia wird, bleibt abzuwarten. Levi spielt ausserdem Cello und ist ein talentierter Tänzer. Einmal träumte er davon, am Casting für «Billy Elliot» teilzunehmen, aber da die Aufführungen in Zürich stattfanden, war das unrealistisch.

Spass an den Grosseltern
Theaterproduktionen, in denen Freunde mitspielen, sind besonders spannend. Giulia betont, wie viel Spass es macht, die Grosseltern auf der Bühne zu sehen. Sie schauen sich auch gerne Aufnahmen vergangener Aufführungen an und sind stolz sagen zu können: «Das ist meine Grossmutter und das ist mein Grossvater.»
Das Casting für «Mary Poppins» verlief ohne Erfolg, und die diesjährige Inszenierung von «Der Glöckner von Notre Dame» wird ohne Beteiligung von Kindern stattfinden. Vielleicht klappt es im nächsten Jahr bei den Thuner Seespielen. Für alle vier ist klar, dass sie gerne wieder zusammen in einem Stück spielen möchten. Schade nur, dass der «Winterzauber» jetzt zwei, drei Jahre pausieren wird. Omar befürchtet, dass die Kinder dann schon alleine irgendwo spielen könnten. Ich bin auch sehr gespannt, wie diese Liebesgeschichte zum Theaterspielen und -schauen weitergeht.
Mittlerweile werden die beiden «grossen» Grosskinder zu Weihnachten und Geburtstagen ausschliesslich mit Kultur beschenkt. Dazu gehören Besuche von Musicals und Theateraufführungen. Die Dietrichs haben noch weitere, etwas jüngere Grosskinder, von denen einige den Fussballplatz der Bühne vorziehen.
Der Theater-Virus hat allerdings eine Generation übersprungen. Barbara hat bei «Matto regiert» im Jahr 2004 ihre Tochter mitspielen lassen, die aber kein solcher Theaterfan geworden ist wie ihre Eltern und wie jetzt ihre eigene Tochter.
Barbara, Omar und ich haben uns beim Theaterspielen kennengelernt. Bis heute teilen wir die Liebe zum Theater, ich allerdings nur noch passiv.