Politpodium zum Nachschauen und Nachhören
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In Krisenzeiten braucht es ein Gleichgewicht aus Flexibilität und Stabilität, um gesund zu bleiben. Nur in Krisenzeiten? Nein, dieses Gleichgewicht braucht es während des gesamten Lebens. Resilienz ist ein Lebensthema, davon ist Fritz Zurflüh (68) überzeugt.
Mit seinem witzig präsentierten Einführungsreferat am Workshop des Generationenforums vom 23. November präsentierte er etwas Grundwissen:
Resilienz – was ist das eigentlich?
Der Ausdruck Resilienz (von lateinisch resilire: zurückspringen, abprallen, nicht anhaften) kommt aus der Materialwirtschaft. Fritz Zurflüh bog zur Illustration eine Postkarte, die bei nachlassendem Druck gleich wieder in die Ursprungsform zurücksprang, also resilient ist. Der Mensch verspürt Druck in Stress- oder Krisensituationen. Er muss diese Belastungen aushalten können und wieder zur alten Form zurückfinden. Noch besser: Der Mensch entwickelt neue Strategien und lernt etwas dabei.
Emotionen wie Unsicherheit, Angst, Wut oder Hilflosigkeit können dies verhindern. Damit Menschen in solchen Situationen die Oberhand behalten, müssen sie wissen, wo ihre Schwächen sind, wie sie sich schützen können. Sie müssen Autonomie bewahren und sich selbstbewusst sagen: «Ich bin kein Opfer» oder noch besser an Winston Churchill denken, der einst sagte: «Wer mich ärgert, bestimme ich.»
Ur-, Gott- und Selbstvertrauen entwickeln
Tabea Keller (23) und Fritz Zurflüh, die den Workshop im Tandem organisiert hatten, luden an fünf Diskussionstische. Die circa 25 TeilnehmerInnen tauschten sich aus, welche Resilienzerfahrungen sie selbst in den Bereichen Arbeit, Krankheit/Tod, Beziehungen/Familien, Krieg/Flucht machten und was die Zukunft einfordern wird. Die Gruppen rotierten drei Mal. In den immer neuen Zusammensetzungen entstanden überraschende und aufrichtige Gespräche, welche die eingangs erwähnten Inputs bestätigten: Es braucht Mut, Dinge anzusprechen. Es braucht Kraft, sich selbst treu zu bleiben, Grenzen zu setzen und auch manchmal schweigen zu können. Insbesondere beim Thema Zukunft braucht es Ur-, Gott- und Selbstvertrauen, da hier noch alles im Ungewissen ist.
Das Podium – Lebenshilfe im besten Sinn des Wortes
Am 24. November moderierte Tabea Keller (23) mit viel Geschick und Feingefühl das Podiumsgespräch im Stadtratssaal des Rathaus Thun. Sie hatte vier Gäste eingeladen: Noëmi Porfido (26) als Studierende Soziale Arbeit mit persönlicher Erfahrung einer Angststörung, Dr. Alexander Hunziker (59), Professor für Achtsamkeit und Positive Psychologie am Departement Wirtschaft der Berner Fachhochschule, Sarah Clausen (41) Kinderphysio- und Osteo-Etiopathin und Gründungsmitglied des Kinderhospiz allani in Bern sowie Ruedi Heinzer (75), unter anderem Autor und Seelsorger in bernischen Kirchgemeinden. Alle vier PodiumsteilnehmerInnen haben sowohl theoretisches Wissen vor allem aber eine jahrelange praktische Erfahrung im Umgang mit Menschen, die schwierige Situationen meistern und dabei gesund bleiben müssen und wollen.
Der biegsame Bambus
Alle erzählten sie aus ihrem Alltag, beschrieben heikle Situationen mit Ratsuchenden oder Projekte, die nach viel Engagement «schallend gescheitert sind» (Ruedi Heinzer). Sie schilderten aber auch Glücksmomente: Wenn sich eine Krise zum Guten wendet oder wenn Menschen, die trotz Kummer und Sorgen Freude bereiten können und daraus für sich selbst Kraft beziehen. Ruedi Heinzer hatte dabei eine Frau vor Augen, die trotz Schicksalsschlägen zur Freude aller jodelte.
«Resilienz ist auch etwas angeboren»
Ruedi Heinzer (75)
Überhaupt bewegen, sich selbst und andere. Elastisch bleiben, weitermachen und das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Sarah Clausen brachte das Bild vom biegsamen Bambus, der – obwohl von Wind und Schnee gebeutelt – bald wieder aufrecht steht. Alexander Hunziker doppelte nach: «Aufstehen, Krone richten, weiter machen.» Auch Umfallen sei nicht nur schlecht: Das sei zumindest eine Bewegung und nicht ein starres Verharren (Resistenz), das zum Zusammenbruch führen könne, so Sarah Clausen.
Lehrgang Resilienz?
Wie lernt man Resilienz? Wie lange dauert so eine Ausbildung und welche Module gibt es? Alexander Hunziker ist der Ansicht, dass Viele nach geduldigem Lernen, und zwar Schritt für Schritt, resilient oder resilienter werden können. Er nannte Techniken wie ruhig Atmen lernen, Konzentration üben, unter Anleitung Yoga, Meditation, MBSR praktizieren. Der Weg zur Resilienz ist sehr individuell, stimmten alle überein. «Resilienz ist auch etwas angeboren», meinte Ruedi Heinzer. Oder ganz einfach akzeptieren, was ist: unter Umständen halt auch, nicht so sehr resilient zu sein.
Musterbeispiel: Klosterfrau
Sie leben am längsten und sind gesund bis ins hohe Alter: Klosterfrauen. Ihr Geheimnis ist wohl letztlich die Gemeinschaft. Fünfmal täglich kommen sie zum Gebet zusammen, müssen sich bewegen, haben Gelegenheit sich gegebenenfalls zu helfen. Solche regelmässigen Rituale sind zudem tröstlich. Sie sind oft geübt, vorhersehbar und daher weitgehend stressfrei.
Gemeinschaft trägt
Die ZuhörerInnen im Saal hörten sehr aufmerksam zu. Sie gingen in sich, nahmen teil dachten an eigene Erfahrungen, lachten auch zwischendurch und kamen am Schluss miteinander ins Gespräch. Sie erfuhren so unmittelbar, wie wichtig das Vertrauen ins Gegenüber ist.
Das Podium, organisiert von UND Generationentandem, dem Thuner Verein, der sich seit 10 Jahren für ein Miteinander einsetzt, könnte keine schönere Schlussfolgerung ergeben als: Gemeinschaft trägt.
Gemeinschaft trägt!
Fazit: Podiumsgäste
Auf dem Podium
- Dr. Alexander Hunziker (59) ist Professor für Achtsamkeit und Positive Psychologie im Departement Wirtschaft der Berner Fachhochschule.
- Pfr. Ruedi Heinzer (75) war Seelsorger in bernischen Kirchgemeinden und bei der Flugwaffe, Synodalrat, Radioprediger und schreibt Bücher.
- Sarah Clausen (41) Kinderphysio- und Osteo-Etiopathin, Gründungsmitglied von allani Kinderhospiz Bern, begleitet Menschen durch schwierige Zeiten
- Noëmi Porfido (26) studiert Soziale Arbeit an der FHNW Olten im letzten Jahr und liebt es mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. «Nebenbei begleitet mich meine Angststörung, diese zwingt mich dazu, mich besser kennenzulernen.»