Meine Eltern, Marek und Nathalie Wnuk, gründeten vor mehr als 20 Jahren die Hilfsorganisation Kiev Kids und das Kinderzentrum Sunshine in der Ukraine. Ziel war und ist, Kindern ohne Familie und Zukunft ein liebevolles Zuhause zu geben.
Die Flucht
Das Kinderzentrum Sunshine ist nur 10 Kilometer vom internationalen Flughafen Borispol entfernt, der am 24. Februar von russischen Soldaten bombardiert wurde. Diese Entwicklung führte dazu, dass mein Papa, der Projektleiter von Kiev Kids und die Heimleiterin von Sunshine entschieden, aufzubrechen und mit den Kindern und BetreuerInnen das Land zu verlassen. So fuhren sie am Donnerstagmittag mit vier Autos Richtung Westen.
Sie mussten alles zurücklassen: Sie hatten nur die Kleider dabei, die sie anhatten. Am Freitagmorgen um 7 Uhr kamen sie an der Grenze zu Polen an. Dort hat sich derweilen ein 10 Kilometer langer Stau gebildet. Als sie endlich beim ukrainischen Zoll ankamen, hiess es, dass sie als Kinderzentrum nicht ausreisen dürften, da die russische Armee keine Zivilisten angreife.
Nach weiterem langem Warten an der Grenze passierte etwas, mit dem wohl niemand gerechnet hatte: Mit Militärflugzeugen flog die russische Armee am Freitagnachmittag über das Grenzgebiet, wo die Kinder und BetreuerInnen auf die Ausreiseerlaubnis warteten, und bombardierten den Ort. Die Kinder und BetreuerInnen versteckten sich zum Schutz in den Strassengräben.
Als uns diese Nachricht erreichte, fühlte ich zum ersten Mal in meinem Leben richtige Panik und Angst. Als ich einige Stunden später erfuhr, dass sich die Situation beruhigt hatte und die Kinder aufgrund dieses russischen Angriffes nun doch nach Polen ausreisen durften, war ich sehr erleichtert. Drei Betreuer durften nicht ausreisen, da Männer zwischen 18 und 60 Jahren die Ukraine nicht verlassen dürfen, für den Fall, dass sie in der Armee gebraucht werden. Sie behielten ein Auto und konnten in einer Unterkunft in der Westukraine Zuflucht finden.
Ankunft in Polen
Gegen 19.30 Uhr traf das erste Auto in Polen ein. Dort wartete bereits mein Papa, Marek Wnuk, der am Vortag nach Polen geflogen war. Mit ihm wartete auch unsere polnische Familie, die sich bereiterklärten, die Kinder und Betreuerinnen bei sich zu beherbergen. Um 23 Uhr trafen auch noch die letzten Kinder und Betreuerinnen am abgemachten Treffpunkt auf polnischem Boden ein. Bis Mitternacht waren alle Kinder auf die verschiedenen Haushalte meiner Familie verteilt und konnten sich endlich etwas ausruhen. Vom Stadtpräsidenten von Stalowa Wola, dem Städtchen meiner Familie, wurden die Kinder während dem Wochenende sehr verwöhnt. Sie besuchten das Puppentheater, den Zoo, konnten schlittschuhlaufen und wurden ins McDonald’s eingeladen.
Wie weiter?
Glücklicherweise konnte das Kinderzentrum am 3. März 2022 in die Schweiz einreisen. Sie wohnen in einem Haus in Adelboden und gehen dort auch in die Schule.
Ich bin froh, dass die Kinder in die Schweiz kommen konnten und hoffe, dass wir auch vielen anderen Menschen in der Ukraine helfen können. In dieser Situation sind Zusammenhalt und Unterstützung wichtig. Ich bedanke mich im Namen aller Kinder-Betreuerinnen für eure Mithilfe und bete und hoffe, dass der Krieg bald aufhört.
Wie können wir helfen?
Das Kinderzentrum Sunshine ist jetzt auf unsere finanzielle Unterstützung angewiesen. Das Geld wird einerseits für die Kinder und Betreuerinnen gebraucht, andererseits aber auch für die Menschen, die noch in der Ukraine festsitzen und hoffentlich bald evakuiert werden können. Auch Kleider für die Kinder und andere ukrainische Geflüchtete werden gesammelt.