Wir wählen das Berner Dählhölzli als Treffpunkt für unsere erste Begegnung. Das passt prima, denn Dunja Kobel (26) geht die Wege da gern und oft. Doch dann müssen wir umdisponieren. Das Umdisponieren gehört zu Dunjas Alltag, denn nur allzu oft diktieren ihr chronische Kopfschmerzen einen veränderten Tagesablauf. Sie hat sich gut, ja geradezu virtuos damit arrangiert und weiss diese Schwäche in ungeahnte Stärken umzuwandeln. Davon später – vorerst treffen wir uns an ihrem Arbeitsort, im UND-Raum.
Organisieren, koordinieren, kommunizieren für UND
Sie sitzt zuweilen auf dem hohen, schwarzen Bürostuhl, blickt konzentriert in ihren Laptop, tippt und lässt sich vom Kommen und Gehen der UNDs nicht stören. Höchstens, dass sie manchmal kurz aufblickt und die Gelegenheit wahrnimmt, etwas auf unkomplizierte Weise abzusprechen oder einen Wunsch anzubringen. Flinkes Aufspringen, wenn der Wunsch ungeahnt schnell in Erfüllung geht, denn dann muss sie gleich handeln: Werkzeuge holen, am liebsten gleich mehrere aufs Mal, damit spart sie Wege und Zeit, dann erklären und weiter geht’s. Diese 50-Prozent-Stelle als Ansprechperson für organisatorische und administrative Fragen bei UND Generationentandem ist für die studierte Sprachwissenschaftlerin momentan der ideale Job. Die Arbeit mit Menschen verschiedener Generationen, das Schreiben, das Kommunizieren, all dies erfüllt sie. Wichtige Arbeiten erledigt sie am liebsten umgehend, anderes kommt auf die Pendenzenliste und wird später bearbeitet. Das Pensum ist gerade hoch genug, damit sie noch einige weitere Freuden ausleben kann.
Die Kunst des Miteinander-Redens
Wir kommen doch noch zum Spazieren. Während unseres Marschs durch Thun legen wir eine Pause bei wärmendem Ingwertee ein. Dunja zieht ihren Mantel enger um sich und meint: «Ich muss Prioritäten setzen, denn es gibt mehr Pläne, als Zeit vorhanden ist». Pläne entstehen bei ihr oft durch Ausprobieren. Nach Kindheit in Münsingen und Schule in Bern fragt sie sich erst einmal: Wirtschaft oder Sprachen? Sie legt ein Jahr in einem Tourismusbüro in Amden ein und immatrikuliert sich dann an der Uni Bern – Wirtschaft wählt sie nicht, wohl aber Kommunikation im weitesten Sinne. Sprachen, speziell Spanisch und Englisch mit dem Ziel Gymnasiallehrerin, heisst der nächste Plan. Die Lehrerin bleibt dann während des Studiums auf der Strecke, denn das Stellenangebot ist in diesen Fächern überschaubar.
«Es braucht so wenig – es «fägt» einfach, den Dialog zu fördern!»
Dunja Kobel
Doch Dunja brennt weiterhin für Sprachen, fürs Spanische, für Kommunikation. «Alles ist Kommunikation», meint Dunja und rührt in ihrem Tee. Diese Plattitüde will gar nicht zu der besonnenen Person passen, die genau abwägt, bevor sie etwas sagt, und die sich offensichtlich gerne intensiv mit einem Thema auseinandersetzt. Schon kommt die Präzisierung: Singen, tanzen, kochen, mit FreundInnen zusammen sein, einen ganzen Abend lang spanisch sprechen in der WG, helfen, reisen und malen sind für sie Ausdrucksformen und Möglichkeiten, mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Dunjas Freudenprojekt
Das Malen mit Pinsel, Farb- oder Filzstift war erst mal als Schmerzbewältigung und zum Ablenken von den chronischen Kopfschmerzen gedacht. Dann kam die Idee, Vulven zu malen, in allen Farben, die Form als Landart zu gestalten und damit in spielerischer Art auf gesellschaftliche Missstände und Tabus hinzuweisen, anschliessend darüber sprechen. Ihr Projekt Vulveria ist geboren. Es beflügelt die erklärte Feministin: die Dinge beim Namen nennen, die Vulven anschauen, über Vulven nachdenken und miteinander diskutieren. Sie verkauft ihre Bilder und spendet den Erlös Terre des Femmes Schweiz, denn während der Corona-Zeit hat die häusliche Gewalt zugenommen. Die BZ berichtet, UNDs sprechen darüber, vielleicht gibt es mal eine Ausstellung…? «Wer weiss, was noch daraus wird? Jedenfalls soll Vulveria ein Freudenprojekt und keine Belastung sein.» Ein Freudenprojekt, entstanden aus Schmerzbewältigung. Sowas muss man erst mal hinkriegen!
Für sie bedeutet Gleichberechtigung ein selbstbestimmtes Leben mit gleichen Grundvoraussetzungen und Möglichkeiten für alle.
Dunja Kobel
Belastend sind für sie ungerechte Behandlung oder Schubladisieren. «Nehmen wir den Begriff Hausfrau», redet sie sich gleich in Rage. «Die Hausfrau aus freien Stücken ist nicht «nur» Hausfrau. Das kann auch selbstbestimmt sein und muss nicht mit dem Bild von karierter Schürze, Bigoudis und allzeit bereit für den Göttergatten gleichgesetzt werden.» Für sie bedeutet Gleichberechtigung somit ein selbstbestimmtes Leben mit gleichen Grundvoraussetzungen und Möglichkeiten für alle.
Dunja und die Generationen
Wörter, Sprache – so was von spannend für Dunja! Alte oder ältere Menschen, SeniorInnen, Silver- oder Goldenagers – wie auch immer – sind für Dunja wertvolle Gegenüber. Während ihres Spanien-Aufenthalts kam sie mit vielen älteren DorfbewohnerInnen zusammen. Sie hörte ihren Erzählungen aus anderen Zeiten, aus anderen politischen Situationen gerne zu und fühlte sich dabei rundum wohl und bereichert. Im spanischen Dorf lernte sie auch, dass man defekte Kleider flicken und wieder tragen kann, dass Alte auch in Discos Spass haben und Junge mit ihnen! Daher rührt wohl auch ihr Eindruck, dass in südlichen Ländern Generationen besser vernetzt und damit Alte vermehrt im Alltag eingebunden sind. Hierzulande fremde und ältere Menschen im Bus oder Tram anzusprechen, ist ja nicht sehr üblich. Dunja versucht’s und meint: «Für beide Seiten ein Aufsteller. Es braucht so wenig – es «fägt» einfach, den Dialog zu fördern!»
Mittlerweile sind wir zurück im UND-Raum. Es folgt eine Sitzung, dann zusammenpacken und ab zum Bahnhof. «Schön wäre, wenn jemand in der WG nun etwas gekocht hätte», seufzt sie im Zug und sieht in die Dunkelheit. Jetzt nur noch «sein»… Doch man sieht es ihr an: Sie strukturiert bereits den morgigen Homeoffice-Tag, damit genügend Raum bleibt für sie selbst und ihre weiteren Pläne.
4 Fragen an Dunja
Wofür würdest du mitten in der Nacht aufstehen?
Für eine/n FreundIn in Not / für Ferien
Welche wichtige Person/Persönlichkeit möchtest du einmal treffen?
Da gibt es einige. Im Moment: Michelle Obama.
Wieso machst du bei UND mit?
UND bietet mir eine Möglichkeit, meine Fähigkeiten (Kommunikation, Organisation, Koordination, Kreativität) sinnvoll einzusetzen. Zudem hat mich die Generationenarbeit schon immer interessiert. Ich wünsche mir ein liebevolleres, konstruktiveres Miteinander der Generationen. Es ist schön, bei solch einem dynamischen und verbindenden Projekt dabei zu sein.
Was bringt dich auf die Palme?
Rassismus, Sexismus, Ableismus («Abwertung, Diskriminierung, Marginalisierung von Menschen mit Behinderung oder chronisch Kranken aufgrund ihrer Fähigkeiten» (Duden) ), Umweltverschmutzung.