«Nein, der September ist sehr voll bei mir: Wir kommen vom Berg, es gibt ein Familienfest und dann weiss ich noch nicht genau, wie es mit der Uni so geht.» So tönt Mischa Gobeli (19) bei einer Terminabsprache im August.
Dieser junge Mensch mit der sorgfältig verwuschelten Lockenfrisur «tanzt» offensichtlich auf mehreren Hochzeiten. Ich frage mich: Wie viele mögen es wohl sein?
Nach einem unserer UND-Tandemtreffen bitte ich ihn um ein Porträtgespräch. Corona-bedingt verabreden wir uns auf Zoom. Auch so lässt sich mit Mischa über sehr viele Themen plaudern. Damit das Bildschirm-Porträt nicht allzu «ferngesteuert» wirkt, schickt mir Mischa noch Fotos.
Der Bio-Hof in Boltigen
Mischa wächst mit zwei älteren Geschwistern auf dem familieneigenen Bio-Hof in Boltigen auf. 16 reinrassige Simmentaler Kühe mit Hörnern stehen da im Stall. Bisher wurden die Tiere auf einer Alp, ganz in der Nähe des Hofes, gesömmert. 2020 jedoch ist auch für die Simmentalerinnen alles anders: Sie weiden erstmals im Groppi (Iffigenalp) und kommen eben dann im September mit Mischas Bruder «vom Berg». Mischa hilft gerne und tatkräftig mit auf dem Hof. «Das ist mein Sportersatz. Für mehr habe ich momentan fast keine Zeit.»
Dennoch schlägt sein Herz nicht fürs Bauern. Die Gobeli-Kinder fuhren früh schon regelmässig einmal in der Woche zur Grossmutter nach Thun. Die Stadt, die Läden, die vielen Leute und das ganze Unterhaltungsangebot hat Mischa als Bub genossen. Das sei schon «etwas anderes», lacht er und erzählt, er wünsche sich für die nächsten Jahre eher ein städtisches Umfeld, das gerne auch noch weiter weg liegen könne.
«Zuhause bin ich der, der ich bin»
Mischa ist in der Familie der Jüngste, dem man stets etwas mehr zugesteht, wie er zugibt. Er, der gerne intensive Diskussionen führt, fühlt sich aber wohl und verstanden. Er erträgt es gut, wenn Eltern oder Geschwister ihm beim Argumentieren Paroli bieten.
Er ist daheim nicht nur auf dem Hof, sondern auch hin und wieder am Herd anzutreffen. Mit unkonventionell zubereitetem Suppenfleisch hat er sogar einmal einen Überraschungserfolg gelandet. Darüber hinaus mag er das Zusammensein mit der Familie. Warum nicht traditionell am TV-Lagerfeuer gemeinsam einen Krimi schauen? Weihnachten feiern, einfach geniessen oder zwischendurch einige Popsongs singen und sich dabei auf dem Klavier begleiten. «Aber bloss für den Privatgebrauch, zur eigenen Freude, hurti, schnell etwas spielen!», schiebt er eilig nach.
«Habe wohl Interesse für brotlose Berufe»
Bereits in der Unterstufe erhält Mischa viel Lob für die Erzählungen, die er ins Wochenheft schreibt. Auch während der Thuner Gymerzeit sind seine Aufsätze bemerkenswert. Es müsse doch was dran sein, wenn alle sagen, er schreibe cool und lustig, meint er und begründet so sein Berufsziel Journalist. Noch lieber allerdings wäre er Moderator, denn er interessiert sich für Menschen und ihre Themen und ist immer gerne zu Gesprächen bereit. Gerade eben hat er mit dem Studium (Geschichte und Deutsch) begonnen und sieht bereits den ersten Prüfungen entgegen. Dies, noch ohne je einen normalen Unibetrieb kennengelernt zu haben.
Beim Sprechen über Berufswünsche wird Mischa nachdenklich. Beim Gymer-Abschlusstheater «Acht Frauen» hat er Feuer gefangen: Die Schauspielerei hat er noch nicht ganz von der Wunschliste gestrichen. «Es war eine coole Erfahrung, als junger Mann in eine Frauenrolle zu schlüpfen», meint er und bemerkt, dass er sich dabei oft gefragt hat: «Was sagen wohl die Leute?» Aber schliesslich war es für ihn super, so zwischen zwei Welten hin und her zu switchen.
Unser Gespräch stockt etwas, aber Mischa rettet uns mit: «Ich habe wohl Interesse für brotlose Berufe.»
Zwei Welten in einem Bild
Wie würde Mischa ein Bild von sich selbst malen? Wohl zweigeteilt, aber in guter Balance: Das «Heimetli» in Boltigen und das Studium in Bern, städtischer Trubel und Naturverbundenheit, die Liebe zum Theater und damit die Möglichkeit, jemand anderen zu verkörpern. Auf meine Frage, wie er denn gerne von anderen Menschen wahrgenommen werden möchte, antwortet Mischa: «als jemand, der den Mut hat, etwas Unkonventionelles zu tun, denn das ist das Beste was man machen kann.» Gleichzeitig weiss er, dass er mit seinem bescheidenen und gewinnenden Auftreten am liebsten von allen gemocht und akzeptiert werden möchte. Er sucht Ruhe, Abend- und Nachtstimmungen, liebt anderseits seinen grossen Freundeskreis zum Austauschen und für Spritzfahrten mit Zwischenstopps und Fastfood. Er liebt Brocki-Besuche, nicht nur wegen des Stöberns und Entdeckens, sondern auch, weil er vom Wiederverwerten überzeugt ist. Ab und an trägt er auch etwas Schönes nach Hause. Allerdings sind da weniger Anziehsachen dabei, denn er mag es durchaus modisch. Eher wenig Auffälliges und schon gar keine Markenkleider. Da ist eine «coole Friise» schon wichtiger.
Und nach Corona?
Die Generation Corona muss sich enorm gedulden mit dem Verwirklichen von Freiheitsträumen nach der Schule. Mischa geht das aber gelassen an. Was möchte er denn als Erstes unternehmen, wenn die Einschränkungen durch die Pandemie aufgehoben sein werden? «Über die Grenze fahren, am liebsten nach Italien!», bricht es aus ihm heraus. «Die herzigen Dörfli, die Palmen, die Wärme.» – «Grenzen überschreiten in jeder Beziehung», besinnt er sich, gleich wieder ernsthafter. Ganz generell: «Mit offenem Blick und Ohr durchs Leben gehen und leben und leben lassen.»
Geschärfte Sinne braucht Mischa auch bei «und» Generationentandem, denn er gehört neu zum Moderatoren-Team UND der Generationentalk. Wir werden von ihm hören!
4 Fragen an Mischa
Wofür würdest du mitten in der Nacht aufstehen?
Besonderes/weltbewegendes Ereignis, Hilfe an Familie/Freunde, um zu verreisen (z.B. früher Flug)
Welche wichtige Person/Persönlichkeit möchtest du einmal treffen?
The Queen, Barack Obama
Wieso machst du bei UND mit?
journalistisches Interesse, Plattform für eigene Ideen, Austausch und Erwerb von Know-how
Was bringt dich auf die Palme?
destruktive Diskussionen, Menschen, die sich für etwas Besseres halten, Spinnen