Du, dein Mann und eure beiden Kinder waren eine «Leichtathletik-Familie». Mit 40 Jahren hast du aber nicht aufgehört, sondern bist nochmals richtig durchgestartet. Was hast du davon erwartet? Waren Lust an Bewegung, Ehrgeiz und Erfolge deine Motivation? Oder gab es noch andere Gründe?
Meinen Mann habe ich 1963 im Verein kennengelernt. Wir kamen 1968 zusammen und heirateten 1972. Da er wegen eines Achillessehnenrisses keine Wettkämpfe mehr bestreiten konnte, habe ich ihn motiviert, das Leichtathletiktraining der Frauen zu übernehmen. Ich selbst trainierte ab 1974 mit der Gruppe und nahm an Wettkämpfen teil.

Unsere Kinder wurden 1977 und 1979 geboren und wuchsen mit dem Sport auf. Für mich waren die Freude an der Bewegung und die Fortschritte, die ich sehen konnte, die grösste Motivation. Der Sport war immer ein fester Bestandteil unseres Familienlebens – auch mit kleinen Kindern, die wir zu Wettkämpfen und ins Trainingslager mitnahmen.
Hast du im Sport kämpfen gelernt und diese Fähigkeit auch in der Familie oder im Beruf einsetzen können? Kannst du ein Beispiel nennen?
Leichtathletik ist eine Einzelsportart. Du siehst deinen Fortschritt direkt und kannst Rückschläge – etwa durch Verletzungen – besser einordnen. Für mich war das nie ein Kämpfen, sondern eher Disziplin. Organisation war wichtig, besonders mit kleinen Kindern, aber es ging immer mit Freude.
«Für mich war Sport nie ein Kämpfen, sondern eher Disziplin.»
Margharita Dähler
Im Beruf habe ich Herausforderungen angenommen, wenn sie kamen. Meine Maxime war: Man kann auch um Unterstützung bitten, wenn man nicht alles allein schafft. Diese Mischung aus Disziplin und Flexibilität habe ich aus dem Sport mitgenommen.
Die Gemeinschaft der Leichtathlet:innen ist für dich, wo dein Mann verstorben ist und die Kinder längst selbständig sind, eine Art zweite Familie. Wie zeigt sich das? Und stört es nicht, dass du siegen willst?
Ich trainiere oft in Gruppen, etwa beim Hammerwerfen, wo die Kolleg:innen deutlich jünger sind als ich. Der Kontakt beschränkt sich meist auf Training und Wettkämpfe. Einmal wöchentlich gehe ich zu einem Lauftreff, dort entstehen auch persönliche Kontakte und Treffen, wie unser Weihnachtsessen. Zudem habe ich Freundschaften über den Sport hinweg geschlossen, etwa durch internationale Meisterschaften. Natürlich will ich immer mein Bestes geben, aber Neid oder Missgunst habe ich kaum erlebt. Die Freude, dass wir alle noch Wettkämpfe bestreiten können, überwiegt.
Haben die vielen Wettbewerbe und Siege dein Selbstwertgefühl gestärkt? Und wie gehst du mit Misserfolgen um?
Sicher bin ich stolz auf einige Leistungen, aber ich stelle meine Erfolge nicht in den Vordergrund. Mir ist ein vierter Platz mit einer guten Leistung lieber als ein Sieg mit einer schlechten. Natürlich gibt es enttäuschende Momente, wie bei der Weltmeisterschaft in Göteborg, wo ich eine sichere Medaille durch einen schlechten Wettkampf verpasst habe. Das tut weh, aber ich nehme es als Ansporn. Ich habe gelernt, Niederlagen einzuordnen und mich auf neue Ziele zu fokussieren.
Zusammenfassend: Was hast du im Leistungssport für Körper, Geist, Seele und den Umgang mit anderen Menschen gelernt?
Der Sport hat mir Struktur gegeben und mich gelehrt, Körper und Geist aktiv zu halten. Regelmässige Bewegung fördert die Gesundheit und hilft, flexibel und reaktionsfähig zu bleiben – gerade im Alter.

Der Austausch mit anderen Athlet:innen hat mir gezeigt, dass viele Lebenswege möglich sind. Für mich ist Sport so selbstverständlich wie Körperhygiene. Es geht nicht nur um Leistung, sondern auch um Erholung und den Genuss der Natur, etwa bei einem Lauf im Wald. Bewegung tut jedem gut – körperlich, geistig und seelisch.