Die Wirtschaft wächst, stürzt ab, wächst … Nein, darüber darf ich nicht schreiben, sonst gelte ich als Pessimist oder gar als Moralist: Dass wir im Winter zu wenig Strom haben und darum mit modernen Wärmepumpen frieren werden. Dass in der Schweiz immer mehr arme, obdachlose, einsame, überforderte und süchtige Menschen leben – Menschen, die unglücklich sind. Aber das will niemand wissen.

Ich muss optimistisch schreiben: Die Schweizer Wirtschaft floriert, sowohl im Inland als auch im Ausland. Abgesehen von Ausnahmen wie Teilen der Maschinen- und Elektrobranche. Dank der Finanzwirtschaft, der Chemie, der Goldproduktion und vieler erfolgreicher Firmen ist ein Teil der Schweizer:innen so wohlhabend, dass sie teure Wohnungen und hohe Krankenkassen-prämien problemlos zahlen können – und dennoch fast beliebig viel konsumieren.
Wer profitiert?
Wirtschaften bedeutet, dass Abermillionen Menschen sehr viel arbeiten, um Produkte und Dienstleistungen möglichst effizient und in brauchbarer Qualität herzustellen. Ein Beispiel: Ein reicher Schweizer lässt in Deutschland eine Fabrik bauen, die täglich 1,5 Millionen Tiefkühlpizzen produziert. Der Besitzer lebt gut davon, während Bauern, Zulieferer und Arbeiter:innen für relativ kleine Einkommen schnell arbeiten müssen – bis die grossen Maschinen die Pizzen fertigstellen. Verkauft wird das Endprodukt dann bei Discountern wie Lidl. E Guete!
Verführung zum Kaufen
Die Schweizer Wirtschaft investiert jährlich vier Milliarden Franken, um uns mit Werbung zum fleissigen Konsumieren zu verführen. Und wir gehorchen. Nur etwa ein Prozent der Bevölkerung lebt bewusst umweltfreundlich – eine Zahl, die die Verkäufer kaum stört.

Dabei wäre es einfach, sich mehr Freiheit zu nehmen: Vor jeder grösseren Anschaffung könnten wir uns fragen, ob sie uns wirklich glücklicher macht. Brauche ich dieses überdimensionierte Auto? Werden mich teure Reisen intelligenter machen? Macht Luxus mich tatsächlich glücklicher – oder nur neidisch?
«Vor jeder grösseren Anschaffung könnten wir uns fragen, ob sie uns wirklich glücklicher macht. »
Jürg Krebs
Die Psychotherapie lehrt uns, dass Menschen oft erst ihr Verhalten ändern, wenn der persönliche Leidensdruck zu gross wird. Es scheint, als wären deutlich stärkere Krisen notwendig, um einen bewussteren Umgang mit unserem Konsumverhalten zu fördern.
An den Börsen zeigt sich ein ähnliches Bild: Umweltfreundliche Aktien werden seltener gekauft als solche von umweltschädlichen Firmen, obwohl beide Arten durchschnittlich ähnlich hohe Renditen erzielen. Es ist die Macht des falschen Denkens.
Dabei gehen viele Unternehmen mit gutem Beispiel voran. Sie setzen auf umweltfreundlichere und effizientere Produktionslösungen – eine Strategie, die nicht nur Geld spart, sondern auch den Ruf verbessert und die Verkaufszahlen steigert.
Innnovation für eine bessere Zukunft
Stellen wir uns vor, die vielen Erfindungen, die jedes Jahr gemacht werden, würden gezielt für ein qualitatives Wachstum genutzt. Das würde bedeuten: langlebige, schöne Produkte, sinnvolle Dienstleistungen, lebensfreundliche Medien. Produkte, die nicht nur gut für den Menschen, sondern auch für die Umwelt sind, könnten einen neuen Standard setzen. Glücklicherweise gibt es bereits junge, innovative Firmen, die daran arbeiten – oft mit kreativen Ansätzen, die ressourcenschonend und nachhaltig sind. Doch der Import aus asiatischen Ländern bleibt oft auf Massenware ausgerichtet – Quantität statt Qualität, kurzlebige Produkte statt langlebiger Alternativen.

Die Nachhaltigkeitsforscherin Gaya Harrington bringt es auf den Punkt: «Der einzige realistische Plan, um einen Zusammenbruch zu vermeiden und das globale Wohlergehen zu sichern, liegt im Mentalitätswandel von ‹nie genug› zu ‹genug für jeden und jede›.» Dieser soziale Ausgleich ist essenziell und könnte neue Formen der Zusammenarbeit fördern – etwa durch Kreislaufwirtschaft oder gemeinschaftsorientierte Ansätze.
«Der einzige realistische Plan, um einen Zusammenbruch zu vermeiden und das globale Wohlergehen zu sichern, liegt im Mentalitätswandel von ‹nie genug› zu ‹genug für jeden und jede›.»
Gaya Harrington
Aber wie realistisch ist es, dass grün-soziale Wirtschaftsideen tatsächlich den Konsum und den Reichtum der Wohlhabenden beeinflussen? Werden Innovationen allein ausreichen, um das Denken zu verändern? Oder werden es Kriege, Pandemien oder die Pleiten hochverschuldeter Staaten sein, die das Wirtschaftswachstum stoppen, bevor ein Umdenken erfolgt?
Ich bleibe optimistisch: Es wird ein Wunder geschehen, und alles wird sich zum Guten wenden.