Die Schweizerische Nationalbank (SNB), Schweizer Stiftungen, die Compenswiss und die Schweizer Pensionskassen sollen in kein Unternehmen investieren dürfen, welches mehr als fünf Prozent seines Jahresumsatzes mit Kriegsgütern macht. Zudem soll sich der Bundesrat auf nationaler und internationaler Ebene dafür einsetzen, dass ähnliche Regelungen auch für Banken und Versicherungen gelten. So verlangt es die Initiative, welche von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) und der Grünen Partei lanciert wurde.
Darüber debattierten am Politpodium Nadja Kuhn (Sekretärin der GSoA), Andreas Nufer (Theologe und Pfarrer an der Heiliggeistkirche in Bern), Elia Heer (junge GLP Bern) und Maja Riniker (FDP- Nationalrätin).
Als Einstieg in die Debatte übergab Moderatorin Corina Gall das Wort an Bundesrat Guy Parmelin. Per Videobotschaft erläuterte er die Meinung von Bundesrat und Parlament: Mit der Initiative könnten keine Kriege verhindert werden. Sie böte ausserdem keinen Mehrwert gegenüber den geltenden Regelungen und bedeute zu starke negative Auswirkungen auf die Schweiz. Folglich beurteilten sie die Initiative als unnötig, unrealistisch und wirkungslos und empfählen, sie abzulehnen.
Ein Kurzprotokoll zu den in der Debatte geäusserten Ansichten:
Gibt es weniger Krieg auf der Welt, wenn diese Investitionen nicht mehr getätigt werden dürfen?
Natürlich sei allen klar, dass nach Annahme dieser Initiative kein Weltfrieden herrschen werde, so Kuhn. Es könne aber ein Beitrag zu einer friedlicheren Welt geleistet werden, indem die Wurzel des Übels – die Waffe selbst – bekämpft wird. In Krisengebieten gäbe es eine Überpräsenz an Waffen, wodurch Konflikte schneller eskalierten.
Stehen diese Investitionen nicht in einem Widerspruch zu den humanitären Zielen und Bestrebungen der Schweiz?
Maja Riniker verneint. Dies sei nicht der Fall, da es bereits verboten sei, Waffen in Regionen zu liefern, in denen Völkerrecht verletzt werde. Dadurch, dass auch keine Waffen in Konfliktländer exportiert würden, würde auch das Neutralitätsrecht nicht verletzt. Die Schweiz zeige bereits grosses Engagement für andere friedensfördernde Massnahmen, wie die Vermittlung zwischen Staaten. Diese Methoden seien um einiges zielführender als die Initiative, die in ihren Augen keinen Krieg verhindern werde und somit unnötig sei.
Die Moderatorin berichtet von einem Fall, welcher in der «Rundschau» von SRF gezeigt wurde. Eine von Saudiarabien abgeworfene Bombe tötete im Jemen Zivilisten. Hergestellt wurde diese Bombe von einem US-amerikanischen Rüstungsunternehmen, von welchem die Schweizerische Nationalbank (SNB) zu diesem Zeitpunkt Aktien besass. Stellt dies ein Widerspruch mit der von Riniker beschriebenen Neutralität dar?
Dies sei ohne Zweifel ein tragischer Vorfall, so Riniker. Heute führe die SNB diese Titel jedoch nicht mehr. Sie habe selber gemerkt, dass es rentabler sein kann, solche Titel abzustossen und nachhaltiger zu investieren. Ein Vorgehen, welches auch vom Bundesrat unterstützt werde.
Auf die Frage, ob solche Fälle erst ans Licht kommen müssten, damit sich etwas ändere, meint Elia Heer, dass er dies nicht hoffe. Das Anliegen der Initiative sei gut und unterstützenswert, die Initiative selbst sei aber nicht umsetzbar und nicht logisch konsequent. Letzteres begründet er damit, dass einerseits nicht zwischen konventionellen und geächteten Waffen unterschieden und andererseits nicht beachtet werde, in welche Länder diese Waffen geliefert würden. Es sei ein grosser Unterschied, ob sie in demokratische Länder zur Friedenssicherung oder in Konfliktländer geliefert würden, wo sie Konflikte anheizen und zur Eskalation bringen können. Es sei nicht logisch konsequent, wenn wir als Schweiz auf die bewaffnete Neutralität setzen, der SNB aber verbieten, in Unternehmen zu investieren, welche diese Waffen herstellen.
In die Produktion von geächteten Waffen zu investieren ist bereits verboten – weshalb dennoch die Initiative?
Nadja Kuhn bestätigt, dass die direkte Investition zum Beispiel in Form von Krediten bereits verboten sei. Indirekte Investitionen, wie durch Aktienkauf, seien indessen nur verboten, wenn dadurch das Verbot der direkten Investition umgangen werden soll. Dieses juristische Schlupfloch könne mit der Initiative gestopft werden. Hinzu komme, dass die meisten Menschen in Konfliktregionen nicht nur durch nicht geächtete Waffen wie Chemie- oder Atomwaffen sterben, sondern auch durch Waffen, welche gemäss Kriegsmaterialgesetz legal seien.
Was sagt die Kirche?
Die Friedensförderung sei auch für die Kirche ein wichtiges Thema, so Andreas Nufer. Die Initiative überzeuge in zweierlei Hinsicht: Zum einen könne dadurch die Kriegsmittelproduktion ausserhalb der Schweiz gedrosselt werden, zum anderen würde geregelt, wie das Geld der SchweizerInnen investiert werden darf.
Stört es die Gegner der Initiative nicht, dass ihr Geld in Kriegsgüter investiert wird?
Nein, dies stört Maja Riniker nicht, da die Produktion von Kriegsmitteln nicht per se schlecht sei. Durch die Initiative würden Arbeitsplätze in der Schweiz gefährdet und Investitionen in die Entwicklung von neuen Technologien verboten. Zudem habe die Schweiz eine bewaffnete Armee und auch einen Produktionsauftrag, hinter dem sie stehe.
Wie können die wirtschaftlichen Interessen und die ethischen Bedenken gegeneinander abgewogen werden?
Die gewählte Umsetzung sei nicht verhältnismässig, weil der Nutzen zu klein sei, im Vergleich zum erzeugten Schaden, erläutert Elia Heer. Ihm sei es unangenehm, bei einem solchen Anliegen auf der Gegenseite zu sitzen. Doch die gewählten Instrumente könne seine Partei, die Grünliberalen, im Vergleich zum Ziel der Initianten nicht unterstützen.
Maja Riniker stellt hierzu der Gegenseite die Frage, wie es moralisch vertretbar sei, die Grenze bei fünf Prozent zu ziehen. Nadja Kuhn begründet diese Zahl damit, dass die internationalen Finanzindexe mit diesem Grenzwert arbeiten. Andreas Nufer fügt hinzu, dass eine Null-Prozent-Grenze natürlich wünschenswerter wäre, die Initiative hier aber der SNB und den Pensionskassen entgegenkomme, da eine solche Grenze in der Finanzwelt nicht umsetzbar sei.
Sind die hochgesteckten Ziele mit diesen Mitteln denn zu erreichen?
Auch der Bundesrat wolle einen nachhaltigen Finanzmarkt und verfolge daher grundsätzlich dasselbe Ziel wie die Initianten. Mit der Initiative könnten verpflichtende Regeln für die Erreichung dieses Zieles geschaffen werden. Zudem sei es zum Teil sogar lohnender, in nachhaltige Fonds zu investieren, ist das Ja-Komitee überzeugt.
Maja Riniker hält entgegen, dass die Sicherstellung der AHV bereits grosse Sorgen beschere. Sie würde durch die Initiative geschwächt, was den SchweizerInnen nicht zuzumuten sei.
Die Moderatorin richtet das Wort an Elia Heer und fragt
ihn, ob die Initiative nicht eine Möglichkeit wäre, einen nachhaltigeren
Finanzmarkt zu schaffen, was auch dem Ziel der GLP entspräche.
Die Schaffung eines nachhaltigeren Finanzplatzes sei durchaus ein Ziel der GLP.
Aus ihrer Sicht sei für dessen Umsetzung aber eine transparentere Finanzpolitik
nötig, damit sich die Anleger bewusst für nachhaltige Investitionen entscheiden
könnten. Das Verbot, in gewisse Unternehmen zu investieren, sieht er als
problematisch an, da die Politik dadurch einen zu grossen Einfluss auf die SNB
hätte.
Elia Heer sieht die Lösung in einem anderen Mittel. Es müsse verhindert werden, dass Waffen in Konfliktländer geliefert werden, was eine viel direktere Lösung wäre. Hier rührt er auch kurz die Werbetrommel für die Korrekturinitiative, die wahrscheinlich nächstes Jahr zur Abstimmung kommt und verbieten möchte, dass die Schweiz Waffen in Kriegsländer exportiert.
Was sind die Ängste der KMU?
Maja Riniker meint, dass viele KMU von den strengeren Richtlinien betroffen sein würden. Allein die vier grössten Rüstungsmaterialproduzenten hätten 4614 Schweizer Zulieferer. Zwar sei noch nicht klar, wie viele davon mehr als fünf Prozent des Jahresumsatzes mit diesen Produkten machten. Es würden aber mit Sicherheit KMU als Kriegsmaterialproduzenten gelten.
Vom Bundesrat wurde die Anzahl betroffener Unternehmen auf 3000 geschätzt. Dies ist laut Nadja Kuhn zu hoch, da Materialien, die auch einen zivilen Einsatz erlauben – sogenannte «Dual-Use-Güter» – nicht von der Initiative betroffen sind und nicht in diese 5-Prozent-Grenze einfliessen. Auch Andreas Nufer unterstreicht nochmals, dass Güter, welche doppelt genutzt werden können, nicht unter Kriegsmaterial gehen.
Dem widerspricht die Nein-Fraktion. Maja Riniker meint, dass die Zahl von 3000 Unternehmen sehr wohl realistisch sei, wenn man bedenke, dass allein die vier grössten Rüstungsmaterialproduzenten 4614 Zulieferer hätten. Elia Heer fügt hinzu, dass meist sehr feine, aber dennoch entscheidende Unterschiede zwischen den Produkten für den zivilen und den militärischen Nutzen bestünden, weshalb dennoch sehr viele Produkte als Kriegsmaterial klassifiziert würden.
Hätten Schweizer Unternehmen ausgenommen werden können?
Die Ja-Fraktion bezieht sich auf die ungenaue Formulierung, welche dem Bundesrat die Aufgabe überträgt, sich auf nationaler und internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass für Banken und Versicherungen ähnliche Regelungen gelten. Ebenfalls betonen die Initianten immer wieder, dass es ihnen bei dieser Vorlage in erster Linie um die internationalen Rüstungsfirmen gehe.
Die Nein-Fraktion meint hierzu, dass im Initiativtext explizit hätte definiert werden müssen, dass nur internationale Konzerne betroffen sein sollten. Nach dem jetzigen Initiativtext würden auch nationale Unternehmen, welche als Kriegsmittelproduzenten gelten, keine Kredite von Banken mehr erhalten können.
Die aktuelle Umfrage der SRG zeigt, dass momentan 50 Prozent ja und 45 Prozent nein stimmen, während 5 Prozent noch unentschlossen sind. Dieser Stand stimmt beide Seiten optimistisch, eine Entwicklung auf beide Seiten ist noch möglich. Am 29. November 2020 werden wir sehen, wie das Schweizer Volk entscheidet.