Zusammenfassung: Heiner Bregulla (71)
Einige Wirtschaftsverbände, Jungfreisinnige und die SVP schalten auf Rot. Der Klimastreik enthält sich der Stimme. Worum geht es im neuen Gesetz und gelingt damit wirklich eine grüne Wende bis 2050? Auf dem Politpodium debattieren Albert Rösti (SVP), Sandro Frei (Jungfreisinn), Melanie Mettler (GLP), Kornelia Hässig (SP) und Aktivistin Michelle Reichelt.
Die Schweiz will die CO2-Emmissionen bis 2050 auf Netto-Null senken. Dazu verpflichtet das Pariser Klimaabkommen. Ist das CO2-Gesetz nun die Umsetzung des Abkommens? Nimmt die Schweiz damit Kurs Richtung Netto-Null? Oder ist das Gesetz «teuer, nutzlos und ungerecht», wie das die GegnerInnen sagen?

Bild: Hans-Peter Rub
Vom starken langsamen Bohren
In einem Vortrag im Jahr 1919 hat der Urgrossvater der heutigen Soziologie, Max Weber, gesagt: «Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmass zugleich.»
Wer mit dieser Brille das Podium zum CO2-Gestz von UND Generationentandem am Mittwoch, 27. Mai 2021 verfolgt hat, der oder die hat bald einmal gemerkt, dass hier von verschiedenen Brettern und Bohrern geredet wurde und nicht alle Lust hatten, überhaupt zu bohren. Der Livestream aus dem FrachtRaum in Thun, moderiert von Elias Rüegsegger (26), liess diesen Schluss zu.
«Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren
Max Weber
von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmass
zugleich.»

Albert Rösti, 53, SVP Nationalrat und Gemeindepräsident von Uetendorf, ist der Meinung, dass hier an den falschen Brettern gebohrt wird. Lieber würde er über Ernährungsfragen diskutieren, die er wichtiger und vordringlicher findet. Es wird nicht klar, ob er im Auftrag oder in Richtung seiner Klientel redet: der Bäuerinnen und Bauern, der Heizöltranporteure und natürlich der 71-jährigen Rentnerin, die ihr Haus nicht auf den vom CO2-Gesetz geforderten Standard bringen kann, weil ihr das Geld fehlt.

Hier wird mit den falschen Instrumenten gebohrt, findet Sandro Frei, 27, vom Jungfreisinn und vermisst, dass liberale Grundsätze vom vorliegenden Gesetz nicht durchweg eingehalten werden. Zu wenig Geld fliesst zurück zu den Bürgern und nicht immer wird auf Freiwilligkeit gesetzt.

Dass ihr die ganz Bohrerei zu mühsam ist und das falsche Mittel, um die Klimaziele zu erreichen, gibt Michelle Reichelt, 28, Klimaaktivistin, unumwunden zu. Sie empfiehlt statt dessen, die 70-Punkte-Schrift der Klimajungend zu studieren.

Dass es sich lohnt, angestrengt zu bohren, um ein ausgeglichenes Gesetz zu schaffen, das von allen etwas abverlangt und vielen etwas zurückgibt, davon sind Melanie Mettler, 43, Nationalrätin GLP, und Kornelia Hässig, 54, Grossrätin der SP und Präsidentin von Casa fair, überzeugt.

Das Gesetz verlangt von allen etwas und gibt auch vielen etwas zurück. Es ist das Ergebnis langer Verhandlungen in den Räten. Bei einer Ablehnung droht ein Vakuum, weil das bisherige Gesetz im nächsten Jahr ausläuft.
Und jetzt wird abgestimmt
Die Wählerin und der Wähler haben also die Wahl: Ein neues Gesetz, das nicht ohne Fehl ist, aber ein guter eidgenössischer Kompromiss, oder gar kein Gesetz und die Hoffnung auf neue Techniken, private Initiativen und den Markt, der alles schon irgendwie regeln wird. Oder gar kein Gesetz und die Gewissheit, dass man eigentlich, weiss, was getan werden müsste, weil man ja ein absolut wasserdichtes 70-Punkte-Programm in der Tasche hat.

Kornelia Hässig und Melanie Mettler. – Bild: Hans-Peter Rub

Auf dem Podium
- Albert Rösti (53), Nationalrat und Mitglied der Umwelt- und Energiekommission (UREK), ist ehemaliger SVP-Präsident und Präsident von SwissOil.
- Sandro Frei (27), Vizepräsident der Jungfreisinnigen Kanton Zürich und Mitglied Kernteam «Liberale für eine wirksame Umweltpolitik». Er ist Inlandredaktor Nebelspalter.
- Michelle Reichelt (28) ist Aktivistin und beschäftigt sich damit, wie wir innerhalb der planetaren Belastbarkeitsgrenzen ein gutes und lebenswertes Leben führen können.
- Kornelia Hässig (54) ist SP-Grossrätin Kanton Bern und Vizepräsidentin von Casafair, dem Verband für umweltbewusste WohneigentümerInnen.
- Melanie Mettler (43) ist Nationalrätin und Vizepräsidentin der GLP Schweiz. Sie hat mit «Sunraising» ein Community-Projekt für Solaranlagen in Stadtberner Quartieren lanciert.
