
Angefangen hat alles mit Greta Thunberg aus Schweden. Greta ist 16 Jahre alt, hat lange, rotbraune Zöpfe, Sommersprossen und grosse, graue Augen. Sie könnte problemlos einem Roman von Astrid Lindgren entsprungen sein, läge da nicht dieser ernste Ausdruck auf ihrem Gesicht. Greta macht sich Sorgen um ihre Zukunft. Sie war acht, als sie das erste Mal vom Klimawandel hörte. Und konnte es zuerst nicht glauben: Wenn das Problem tatsächlich so gravierend ist, wieso tut dann niemand was dagegen? Sie begann, Bücher zum Thema zu lesen, wurde eine Expertin der Problematik. Im August des vergangenen Jahres fing Greta damit an, die Schule zu schwänzen, um gegen die Klimapolitik ihres Landes zu protestieren. Bewaffnet mit einem Schild mit der Aufschrift «SKOLSTREJK FÖR KLIMATET» setzte sie sich von nun an jeden Freitag vor das schwedische Parlamentsgebäude.
International bekannt wurde sie, als sie sich im Dezember am Klimagipfel in Polen vor die PolitikerInnen stellte und ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken verkündete:
«Ihr sprecht nur darüber, mit den immer gleichen schlechten Ideen weiterzumachen, die uns in diese Krise geführt haben. Und das, obwohl die einzige vernünftige Entscheidung wäre, die Notbremse zu ziehen. Wir können keinen Ausweg aus dieser Krise finden, wenn wir sie nicht wie eine Krise behandeln. Und wenn Lösungen in diesem System so schwer zu finden sind, dann müssen wir vielleicht das System ändern. Im Jahr 2078 werde ich meinen 75. Geburtstag feiern. Falls ich Kinder habe, werden sie diesen Tag vielleicht mit mir verbringen. Vielleicht werden sie mich nach euch fragen. Vielleicht werden sie fragen, warum ihr nichts unternommen habt, solange es noch Zeit gab, um zu handeln. Ihr sagt, dass ihr eure Kinder über alles liebt. Und trotzdem stehlt ihr ihnen ihre Zukunft, direkt vor ihren Augen.» Greta Thunberg
Klimastreiks weltweit
So wurde Greta über Nacht zu einer Gallionsfigur der Klimabewegung und einem Vorbild für tausende von SchülerInnen. Es ist, als hätten alle nur darauf gewartet, dass jemand wie Greta den ersten Schritt macht. Wie ein Buschfeuer ging die Nachricht um die Welt. Die ersten Klimastreiks fanden bereits im Dezember statt, am Freitag, 18. Januar ging es in die nächste Runde. Die Bewegung in der Schweiz wird über regionale Komitees und Whatsapp-Gruppenchats innerhalb der einzelnen Schulen koordiniert. Inzwischen hat sich eine gut organisierte Protestwelle formiert. Mehr als 22’000 SchülerInnen aus der ganzen Schweiz streikten am Freitagnachmittag den obligatorischen Unterricht, um so ein Zeichen zu setzen. Ebenso in Deutschland, Österreich, Belgien, Finnland, Schweden, Italien, England, Tschechei, Südafrika, Uganda, Nigeria, Neuseeland, Kolumbien, Kanada und in den USA. Mit bunten Schildern und Transparenten zogen sie lautstark durch die Strassen. «Stop looking away, you’ll feel it anyway», war da zu lesen oder: «The World will survive Climate Change, We won’t». Wut ist in ihren Stimmen zu hören. Und noch etwas: Angst. Die SchülerInnen, die hier durch die Strassen ziehen, sind alle zwischen 12 und 20. Was für eine Zukunft steht ihnen bevor? Welche Last tragen sie auf ihren Schultern?

Die Hauptforderungen der Jugendlichen: Netto null Treibhausgas-Emissionen bis 2030 und die Ausrufung des Klimanotstandes. Diese Forderungen sind zwar hoch, aber nicht unmöglich. Und in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden, die einzige Lösung, um den Klimawandel auf ein erträgliches Mass zu begrenzen.
Die CO2 Konzentration hat seit der industriellen Revolution um fast 50 Prozent zugenommen, die durchschnittliche Temperatur der Erde ist seit 1880 um 1.17 Grad angestiegen und die sechs wärmsten Jahre, seit es die Menschen gibt, waren alle nach 2010. Wir alle bekommen die Klimakrise schon jetzt zu spüren, manche mehr, manche weniger. Aber spätestens, wenn Hitzewellen zum Normalzustand werden, die Meerespegel ansteigen und Millionen von Menschen zur Flucht gezwungen werden, wird niemand mehr wegschauen können. Nur wird es dann zu spät sein, um die Erhitzung der Atmosphäre noch aufhalten zu können.
Das Klima ist ein instabiles System. Es erhitzt sich nicht gleichmässig, im Gegenteil: Der Temperaturanstieg stösst sogenannte Feedback-Loops an – im Volksmund sagt man auch ‘Teufelskreise’. Diese verstärken die Klimakrise durch natürliche Prozesse, beispielsweise weil noch mehr Treibhausgase freigesetzt werden oder kühlende Klimaeffekte abnehmen. Ein konkretes Beispiel dafür ist der Permafrost. Im Permafrostboden im Norden von Kanada, Russland und Europa sind 1.4 Billionen Tonnen Kohlenstoff (vor allem Methanhydrat) gespeichert. Der Permafrost ist seit der letzten Eiszeit ganzjährig gefroren, taut aber durch die Klimaerhitzung langsam auf, setzt Methan frei und heizt so das Klima noch mehr an.
Die Klimaerwärmung ist extrem komplex. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass man sich damit auseinandersetzt.
Gemeinsam können wir es schaffen
Ich bin selber Schülerin und Teil dieser Bewegung. Und wie Greta habe ich mich gefragt: Wieso tut denn niemand etwas? Wir sprechen beim Klimawandel nicht von einer Verschwörungstheorie, sondern von einem wissenschaftlich belegten Ereignis. Jedes Kind weiss, dass den Eisbären in der Arktis das Eis unter den Füssen wegschmilzt. Und wir alle haben es diesen Sommer zum wiederholten Mal am eigenen Leib gespürt: Es wird heisser. In Anbetracht dessen ist es mehr als beängstigend, wie tatenlos die Politik zusieht. Jeder und jede, der/die ein Kind hat, sollte sich zumindest schon in dessen Interesse damit befassen. Auch ich frage mich: Was für eine Zukunft steht mir bevor? Wie wird unser Planet in 20, 30 Jahren aussehen? Und falls ich mal Kinder haben sollte, wird ihnen diese Erde ein lebenswertes Leben bieten können?
Böse Zungen schimpfen über die schwänzenden SchülerInnen, die doch in ihrer Freizeit streiken sollen, wenn ihnen das Thema so sehr am Herzen liege. Erstens wäre dann ja wohl der Sinn eines Streikes nicht erfüllt und zweitens sollte uns das Thema allen am Herzen liegen, die Klimakrise macht nämlich keinen Unterschied zwischen links oder rechts, arm oder reich, jung oder alt – Sie trifft uns alle. Natürlich sind SchülerInnen auch nicht bessere Menschen als alle anderen. Genau deshalb muss sich ja auf Gesetzesebene etwas verändern, weil wir Menschen einfach zu bequem sind, um uns freiwillig einzuschränken. Wir müssen die Politik dazu bringen, Massnahmen zu ergreifen. Und zwar jetzt!
Ich finde es toll, dass entgegen der gängigen Meinung, Junge seien unpolitisch, gerade von den Jungen ein Zeichen gesetzt wird. Und ich hoffe, dass man uns jetzt auch zeigt, dass unsere Meinung etwas zählt, dass wir etwas bewirken können.
Am 02.02.2019 findet diesmal kein Streik, sondern eine nationale Klima-Demo statt. Alle, die sich für eine lebenswerte Zukunft einsetzen wollen, sind aufgefordert daran teilzunehmen.
Empfehlung der Autorin: Dossier von «Extinction Rebellion», einer globalen Klimabewegung. Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen veranschaulicht es komplexe Vorgänge und fasst die wichtigsten Zahlen und Fakten zum Klimawandel zusammen: Klimanotstand ausrufen, die wissenschaftliche Rechtfertigung.