
Was ist Greenwashing?
Als Greenwashing bezeichnet man Werbung und/oder Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens, welches sich mit Versprechen und Statements zu Nachhaltigkeit einschliesslich Umwelt- und Klimaschutz in ein gutes Licht stellen möchte. Das Problem dabei: Den schönen Worten folgen oft keine Taten. Das Unternehmen macht diese Werbung nur, um mehr KundInnen anzulocken und somit mehr Profit zu erwirtschaften.
Selina Vögtlin: Ich gebe zu: Oft werden meine Einkäufe von Werbung gesteuert. Zwar kaufe ich vieles einfach aus Gewohnheit. Wird aber ein Produkt speziell als gesund, nachhaltig, klimafreundlich et cetera verkauft, kann dies schon dazu führen, dass ich dieses «bessere» Produkt kaufe, anstatt bei der Gewohnheitsmarke zu bleiben. Allerdings lasse ich mich dann allein durch Worte wie «gesund», «nachhaltig», «klimafreundlich» oder «ohne Kinderarbeit hergestellt» zum Kauf verleiten. Ich prüfe nicht nach, ob dies nun auch der Wahrheit entspricht oder mich das Unternehmen mit den schönen Worten zu einem Kauf verlocken will, ohne dass es sich tatsächlich für eine bessere Umwelt einsetzt.
Ist es naiv von mir, der Werbung zu vertrauen? Darf ich überhaupt noch glauben, was ein Unternehmen über die eigenen Produkte erzählt oder ist sowieso der Profit immer an oberster Stelle? Wie weiss ich, ob etwas in Wirklichkeit so ist, wie es verkauft wird? Ich habe auf keine dieser Fragen eine Antwort. Ich bin bei der Produktion von meinen Kleidern, Schuhen, Nahrungsmitteln ja nicht dabei und wünschte mir deshalb den Deklarationen, welche in der Werbung oder auf der Verpackung stehen, glauben zu können.
«Darf ich überhaupt noch glauben, was ein Unternehmen über die eigenen Produkte erzählt oder ist sowieso der Profit immer an oberster Stelle?»
Selina Vögtlin
Aber so einfach ist es leider nicht, weshalb wir wohl alle immer wieder auf diese «Tricks» hereinfallen. Es ist nicht möglich, vor jedem Einkauf stundenlang das Internet zu durchforsten, ob mit den Produkten auf der Einkaufsliste alles «in Ordnung» ist. Denn da kommt schon die nächste Frage: Ab wann ist ein Produkt «in Ordnung»? Muss es nachhaltig sein, also so hergestellt werden, dass dabei nicht mehr Ressourcen verbraucht werden, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren und künftig wieder bereitgestellt werden können? Sind Bioprodukte automatisch nachhaltig? Soll das Produkt möglichst wenig Abfall hinterlassen, muss es wiederverwertbar, klimaneutral, fair produziert sein, ohne Tierversuche? Und ins Haushaltsbudget sollte es ja eigentlich auch noch passen, oder?
«Tricksen und schönreden, sich ein «grünes Mäntelchen umhängen», das ist bei Werbung keine Seltenheit.»
Helmut Segner
Wie erkenne ich Greenwashing?
Tricksen und schönreden, sich ein «grünes Mäntelchen umhängen», das ist bei Werbung keine Seltenheit. Aber es gibt Möglichkeiten, Greenwashing zu erkennen.
Sind die Aussagen in der Werbung belegt?
Wenn zum Beispiel ein Produkt als «100 % ökologisch» beworben wird, ist die Aussage ohne Beleg durch ein entsprechendes Prüf-Label wie Demeter oder Knospe BioSuisse wertlos. Natürlich gibt es auch bei den Labels vertrauenswürdigere und weniger vertrauenswürdige, aber das kann man schnell und einfach nachprüfen, zum Beispiel über www.labelinfo.ch. Manche Label, die in der Greenwashing-Werbung auftauchen, wie zum Beispiel «biologisch zertifiziert», gibt es gar nicht. Es lohnt sich, Begriffe wie «nachhaltig», «natürlich», «organic», «bio» et cetera kritisch zu hinterfragen, denn diese sind nicht geschützt und können so beliebig verwendet werden.
Sind die Aussagen in der Werbung vage und irrelevant?
So sagt Nestlé beispielsweise, dass sie sich bemühen, den Anteil von Recycling-Aluminium zur Herstellung der Einweg-Kaffeekapseln zu erhöhen. Allerdings werden keine konkreten Zahlen angegeben – wieviel Prozent der Kapseln werden denn tatsächlich mit wiederverwertetem Aluminium erzeugt?
Gerne werden beim Greenwashing auch Aussagen gemacht, die positiv klingen, aber im Hinblick auf die Nachhaltigkeit nicht wirklich von Belang sind. Kosmetikfirmen bewerben ihre Erzeugnisse gerne als «Tierversuchsfrei» – was aber irrelevant ist, da die Testung von Kosmetikmitteln in Tierversuchen seit 2009 verboten ist und somit nicht als Hinweis auf ein besonders ethisches Engagement des Herstellers taugt. Auch bei der Bewerbung eines Salat-Gerichtes als «plant-based» kann man sich fragen, welcher Informationsgehalt darin steckt.


Ist es eine offensichtliche Lüge?
Ein Beispiel sind die CO2-Emmissionsdaten für Plug-in Hybrid-Autos. Die entsprechenden Daten werden im Labor unter recht artifiziellen Bedingungen ermittelt. Die realen Emissionswerte der Autos im Strassenverkehr sind jedoch deutlich höher. In vielen Fällen liegen die Emissionen sogar deutlich höher als die der entsprechenden Modelle mit Benzin- oder Dieselmotor. Als VerbraucherIn denkt man aufgrund der Greenwashing-Werbung, man tue etwas Gutes für das Klima. Aber tatsächlich fährt man ein Auto mit besonders hohem CO2-Ausstoss.

Wie für fast alles, gibt es auch zur Erkennung von Greenwashing Apps mit weiterführenden Informationen zu Unternehmen und Inhaltsstoffen. Beispiele sind Ethik.Guide oder CodeCheck. Weiter kann man darauf achten, wie sich ein Unternehmen selbst präsentiert. Ist es ehrlich und transparent oder existieren Widersprüche?
Es ist auch immer hilfreich, sich die Zutatenliste von Produkten anzuschauen: Will ich ein Produkt kaufen, das gemäss Zutatenliste Palmöl enthält? Für die Herstellung von Palmöl wird sehr viel Regenwald gerodet und die Zertifizierungslabels für Palmöl sind fragwürdig. Will ich Kosmetika kaufen, die Parabene enthalten? Parabene reichern sich im Körper an und stehen im Verdacht, das Hormonsystem zu beeinflussen.

Eigenverantwortung
Selina Vögtlin: Wichtig ist es, dass ich mir klar darüber werde, welche Ansprüche ich an ein Produkt habe. Oft muss ich zwischen verschiedenen Nachhaltigkeits-Faktoren abwägen. Beispiel: Elektroautos gelten als klimafreundlich, weil sie kein CO2 ausstossen. Aber der Strom wird teilweise mit Kohlekraftwerken erzeugt, die eine ausgesprochen schlechte CO2-Bilanz haben, und der Abbau des Lithiums für die Autobatterien führt zu massiven ökologischen Schäden. Letztlich sind das eigene Gefühl und die eigene Skepsis immer ein gutes Mittel um nicht blind jeder schönen Werbung zu trauen, welche einem gerade über den Weg läuft.
«Ich möchte seriösen Unternehmen mein Vertrauen schenken und daran glauben, dass den Worten in einer Werbung Taten folgen und ich diese wiederum mit meinem Kauf unterstütze.»
Selina Vögtlin
Es ist enorm schwierig, alles zu beachten und auf alles Rücksicht zu nehmen. Es ist mir aber ebenso enorm wichtig, dass ich nicht etwas unterstütze, was für Mensch, Tier, Umwelt und Klima schädlich sein könnte. Deshalb gebe ich mir Mühe, dass ich einen Mittelweg finde: Ich möchte selbstständig bleiben und hinterfragen dürfen; ich möchte mich nicht blindlings auf Werbungen verlassen. Aber ich möchte auch (für mich) seriösen Unternehmen mein Vertrauen schenken und daran glauben, dass den Worten in einer Werbung Taten folgen und ich diese wiederum mit meinem Kauf unterstütze.