
Ist das Ausrufen des Klimanotstandes – so geschehen am 27. Juni 2019 durch den Stadtrat der Stadt Thun – das richtige Mittel zur Beherrschung des Klimawandels oder bleibt es bei blosser Symbolpolitik? Mit dieser Frage startete Moderator Elias Rüegsegger (25) die Podiumsdiskussion des zweiten UND-Generationenforums.
Auf dem Podium
Lea Schütz und Linus Dolder (Klimastreik)
Prof. Dr. Olivia Romppainen, Klimaforscherin Universität Bern
Raphael Lanz (SVP), Stadtpräsident
Marc Barben (Grüne), Stadtrat
Susanne Ernst (FDP, Stadträtin
Nicole Krenger (GLP), Stadträtin


Die Klimastreikenden betrachten den Klimawandel nicht weiter bloss als Wandel, sondern als Klimakrise. Die Forderung der Klimabewegung nach netto Null Treibhausgasemissionen bis 2030 hat in Politik und Gesellschaft intensive Diskussionen ausgelöst.
Wünschenswert! Realisierbar?
Die Klimaforschung zeigt in zahlreichen Studien, dass der «business as usual-Weg» aus wissenschaftlicher Sicht nicht mehr zu verantworten ist. Von Seiten der Wissenschaft ist die Forderung der Klimastreikenden daher wünschenswert. Ob sie realisierbar ist, bleibt allerdings unklar. Denn bekanntlich steckt der Teufel im Detail. Und zudem ist der politische Wille für dieses ambitionierte Ziel unabdingbar.
Was bedeutet «Netto-Null-Emissionen»?
«Netto-Null-Emissionen» bis 2030 oder 2050 wird oft gefordert in der von Greta Thunberg ausgelösten weltweiten Klimabewegung. Der Weltklimarat zeigt im neusten IPCC-Bericht von 2018 auf, dass die Nettoemissionen auf Null reduziert werden müssen, um die globalen Temperaturen zu stabilisieren. Und dass jedes Szenario, welches keine Reduktion auf Null beinhaltet, den Klimawandel nicht aufhalten würde. Dieses Ziel wurde von der Schweiz, der EU und vielen anderen Staaten im Rahmen des Pariser Abkommens ratifiziert.


Die Podiumsrunde diskutierte schwerpunktmässig die Themen «Grüne Mobilität» und «Bauen, Wohnen, Heizen». Neueste Zahlen über die Verkehrsanteile in der Stadt Thun veranlassen die VertreterInnen der Klimabewegung im Sinne der grünen Mobilität einen kostenlosen öffentlichen Verkehr zu fordern. Die anwesenden PolitikerInnen bestätigen, dass über reduzierte Tarife diskutiert werde. Auch die sogenannte Sharing Economy (geteilte Nutzung) gilt es zu fördern. In andern Städten werden solche Anreize mit Vorschriften kombiniert. Die Stadt Thun hat die Zahl der öffentlichen Parkplätze reduziert und ein Parkhaus im Schlossberg eröffnet. Damit soll die Innenstadt fussgängerfreundlicher sein.
Gefahr auf dem Gehweg?
Der Stadtpräsident Raphael Lanz weist darauf hin, dass der zunehmende Verkehr nicht «gemacht» werde, weil dies einer Stadt Freude bereite. In Thun zeige sich am Beispiel des rechten Seeufers oder von Baustellen in Nachbargemeinden eine überregionale Problematik des motorisierten Individualverkehrs (MIV). Auch dürften das demokratische System und damit zusammenhängende übergeordnete Vorschriften nicht ausgehebelt werden.

Aus dem Publikum werden gefahrenfreie Trottoirs gefordert. Es wird bemängelt, dass FussgängerInnen die Gehwege nicht selten mit VelofahrerInnen teilen müssen, was zu nehmend gefährlicher werde. Es wird eine klarere Trennung und Priorisierung gefordert. Einig ist man sich in der Podiumsrunde, dass individuelle Änderungen im Verhalten beim Langsamverkehr (Fussgänger, Velo) mit gezielten Anreizen eingefordert werden sollen. Zum Beispiel mit mehr und grosszügigeren Velowegen. Dies würde die zunehmenden Konflikte zwischen FussgängerInnen und VelofahrerInnen reduzieren.
Zu reden gibt auch der fehlende Einsatz umweltfreundlicher Busse bei der STI. Warum fahren diese in Thun immer noch mit Diesel? Dass Thun in dieser Hinsicht Nachholbedarf hat, ist in der Runde unbestritten. Solche Änderungen bedingen allerdings eine längerfristige Planung. Diese ist im Gange.

In der ganzen Diskussion über das Thema «Grüne Mobilität» zeigt sich immer wieder, dass der Teufel im Detail steckt. Verbote sind selten beliebt und sie stossen an demokratische Grenzen. Anreize schaffen verursacht neue Kosten. Die Umverteilung von Geldern vom MIV zum Langsamverkehr erfordert den politischen Konsens.
Reicht die Freiwilligkeit?
Die Diskussion über das Thema «Bauen, Wohnen, Heizen» zeigt insbesondere die Trägheit, mit welcher grundlegende Veränderungen zum Tragen kommen können. Unbestritten ist, dass bei Neubauten die neuesten Umweltstandards strikte eingehalten werden müssen. Die Stadt Thun ist dabei, ihre städtischen Bauten an das Fernwärmenetz anzuschliessen. Das Erneuern der Gebäudestubstanz geht insgesamt nur langsam vor sich. Förderfonds für umweltfreundliche Gebäudesanierungen haben heute in der politischen Diskussion allerdings eine grössere Akzeptanz.
Seitens der beiden Klimabewegten wird im Verlaufe der Podiumsdiskussion immer wieder moniert, dass Freiwilligkeit allein nicht ausreiche. Es brauche Vorschriften. Alle Teilnehmenden betonen die Notwendigkeit unabhängiger, kompetenter Informationen, welche den Bürgerinnen und Bürgern in verständlicher Form zu kommunizieren sind. Auch der Hinweis der Klimaforscherin, wonach nur eine Kombination von finanziellen Anreizen und Regelungen Erfolg haben werde, wird auf dem Podium unterstützt. Die Forscherin weist zudem darauf hin, dass grosse technische Transformationen immer einhergingen mit staatlicher Steuerung.

Chancen und Risiken
Hier ein Überblick über Chancen und Risiken, welche durch die Klimadebatte angestossen wurden:
Chancen
– Forschung und Innovation werden angeregt
– Anreize werden geschaffen
– Es braucht einen Konsens über die Geldflüsse
– Wir können als Gesellschaft einen Schritt weiterkommen
– Die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Technik und Politik ist möglich und vordringlich
Risiken
– Überregulierung durch die Politik
– Einschränkungen für die Wirtschaft
– Gefahr einer Spaltung in der Gesellschaft. Die Solidarität darf nicht gefährdet werden
– Endlose Debatten ohne Resultat, es bleibt beim Reden
– Die Klimastreikenden werden nicht mehr ernst genommen
– Wissen und eigenes Verhalten sind nicht immer kompatibel (Widersprüche)
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Ich finde es super wie sich die Jugend einsetzt. Lieber spät als nie!!!