Im Juni 2019 hat Thun den Klimanotstand ausgerufen. Schon damals hat UND Generationentandem zum grossen Forum geladen. Was hat dieser Aufruf bewirkt? Ist seither genügend geschehen und wie geht es nun weiter? Moderator Elias Rüegsegger (26) fragt am Generationenforum vom 21. April 2021: «Klimanotstand, was tut Thun?» Das Generationenforum ist die Denk- und Machfabrik der Zivilgesellschaft in und um Thun.

Zu Beginn des hochkarätig besetzten Podiums haben alle PodiumsteilnehmerInnen genau zwei Minuten Zeit, ihre Positionen zu erklären. Diese zwei Minuten werden eingehalten, doch die drängende oder bereits abgelaufene Zeit in Bezug aufs Klima bleibt die gesamten eineinhalb Stunden hindurch ein grosses Thema. «Zeit haben wir schon lange keine mehr», stellt Lea Schütz (19) vom Klimastreik gleich klar. Es könnte gerade auf lokalem Boden rascher vorangehen mit der Umsetzung der Klimaziele, meint Mirjam Läderach, WWF Kanton Bern (29). Jürg Grossen (52), Präsident GLP Schweiz, findet, die Auswirkungen des Klimanotstands 2019 seien bereits immens. Gut gebe es die Klimajugend, die die Prozesse beschleunige. Allerdings dürften die Ziele der Stadt schon ambitionierter sein und rascher avisiert werden.
«Zeit haben wir schon lange keine mehr.»
Lea Schütz (19)
Auch die Vertreter aus der Politik, Raphael Lanz (53), Stadtpräsident SVP, Marc Barben (32), Stadtrat Grüne, und Markus van Wijk (63), Stadtrat FDP, unterstreichen die Dringlichkeit, den Klimaschutz aktiv anzugehen. Vorher müssten jedoch erst die richtigen Rahmenbedingungen für die Realisierung geschaffen werden. Die Bandbreite von Ideen und Bedingungen ist gross. Die Zuschauer des via Livestream aus dem Stadtratssaal ausgestrahlten Podiums konnten ihre Fragen auf verschiedenen Kanälen einbringen.

Lea Schütz (18),Teilnehmerin Klimastreik, war schon vor zwei Jahren dabei, als der Klimanotstand ausgerufen wurde und findet es wichtig, dass das Klimaziel von höchstens 1,5 Grad Erderwärmung unbedingt eingehalten wird, glaubt aber, dass es nicht mehr fünf vor zwölf sondern bereits fünf nach zwölf ist. Thun könnte mehr tun als man bisher gesehen hat.

Bild: Hans-Peter Rub
Mirjam Läderach (29), WWF Bern, hat in Kopenhagen studiert und findet, dass es in der Stadt Thun, was den Zustand der Gebäude betrifft, noch Luft nach oben gibt. Sie glaubt, dass es wichtig ist die Klimaziele vor 2050 zu erreichen und eine Stadt, die sich aktiv dafür einsetzt, eine attraktive Ausstrahlung hat. Kopenhagen werde bis 2025 klimaneutral sein. Dort gehe man vom Ziel aus, dass die Hälfte aller Wege mit Velo oder ÖV zurückgelegt werde. Sie gibt aber zu, dass die Steuern in Dänemark um einiges höher sind als hier und damit auch der Spielraum der Behörden für Investitionen grösser ist.

Mark van Wijk (65), Stadtrat FDP Thun, ist überzeugt, dass es die Wirtschaft sein wird, die die Entwicklung vorantreiben wird, nicht die Bevölkerung. Die Stadt habe die Chance, sehr nahe an der Bevölkerung zu sein und mit ihr zusammen Schritte zu unternehmen. Vor zwei Jahren war er gegen die Ausrufung des Klimanotstandes, weil er dies für das falsche Mittel gehalten hat. Diese Haltung hat sich nicht geändert. Dass die Hälfte der 10 Massnahmen, die die FDP vorgeschlagen hat, vom Gemeinderat abgelehnt wurden, hänge damit zusammen, dass die vorgeschlagenen Massnahmen regionaler oder nationaler Natur seien. Er könne sich vorstellen, dass bis Jahr 2030 wieder eine Aarequerung im Bereich Thun Süd geplant werde für motorisierte und langsam fahrende VerkehrsteilnehmerInnen.

Marc Barben (42), Stadtrat Grüne, weist auf die 155 Massnahmen hin, die die Mitglieder des Stadtrates vorgeschlagen haben und aus denen Ende dieses Jahres die Klimastrategie entstehen soll. Er fordert die Stadt auf, ihre Gebäude mit 100 Prozent Biogas zu heizen und findet generell, dass in Thun mehr möglich sei, als aktuell getan werde. Seit dem Einzug von Andrea de Meuron in den Gemeinderat hat die Fraktion der Grünen konstruktiv im Stadtrat weitergearbeitet und im Bereich Gebäudesanierung und Mobilität 84 der 155 Vorschläge eingebracht. Wenn es nach den Grünen geht, soll die Stadt Energiestadt werden.

Raphael Lanz (53), Stadtpräsident, findet, dass in der Stadt Thun schon viel gegangen ist. Der Gemeinderat werde auf der Basis eines Grundlagenberichts eine Klimastrategie entwickeln. Aktuell werde zum Beispiel das Fernwärmenetz ausgebaut, 75 neue Veloparkplätze in der Innenstadt geschaffen und man arbeite an einem Bikeleitsystem. Das Klimaziel 2050 werde Thun erreichen. Zusammen mit Andrea de Meuron bildet er die Klimadelegation des Gemeinderates. Die Aufgaben seinen gross, wenn man zum Beispiel daran denke, dass es in Thun 120 Ladestationen für E-Autos braucht. Vielfach tauchten bei der Umsetzung von Ideen unerwartete Hindernisse auf. Die Stadt müsse sich auch immer überlegen, wie sie die knappen finanziellen Mittel einsetze.
Das Papier zur Klima- und Energiestrategie der Stadt liegt zurzeit erst beim Stadtpräsidenten auf dem Schreibtisch. Was Raphael Lanz aber bereits am Abend verraten kann, ist, dass wichtige Schritte in den Bereichen Gebäude (ökologische Heizung), Mobilität (Verkehrsverlangsamung) und Strombeschaffung geplant sind.

Jürg Grossen (52), Präsident GLP, fordert von der Stadt Thun Massnahmen bei der Gebäudesanierung und im Bereich Mobilität. Konkret: Förderung der E-Mobilität und des öffentlichen Verkehrs sowie ein intelligentes Verkehrsnetz für den Langsamverkehr. Er findet, dass die bisherigen Massnahmen nicht genügen. Die Stadt Thun hätte beispielsweise mit der Unterstützung der STI Bus AG bei Anschaffung emissionsfreier Fahrzeuge ein Zeichen setzen können. Ohnehin werde es in 10 Jahren keine Verbrennerfahrzeuge mehr zu kaufen geben. Dass ein Umdenken oder Umorganisieren möglich ist, zeigt er an seinem eigenen Betrieb, dessen Gebäude und Fahrzeugpark schon seit einiger Zeit emissionsfrei sind.

Was wird Thun und die Region der Ölscheichs konkret tun?
Was ist zu tun? Sparen und mit den früher oder später bestimmt anfallenden Kosten die junge Generation belasten oder jetzt investieren und die Klimakrise nach Möglichkeit eindämmen? Es sind sich alle einig: Es gilt, möglichst bald viel und Vieles zu tun. Jürg Grossen doppelt nach, die Region Thun und das Berner Oberland seien die eigentlichen «Ölscheichs der Schweiz». Mit den bestehenden Möglichkeiten zur Stromproduktion seien hier beste Voraussetzungen geschaffen, dass Politik, Wirtschaft und Bevölkerung gemeinsam und unverzüglich auf das Klimaziel 2050 Netto-Null Emissionen hinarbeiteten.
Fazit
Die Stadt Thun wird wohl ihre Hausaufgaben machen:
- Ende des Jahres wird der Gemeinderat eine Strategie und einen Massnahmenplan vorlegen, die die Stadt bis 2050 auf den Weg bringen sollen (Netto-Null-Emissionen).
- Die Fahrzeuge werden nach und nach elektrifiziert und die Stadtliegenschaften klimaneutral ausgestaltet.
- Dass Thun in allernächster Zukunft eine Vorzeigestadt wird mit Solarzellen auf fast allen Dächern, mit überwiegend gut isolierten Gebäuden und einem Langsamverkehrsnetz, das den Namen verdient, ist eher nicht zu erwarten.
- Dass in einigen Jahren die Kettenfähre in der Schadau Realität wird und damit eine entscheidende Lücke im Langsamverkehrsnetz geschlossen wird, darauf kann man mit guten Gründen hoffen.
- Ob die globale Erwärmung auf 1.5 bis 2 Grad limitiert werden kann, scheint bei der zögerlichen Herangehensweise, die nicht nur in Thun herrscht, eher unwahrscheinlich.

Weitere Informationen
Übersicht: Vorgeschlagene Massnahmen der Parteien und die Antworten des Gemeinderats Thun.
Bericht zu den Klimaschutz-Eingaben der Parteien, 2. Juli 2020, Gemeinderat Thun
Energie und Klima: Infos der Stadt Thun
Roadmap Grossen, Februar 2021, Jürg Grossen
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