Am 26.01. trafen sich BefürworterInnen und Gegner des Mediengesetzes im Gymnasium Schadau in Thun. Unter der Moderation von Luc Marolf von UND Generationentandem brachten die beiden Seiten ihre Argumente vor und versuchten, das Publikum von ihren Standpunkten zu überzeugen.
Das Podium
– Ronnie Grob (46) ist Chefredaktor des Autoren- und Debattenmagazins «Schweizer Monat» und gegen das neue Gesetz.
– Marina Bolzli (41), mit dem Onlinemedium «Hauptstadt» will die Journalistin für einen neuen Berner Journalismus und Medienförderung sorgen.
– Michael Töngi (54), Nationalrat (Grüne), engagiert sich für mehr Medienförderung (er vertritt die kurzfristig verhinderte Aline Trede).
– Christian Wasserfallen (40), Nationalrat (FDP), sieht keinen Grund für das Mediengesetz – er sagt nein zu nicht überlebensfähigen «Staatsmedien» und unnötigen Subventionen.
Wie geht es der Medienlandschaft Schweiz?
Einig waren sich alle Anwesenden: Die Medienlandschaft in der Schweiz befindet sich im Umbruch. Die BefürworterInnen des Gesetzes sehen darin vor allem ein Risiko. Die Medienvielfalt sei gefährdet, insbesondere im Bereich der lokalen und regionalen Zeitungen. Deren Angebot würde immer weiter reduziert oder ganz verschwinden. In manchen Kantonen gäbe es heutzutage schon nur noch eine einzige Zeitung mit lokaler Berichterstattung.
Ronnie Grob und Christian Wasserfallen von den Gegnern sehen diese Entwicklung hingegen als natürliche Entwicklung auf dem Medienmarkt. Gewisse Medien seien mit ihrem Angebot oder Finanzierungsmodell eben nicht mehr zeitgemäss und würden verschwinden. Dafür seien in den letzten Jahren auch neue Medien entstanden. Es herrsche sowieso ein Überschuss an medialen Angeboten vor, bei dem einem die Zeit fehle, alles zu konsumieren. Ein gewisser Rückgang an Angeboten sei also keineswegs grundsätzlich schlecht.
Michael Töngi und Marina Bolzli von den BefürworterInnen entgegneten, diese Medienvielfalt sei etwas, das man nicht nur dem Markt überlassen dürfe. Diese Plattformen, besonder Lokalzeitungen, seien wichtig für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie, um über lokale Angelegenheiten zu informieren und Diskussionsplattformen zur lokalen Politik zu bieten. Deshalb sei es auch sinnvoll, sie zu fördern, wenn sie anders nicht mehr überlebensfähig wären.
Staatliche Unterstützung – gut oder schlecht?
Ronnie Grob findet es generell ungerecht, wenn bestimmte Medien staatliche Unterstützung erhalten und andere nicht. Er wies auf die «Republik» als ein Beispiel eines Mediums, das sich ohne Förderung etablieren konnte, andere Medien sollten diesen Weg ebenfalls einzuschlagen versuchen. Michael Töngi bezeichnete die «Republik» hingegen als einen «Leuchtturm», als das einzige derartige Projekt im deutschschweizerischen Raum, das in dieser Nische aktuell überleben könne. Nicht jede Zeitung könne diesen Werdegang einfach replizieren.
Christian Wasserfallen erklärt am Beispiel von Radiosendern, warum er die Förderung durch den Staat wettbewerbsverzerrend fände: Radiosender, welche kein Gesuch um Unterstützung stellen würden und sich nur durch Werbung finanzieren, wären gegenüber den geförderten Sendern immer stärker benachteiligt.
In den Augen der Gegner sind alle Medien am Ende des Tages von irgendjemandem abhängig, Ronnie Grob findet aber, er würde im Zweifelsfall lieber von privaten BesitzerInnen oder InvestorInnen abhängig sein als vom Staat, dem grössten und mächtigsten Player im Raum. Dass die Unterstützung an bestimmte Kriterien gebunden ist, erzeugt bei ihm die Horrorvorstellung von einem gesichtslosen Beamten, der irgendwo sitzt und überprüft, ob die Medien denn nun «genehm» seien. Christian Wasserfallen fügte hinzu, die aktuellen Kriterien seien teilweise absurd – eine Berichterstattung über ein Heimspiel der lokalen Fussballmannschaft zähle als «lokal», über das Auswärtsspiel derselben Mannschaft zu berichten zähle hingegen nicht. Medien würden so nicht die Inhalte produzieren, die die LeserInnen, ZuschauerInnen oder HörerInnen wirklich interessieren, sondern diejenigen, mit denen sie die Quote an lokalen Berichten erfüllen, um Unterstützung zu bekommen.
Die BefürworterInnen sehen in den Kriterien für die Medienförderung keine Gefahr. Diese seien eine geringe Hürde, an denen kein Medium scheitern würde und würden die Inhalte nicht beeinflussen. Auch seien sie klar und transparent einsehbar, etwas, das man bei Medien in Privatbesitz nicht behaupten könne.
Die Frage nach der «Staatsnähe»
In den Augen der Gegner würde das Mediengesetz hingegen noch mehr staatsnahe Medien erzeugen, von denen es heute bereits zu viele gäbe. Im Verlauf des Podiums kam auch mehrfach das Thema auf, was genau denn «staatsnah» überhaupt bedeute.
Ronnie Grob sagte, für seinen Geschmack seien die meisten Medien und JournalistInnen heutzutage bereits zu staatsnah und unternehmerfeindlich. Das neue Gesetz würde dazu führen, dass noch mehr linksgrüne, urbane Positionen verbreitet würden. Michael Töngi lehnte diesen Vorwurf entschieden ab. Er fände es absurd, dass automatisch davon ausgegangen werde, «staatsnah» bedeute «links» und verwies auf die Konstellation des Bundesrats, in dem nach wie vor eine bürgerliche Mehrheit herrsche.
Da das Mediengesetz auch finanzielle Unterstützung für JournalistInnenschulen beinhaltet, kam auch die Frage nach den persönlichen politischen Tendenzen von JournalistInnen ins Spiel. Auch hier herrschten stark unterschiedliche Ansichten. Für Ronnie Grob sind 9/10 JournalistInnen, die er im Alltag antrifft, links orientiert. Auch Schulen wie das MAZ Luzern wären für diesen Trend mitverantwortlich. Die beste Ausbildung für JournalistInnen ist für die Gegner eine grundlegende Allgemeinbildung – eine gymnasiale Matur – sowie Lebens- und Berufserfahrung, kein Studiengang an einer JournalistInnenschule.
Die BefürworterInnen wiesen darauf hin, dass dies nicht reiche und es sehr wohl spezifische Ausbildungsgänge brauchen würde. JournalistInnen benötigten ein gewisses Basiswissen, sowohl in Bezug auf die journalistische Tätigkeit wie auch auf die Felder, aus denen sie später berichten sollen. Gerade kleinere Medien könnten es sich nicht leisten, eine derartige Ausbildung im eigenen Haus anzubieten und seien darauf angewiesen, ihre Auszubildenden an einen Ort wie das MAZ schicken zu können.
Haben wir beim Medienkonsum eine Gratismentalität? Und ist das längerfristig umkehrbar?
Ein weiterer kontroverser Teil des Medienförderungspakets ist die Unterstützung für Medien mit Bezahlschranken auf ihren Online-Inhalten. Sollte man diese ebenfalls subventionieren? Laut Ronnie Grob tendiert das junge Publikum heutzutage zu Gratisangeboten im Internet und wird von Bezahlschranken eher abgeschreckt. Es sei also unnötig, diese Medien zu fördern, die am Publikum vorbeiwirtschaften würden. Ausserdem: Warum sollte man für den Zugang zur Onlineausgabe einer Zeitung bezahlen, wenn man die gleichen Informationen auch auf der SRF-Website findet? Dass der Staat mit dem neuen Mediengesetz dann sowohl SRF als auch die Zeitung fördere, sei absurd. Für Christian Wasserfallen stellt die Gratismentalität ein Problem dar, das die Medienlandschaft sich selbst eingebrockt habe, und welches die Steuerzahlenden nun ausbaden dürften.
Marina Bolzli gab zu, dass ein Umdenken nötig sei, damit auch das Publikum wieder mehr bereit sei, für Journalismus zu bezahlen. Gleichzeitig müssten aber auch die Medien die Gestaltung ihrer Bezahlschranken überdenken, um diese attraktiver zu machen, etwa indem man weniger harte Schranken wie bei Tamedia, die jeglichen Zugang sperren, verwende. Das brauche aber Zeit – Zeit, die man mit dem neuen Mediengesetz überbrücken könne.
Dass das auf befristete Mediengesetz nur eine Überbrückung darstelle, zweifelte Christian Wasserfallen an. In sieben Jahren, wenn die Finanzierung neu diskutiert werden müsste, würde sich niemand hinstellen wollen und sagen, der Geldhahn werde jetzt zugedreht, stattdessen würden diese Subventionen bis dahin Standard werden, oder sogar noch weiter ausgebaut.
Michael Töngi ist sich zwar sicher, dass auch in 20 Jahren noch gedruckte Zeitungen existieren werden, er verwies aber auch auf verschiedene ihm bekannte Projekte, in denen bisher analoge Medien in grossem Rahmen in den digitalen Raum einsteigen wollen. Wenn das Thema aufgrund der befristeten Finanzierung in einigen Jahren neu diskutiert werden müsse, könnte man die neuen Entwicklungen in der gesamten Medienlandschaft auch berücksichtigen und schauen, wie man vonseiten des Staates auf diese reagieren wolle.
Die Abstimmung über das Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien findet am 13. Februar 2022 statt.
Politpodien von UND: Brisant, kontrovers und fair
UND Generationentandem lanciert vor eidgenössischen Abstimmungen politische Debatten für Menschen aller Generationen. Nationale Persönlichkeiten verschiedenster politischer Couleur treffen aufeinander – moderiert und organisiert durch unsere freiwillig Engagierten. «So fördern wir den Dialog der Generationen zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen», erklärt der Initiant und Geschäftsleiter von UND Generationentandem, Elias Rüegsegger.
Partizipativ, digital und innovativ – so lassen sich die Podien beschreiben: Das Publikum bringt sich via Mentimeter in die Diskussion mit ein. Via Livestream können ZuschauerInnen aus der ganzen Welt zuschauen. Die Podien stehen später als Video- und Audiopodcast auf den verschiedenen Plattformen zum Nachhören bereit.