Das Generationenforum begann so, wie man sich eigentlich keine Diskussion wünscht: mit Streit. Allerdings nur inhaltlich, denn debattiert wurde an diesem Abend sehr vorbildlich. Laut Sandro Brotz (51), Moderator der SRF- Arena, sollte Streit zwar positiv behaftet sein: Sein 16-jähriger Sohn streite häufig mit ihm über politische Themen, wobei sie im Idealfall den Konsens finden. Sandro Brotz ist der Meinung, dass das auch in der Gesellschaft so gehandhabt werden sollte.
Obwohl es in der Familie von Camille Lothe (27), Präsidentin der JSVP Kanton Zürich, aufgrund der verschiedenen politischen Ausrichtungen viel Sprengpotenzial gäbe, seien sie selten am Streiten.
Dazu hilft vielleicht auch das Geheimrezept für erfolgreiche Gespräche des Markenstrategen und Kreativ-Unternehmers Claudio Righetti (55): «Wichtig ist, sich in die andere Person hineinzufühlen und ehrliches Interesse zu zeigen, etwas erfahren zu wollen.»
Eine gute politische Kultur
«Wir bewegen uns in Stereotypen. Diese helfen in einer guten Kommunikation nicht», weiss der Kommunikationsprofi und TV-Kommentator Mathias Marti (52). Wichtig für eine gute Debatte ist der SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen (42) wiederum, wer daran teilnimmt: «Wir haben viel Potenzial, dass Minderheiten auch eingeschlossen werden. Das ist eine wichtige Herausforderung».
Gerade bei Diskussionen über Minderheiten sieht Lothe allerdings ein Problem: «Wir erreichen sie gar nicht, denn es wird auf einem extrem hohen Niveau diskutiert. Wir sollten darauf achten, dass die Leute verstehen, worüber wir reden.» Allgemein wünscht sich die Jungpolitikerin mehr Respekt, denn: «Wir sind nicht mehr bereit, einander zuzuhören. Jeder redet, aber nicht miteinander». Dass das Miteinander-Reden gefördert werden sollte, sehen alle in der Runde so. Sie halten einstimmig die grüne Karte hoch, als der Moderator Elias Rüegsegger (27) sie bittet, die Grüne für Zustimmung oder Orange für Ablehnung hochzuhalten.
Zerreissprobe Corona
Weniger einstimmig sah und sieht es während der Corona-Pandemie aus. Der Tag, an dem das Generationenforum abgehalten wurde, ist das beste Beispiel dafür: Die Meinungen über die ausgeweitete Zertifikatspflicht gehen weit auseinander. Auseinander treibt auch die Gesellschaft, wie sich in der Diskussion herausstellt. Elias Rüegsegger fragt in die Runde, wer schuld daran sei. Für Marti ist die Antwort klar: «Das Virus!».
Aus der Perspektive der Nationalrätin kann Wasserfallen erzählen: «In einigen Phasen standen wir als Parteien eng zusammen, doch manchmal war ich vom aggressiven Diskurs erschrocken». Damit beginnt das Gespräch über die Diktator-Vorwürfe, die sich Lothe wie folgt erklärt: «Das war ein Moment, bei dem die Nerven blanklagen. Zu dem Zeitpunkt war kein Ende in Sicht und wir gingen alle aufeinander los.» Dazu seien die Medien gekommen, die die Diskussion weiter anheizten. «Viele Leute fühlten sich ausgeschlossen», ergänzt Brotz, «sobald der Diskurs tot ist, wird das Klima nur noch schärfer.» Im Umgang damit stellt Lothe eine Überforderung fest: «Normalerweise ist Polarisierung links oder rechts, manchmal Alt oder Jung. Jetzt kann man die Gruppen der CoronaskeptikerInnen allerdings nicht einordnen.» Trotz diesen Entwicklungen habe es laut Righetti den Trend zur gesellschaftlichen Spaltung schon vor Corona gegeben.
Provokation
Ist es unangemessen, sich mit einer Waffe filmen zu lassen? Mit dieser Frage wendet sich Elias an die SVP-Politikerin mit dem rosafarbenen YouTube-Kanal. Ihr Video zum EU-Waffenrecht sorgte für Aufmerksamkeit, weil Lothe mit einem Sturmgewehr vor der Kamera sass. Sie betrachtet die Waffen in ihrer Hand allerdings nicht als verwerflich. Wasserfallen ist ebenfalls der Meinung, dass es dieses Spiel mit der Provokation in der Politik leiden muss. Erst wenn es aggressiv oder ausgrenzend werde, werde es problematisch. «Bilder, die schockieren und Schlagzeilen bekommen, die etwas anderes aussagen, werden zunehmen. Sie verbreiten sich weiter und es wird darüber gesprochen», stellt Righetti fest.
Arena
Hitzig diskutiert wird nicht nur über Camille Lothe’s YouTube-Videos, sondern auch in der Arena. Der Moderator Sandro Brotz mag jedoch genau das: «Es muss Reibung entstehen.» Ausserdem sei die Sendung erst gelungen, wenn sie als «hart» empfunden wird und anschliessend alle zusammen ein Bier trinken gehen. Nicht umsonst wird Brotz als «harter Hund» bezeichnet. Eine «Konsens-Arena» zu moderieren, sei nicht sein Ziel. Er versuche erst einzugreifen, wenn die Argumente auf die Personen ziele.
Nach diesem Generationenforum steht fest: Die Debattenkultur muss gelernt sein. Beginnend als Schulfach und gepflegt in der Konfrontation mit anderen Meinungen. So wie es laut Brotz an diesem Abend vorgemacht worden sei.
Und die Bilder
Victor Keller und Walter Winkler waren die beiden Fotografen am Politpodium. Das Experiment: Victor fotografierte in Schwarz-Weiss, Walter in Farbe.